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Die Übermutter

Lianne, meine Sechzehnjährige, ist Leiterin einer Mädchengruppe bei den Pfadfindern. Heute kommt sie erledigt vom Treffen nach Hause und lässt sich aufs Sofa fallen. Sie ist fix und fertig. „Ach“, stöhnt sie „du hast ja keine Ahnung wie es ist, Mami von 14 Mädchen zu sein!“.

Nachtgespräche

Nachts um drei Uhr liegen wir beide wach. Ich, weil das Medikament Tamoxifen mir ab und zu schlaflose Stunden beschert und weil die Unsicherheit über meine berufliche Zukunft mir Sorgen bereitet. Der Konzern, in dem ich arbeite, soll gesundgeschrumpft werden und es droht die Schliessung mehrerer Werke und Massenentlassung Tausender Angestellter weltweit. Auch für mich stehen die Chancen schlecht. Eyal liegt wach, weil er erkältet ist und Halsschmerzen hat. Er produziert eimerweise Rotz und Schleim und dreht sich schnäuzend, räuspernd und hustend im Bett, als wäre er am Ersticken. „Erinnere mich morgen früh daran, dass ich dich in meinem Testament erwähnen will“, sagt er mit heiserer Stimme in die Dunkelheit. „Bin ich da etwa noch nicht drin?“, frage ich staunend. „Nein, habe dich vergessen, ist mir jetzt gerade in den Sinn gekommen“, gibt er zurück. Ich drehe mich im Dunkeln lächelnd auf die andere Seite. Solange wir noch Humor haben, ist alles gut.

Könnte es sein?

Meine Tochter Lianne – bald 16 – ist schon eine junge Frau. Sie kümmert sich selbst um ihre Hygiene, sie wäscht und duscht sich, lässt ihr Haar beim Frisör glätten und föhnt es jeden Morgen. Und ich bin schon eine ältliche Mutter, geniesse meine wiedergewonnene Freiheit und habe nicht mehr viel im Sinne mit Kleinkinderkram und -Sorgen. Bis ich gestern plötzlich in alte Zeiten zurückversetzt wurde. Eigentlich waren die Anzeichen schon lange da, ziemlich klar sogar, aber ohne dass wir sie wahrgenommen hätten. Lianne klagte schon öfter über ein Jucken auf der Kopfhaut. Beim Nachschauen fand ich ab und zu kleine weisse Punkte, die wie Läuseeier aussahen. Einmal fand ich eine kleine Fliege in der Dusche, die ziemlich genau wie eine Laus aussah. Könnten es Läuse sein? Manchmal dauert es eben etwas länger, bis wir Tatsachen akzeptieren können. Da faselt das Töchterchen schon von „Sweet 16“-Party, Fahrstunden, Schulabschluss, undsoweiter. Und dann Läuse? Ja, es waren Läuse, vier Stück fand ic

Date um 8 Uhr morgens

07:50 Uhr: Mein Computer fährt gerade hoch und weil das ziemlich lange dauert, werde ich mir unterdessen gleich einen ersten Kaffee holen. Aber dann klingelt das Telefon. Ich antworte, obwohl die Nummer des Anrufers nicht zu erkennen ist und obwohl ich wirklich dringend gerne einen Kaffee hätte. „Hello“ säuselt eine Männerstimme auf Englisch. „Hallo“ antworte ich kurz angebunden. „I’m Rafi“, sagt er. „Hallo Rafi“, sage ich. Ich kenne keinen Rafi. Der Mann am anderen Ende murmelt etwas Unverständliches. „Wie bitte?“ frage ich nach, obwohl mir schon klar ist, dass sich da jemand verwählt hat. „Bist du Single?“ fragt er mit englischem Akzent. Wie bitte? Höre ich recht? „Warum? Wer ist dran? Wen suchen sie?“ „Suchst du ein Date?” holt Rafi nun aus. Ich pruste los. Nein, ich suche keinen Partner. Bestimmt nicht vor acht Uhr morgens. Ich hätte nur gerne einen Kaffee. “Ich habe deine Nummer von einer Dating-Plattform.” behauptet er. Welche Plattform denn, frage ich nach. Hat sich vielleicht

Organisation - WMDEDGT 12/2017

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Und was machst du eigentlich den ganzen Tag?  Diesen Beitrag verlinke ich auf der Blogseite von Frau Br ü llen , die jeweils am F ü nften des Monats fragt  „Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?“ Also bitte: Gute Organisation ist alles, wenn man wenig Zeit hat. Bis vor wenigen Jahren arbeitete ich täglich nur bis kurz nach Mittag und eilte dann jeweils nach Hause, um nachmittags und abends möglichst viel Zeit mit den Kindern zu verbringen. Damals arbeitete ich hauptsächlich mit europäischen Mitarbeitern und die Zeitdifferenz von ein bis zwei Stunden war leicht zu überbrücken. Seither habe ich – eher unfreiwillig – in der Firma den Job gewechselt und nun ist nicht nur mein direkter Vorgesetzter sondern mein gesamtes Team in den USA ansässig. Das bedeutet für mich in Israel, dass alle Besprechungen erst etwa um 15 Uhr beginnen. Unterdessen sind aber auch meine Kinder schon grösser und scheren sich einen Deut um mich. Trotzdem, eine Menge Hausarbeit fällt leider immer noch an.

Taxi im Dorf

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Wie eine neueste Zählung kürzlich ergeben hat, weist das Dorf, in dem ich lebe, etwa 5600 Einwohner auf. Das ist eine gute Grösse, man kennt sich und alles fühlt sich sehr familiär an. Es gibt eine Grundschule, einen Supermarkt, zwei „Tante Emma“-Läden, ein öffentliches Schwimmbad, eine Bibliothek, alles gut zu Fuss erreichbar. Für ein Einkaufszentrum, ein Kino, oder auch ein Restaurant muss man aber ausser Ort fahren. Auch das Schulhaus der Mittel- und Oberstufe befindet sich in etwa sieben Kilometer Entfernung und die Schulkinder werden mit Schulbussen hin- und wieder zurücktransportiert. Nun wäre das alles schön und gut – gäbe es funktionierenden öffentlichen Verkehr. Leider sind aber Busverbindungen in die umliegenden Dörfer oder Städte spärlich, schlecht organisiert oder gar nicht vorhanden. Der nächste Bahnhof ist fast nur mit Privatwagen zu erreichen und die zehn Kilometer Entfernung dorthin bedeuten im Morgenverkehr oft mehr als eine ärgerliche halbe Stunde stockende Fahrt. W

Zwillinge

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In unserer Familie gibt es Nachwuchs. In der erweiterten Familie, wohlvermerkt, bei uns selbst ist dieses Kapitel ja abgeschlossen (die Älteren) oder noch nicht aktuell (die Jüngeren). Mein Schwager aber ist zum ersten Mal Grossvater geworden. Die Freude ist gross und da es sich um Zwillinge handelt, sogar doppelt. Vor einigen Tagen stattete ich den beiden Würmchen, die nach 40 Tagen in der Frühchenstation endlich nach Hause durften, einen ersten Besuch ab. Die Beiden sind zehn Wochen zu früh geboren, aber ich bin trotzdem erstaunt, wie klitzeklein und unfertig sie auch jetzt noch sind.  An die ersten Wochen nach meinen eigenen Geburten kann ich mich nur noch diffus erinnern, ich war wohl jeweils reichlich verwirrt. Bis ich mich einigermassen von den Strapazen der Geburt, der hormonellen Umstellung und dem Durcheinander mit der neuen Familienkonstellation erholt hatte, kraxelten mir schon drei ausgewachsene Kleinkinder um die Beine. Vielleicht versetzt mich nun deshalb die Winzi

Gefährliche Begegnung

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Nächsten Monat werden es schon sechs Jahre sein, seit ich meinem Laufhobby fröne. Dabei ist eine der Herausforderungen beim Laufen das Erkunden von immer neuen Routen, denn jahrelang dieselbe Runde zu drehen wäre todlangweilig. Nun bin ich leider nicht mit einem sehr ausgeprägten Orientierungssinn gesegnet und muss deshalb die Strecken jeweils gut voraus planen, damit sie meinen Anforderungen entsprechen. Das ist gar nicht so einfach, denn es sollte möglichst eine Rundstrecke sein, sie muss von der geplanten Entfernung her ungefähr passen und ausserdem laufe ich nicht gerne in bewohnten Gebieten und auf asphaltierten Strassen. Querfeldein finden sich aber auch so einige Hindernisse: Viele Feldwege werden im israelischen Sommer zu Sanddünen, während ich im Winter manchmal plötzlich vor einem undurchquerbaren Tümpel stehe, der am Vortag noch gar nicht da war. Für weitere Gefahren habe ich jeweils einen Pfefferspray dabei, den ich hoffentlich nie werde gebrauchen müssen, denn die Chan

Der erste Regen

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Heute morgen überrascht mich, noch während ich den Wagen parke, ein kräftiger Wolkenbruch: der erste Regen! Es giesst in Strömen! Obwohl das Bürogebäude nur wenige Meter entfernt ist, bin ich nach einem Sprint in die Lobby klitschnass. Hier treffe ich auf mehrere durchnässte Mitarbeiter, die sich aufgeregt und fröhlich lachend die Tropfen von den Kleidern schütteln. Man kann sich vorstellen, dass der erste Herbstregen – nach der langen Trockenzeit des Sommers heiss herbeigesehnt – in Israel eine aussergewöhnliche Bedeutung hat. Deswegen verdient er auf Hebräisch sogar einen eigenen Namen: HaYoré. Und bei mir verdient er einen eigenen Blogbeitrag. Die Schweiz, wo ich aufgewachsen bin, ist meines Erachtens eindeutig mit zu viel Regen gesegnet. Wenn ich heute an die zwei Jahrzehnte zurückdenke, die ich in der Schweiz verbracht habe, erinnere ich mich vor allem an ein einziges endloses Warten auf ein paar sonnige Tage, die – kaum waren sie einmal da – schon wieder vorbei waren. Ich kann

Yom Kippur

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Am 10. Tag des hebräischen Monats Tischrei, der dieses Jahr auf diesen Samstag fällt, feiern die Juden Yom Kippur, den „Tag der Sühne“, der mit Fasten und Beten begangen wird. Bereits am Vorabend, am 9. Tischrei, kommt alles Leben in Israel zum Stillstand. Niemand arbeitet, der private sowie auch der öffentliche Verkehr liegen lahm. Die streng religiösen Juden benützen keine elektrischen Geräte und zünden kein Licht an. Sobald es dunkel wird (drei Sterne müssen am Himmel sichtbar sein) ergattert jeder rechtzeitig einen sicheren Parkplatz, der Verkehr hält ein und dann findet sich bis am nächsten Abend kein motorisiertes Fahrzeug mehr auf der Strasse. Die Übertragungen im Fernsehen und Radio werden eingestellt. Kinder erobern mit Rädern oder Rollschuhen die autoleeren Fahrwege. Dann trifft man sich in Scharen auf der Strasse und in oder vor der Synagoge. Da man nicht arbeiten soll/darf, nicht kochen, anrichten, wegräumen muss und man nirgendwo hinfahren kann, hat plötzlich jedermann u

Strandlilien

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Schon öfter habe ich über die Laufrunden mit meiner Laufgruppe im Naturreservat der Hasharon-Küste geschrieben (zum Beispiel hier und  hier ). Heute möchte ich einmal die Bilder sprechen lassen. Die Strandlilien blühen! Bei Sonnenaufgang Und etwas später Zum Verschnaufen, Sinnieren und Staunen gibt es auch einige spektakuläre Sitzgelegenheiten. Bitte nehmen Sie Platz!

Soldatenwäsche

Wochenende. Ausruhen. Pause machen. Getriebe herunterfahren. Entschleunigen. Ein bisschen aufräumen, ein bisschen kochen. Zu Hause sein. Auf dem Sofa liegen. Lesen. Musik hören. Zeit für Gespräche. Aufatmen. Energie tanken. Die Mädchen sind irgendwo. Itay der Soldat hat keinen Urlaub. Es ist Freitagnachmittag, Eyal und ich hängen auf den Sofas herum. Ruhe im Haus. Eyal versucht beim Zeitung lesen die Augen offen zu halten, ich lese ein Buch. „Vielleicht gehen wir ein bisschen ans Meer?“ schlägt Eyal vor. „Ja, gute Idee“, sage ich „Oder mit den Mädchen ins Kino“. „Wir könnten Freunde zum Nachtessen einladen. Einige haben wir schon lange nicht mehr getroffen.“ sinniert Eyal. Ja, wir sollten irgendetwas tun, ständig sitzen wir nur hier herum. Sogar die Yoga-Stunde heute morgen habe ich geschwänzt. „Komm, fahren wir nach Tel-Aviv, zum alten Hafen“, spintisiert Eyal weiter und wird in seiner Fantasie immer übermütiger, aber nur solange er sich nicht vom Sofa erheben muss. Laut

Beim Friseur

Liebe Leser, ich muss ihnen etwas gestehen: Ich bin gar nicht blond. Auch nicht dunkelblond. Nicht einmal brünett! Mein Haar ist ganz einfach schlohweiss – und gefärbt! Warum und wann ich mit dem Färben angefangen habe, entzieht sich meiner Erinnerung. Es gehört seit Jahren einfach zu meiner Routine. Einst färbte ich mein Haar blond, als ich noch jünger war, dann in allen Blond- und Brauntönen, die die verschiedenen Färbpaletten zu bieten haben: Sonnenblond, aschblond, dunkelblond, hellbraun, rehbraun, caramelbraun undsoweiter. Über all der Färberei geriet mein natürlicher Haarton in Vergessenheit. Unterdessen ist der Tag, an dem ich mir eingestehen muss, dass mein Haar unter all der Farbe ganz einfach weiss ist, schon lange eingetroffen. Nun, eigentlich strebe ich nicht nach einer jüngeren Version von mir selbst, aber – wie wird man die Farbe jetzt los? Monatelang mit grau nachwachsendem Ansatz aufzutreten würde mich schon sehr viel Überwindung kosten. Dazu kommt das absolute Unver

Fundstücke

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Über die Vorzüge der digitalen Ausleihplattform  Onleihe  habe ich in einem früheren Beitrag schon berichtet. Das grossartige an dieser kostenlosen Online-Bibliothek ist, dass ich aufs Geratewohl Stöbern und unbekannte Werke und Autoren „beschnuppern“ kann, an die ich mich mit grosser Wahrscheinlichkeit nie heranwagen würde, wenn ich das Buch kaufen oder auch nur von der Bibliothek nach Hause tragen müsste. So habe ich im Netz schon öfters mir unbekannte Autoren aufspüren können, die mich begeistern. Und wenn sich nach einigen Seiten herausstellt, dass mir die Lektüre doch nicht zusagt, kann ich die Wahl einfach wieder verwerfen. Ausserdem habe ich bei Onleihe die Hörversion entdeckt. Nun lasse ich mich beim Autofahren über die Lautsprecher der Audioanlage meines Wagens mit professionell vorgetragener Lektüre berieseln. So macht es mir nichts aus, auch einmal etwas länger im Stau zu stehen. Gibt es etwas Schöneres als ein gutes Buch zu hören, ohne von irgendjemandem oder irgendetwas

Herbst

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Die Sommermonate in Israel sind klimamässig die Hölle. Gerade die letzte Augustwoche war noch so unerträglich heiss und feucht, dass ich am Wochenende keinen Fuss vor die Tür setzte, denn nur schon der Gedanke an die Hitze draussen brachte meine Ohren zum Kochen. Überhaupt drehte ich den ganzen Sommer durch nur jeweils in den frühen Morgenstunden eine schnelle Runde im Garten, um die heruntergefallenen Mangos einzusammeln. Das war dann wieder genug „frische“ Luft, um mich danach den ganzen Tag ausschliesslich in klimatisierten Räumen aufzuhalten. Nun wird es aber endlich etwas erträglicher: Über Mittag ist die Hitze zwar immer noch erdrückend, aber nachts ist es auszuhalten und wir schlafen schon einige Nächte mit weit geöffneten Fenstern anstatt mit surrender Klimaanlage  –  und schon sprechen die Israelis von „kühl“. Als ich heute morgen um kurz nach fünf das Haus verlasse, zeigt das Thermometer angenehme 23 Grad. Prompt treffen wir im Naturreservat beim Lauftraining die erste w

Geburtstag

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Seit Itay eingerückt ist, sind schon neun Monate vergangen. Nach sechs Monaten Grundausbildung steckt er nun mitten in einem Kurs, der insgesamt 14 Monate dauert. Im Grossen und Ganzen gefällt es ihm ganz gut, zweifellos gibt es bessere und schlechtere Tage, aber die Ausbildung ist interessant und es ist auszuhalten. Natürlich kann die Schikaniererei, die im Militär wohl einfach dazu gehört, manchmal reichlich auf die Nerven gehen, aber Itay trägt es meistens mit Fassung und macht das Beste aus seiner Pflicht. Schlussendlich hat er ja auch keine andere Wahl. Wie wunderbar, dass sein zwanzigster Geburtstag auf ein Wochenende fällt, an welchem er Urlaub hat. Als er uns am Abend vor dem grossen Ereignis anruft, bin ich gerade am Geburtstagskuchen backen und Lianne, seine Schwester, bläst Ballone auf und verziert damit unsere Stube. Wir freuen uns auf das Wochenende, schliesslich feiert man ja nicht jeden Tag einen so bedeutenden Geburtstag. Leider hat aber Itay keine erfreuliche Nac

Misslungenes Training

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Irmi, der Trainer unserer Laufgruppe, erholt sich zur Zeit mit seiner Familie im Urlaub in Slowenien. Ha! Wer’s glaubt! Ich bin sicher, seine Kinder empfänden ein Trainingslager des FC Barcelona kurz vor dem UEFA Cup als entspannend im Vergleich zu zwei Wochen Ferien mit ihrem Vater. Bestimmt schleppt Irmi sie in Slowenien rund um die Uhr von Intervall- zu Pyramidentraining und von Gymnastik- zu Muskelaufbau-Übungen und ich vermute, dass am Ende des Urlaubs nur diejenigen ein Flugticket nach Hause erhalten, die den Halbmarathon unter 90 Minuten schaffen. Wer sich jetzt immer noch nicht vorstellen kann, wie verrückt Irmi ist, dem sei verraten, dass er es ganz normal findet, tote Riesenquallen am Strand als instabile Unterlagen für Gleichgewichtsübungen zu missbrauchen... Wie dem auch sei, ich hoffe er geniesst es – und seine Familienmitglieder wenigstens ein bisschen. In unserem heutigen Lauftraining bekommen wir Roy als stellvertretenden Trainer und erst jetzt wird mir bewusst,

Gedanken beim Reisen

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Die Schweizer scheinen grossen Wert auf die Kultivierung ihrer Freizeittätigkeiten zu legen, deshalb sind unter anderem auch die Velowege sehr sorgfältig gekennzeichnet. So düsen wir auf unserer mehrtägigen Tour fernab der Autostrassen schnell Seen und Flüssen entlang und bergauf und bergab durch Täler und Orte. Langgestreckte Ebenen wechseln sich mit hügeligen Landschaften ab, enge Täler öffnen sich und wir ziehen an hohen Bergen und Seen in unzähligen blau- und türkis-Schattierungen vorbei. In einigen besonders ruhigen und abgelegenen Gegenden wähne ich mich auf einem fremden Planeten. Alte, dunkle Bauernhäuser aus Holz liegen verstreut auf grünen Hügeln, die Täler sind von hohen Bergen flankiert, Grillen zirpen in der Mittagshitze, es riecht nach Heu, Kühen und Käse. Die wenigen Menschen, die wir treffen, haben braungebrannte, furchige Gesichter und sprechen eine Sprache, die man ausserhalb des Tales nicht versteht. Die Veloroute führt uns an grossen und kleinen Gehöften vorbei u

Reise in die Schweiz

Ich habe vor, um 11:30 das Haus zu verlassen um mich rechtzeitig am Flughafen einzufinden. Leider ist das Timing denkbar schlecht und Itay, mein Soldatensohn, muss genau zur selben Zeit abgeholt werden. Er kommt nach drei Wochen Kampftraining bedauerlicherweise just an diesem Wochenende auf Urlaub, an welchem ich verreise. Meine Hoffnung, dass er wenigstens frühmorgens entlassen würde, wird leider auch enttäuscht. Es reicht gerade für ein paar Sätze und einen Kuss, dann werde ich am Bahnhof ausgeladen. Kaum im Flughafen angekommen, erreicht mich das erste Telefon: Der Kampfsoldat und sein verwöhnter Vater versuchen, die Waschmaschine in Gang zu bringen. In der Warteschlange zur Sicherheitskontrolle erkläre ich ihnen, nach welchen Kriterien man Wäsche sortiert und welche Knöpfe zu drücken sind. Das Wäschesortieren schminken wir uns aber bald ab, es ist zu kompliziert und das weisse T-Shirt wird es überleben, wenn es einmal mit den stinkenden Uniformen zusammen in der Trommel baden muss.

WMDEDGT 07/2017

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10:00  Omelette, Rührei oder Pfannkuchen? Geräucherter Lachs, Thunfisch oder Salzhering? Salat- oder Früchtebuffet? Verschiedene Käsesorten, Joghurt, Butter, Kuchen, Croissants, Brot - die Auswahl ist unendlich. Ach, welch ein Dilemma am Frühstücksbuffet! Am liebsten würde ich den ganzen Tag im Esszimmer verbringen und schlemmen. Ich fange erst mal ganz solide an. Dann noch ein bisschen von Diesem, ein wenig von Jenem... Aber zum Glück bin ich ja auch noch morgen hier, dann werde ich die Speisen probieren können, auf die ich heute wegen begrenztem Fassungsvermögen verzichten muss. Diesen Beitrag schreibe ich als Antwort auf Frau Brüllen‘s Aufruf zum Tagebuchbloggen . Sie fragt auf ihrem Blog "Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?" (WMDEDGT) und da muss ich natürlich heute unbedingt dabei sein. Endlich einmal ein Tag, an dem ich nicht von 8 bis 17 Uhr vor dem Rechner sitze und virtuelle Dokumentenstapel abarbeite. Hurra, ich bin im Urlaub! Wie schon öfter mache

Abenteuer Radfahren

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Für diesen Sommer steht bei mir ausser Tauchferien in Eilat (schon nächste Woche!) auch eine mehrtägige Fahrradtour in der Schweiz auf dem Programm. Natürlich freue ich mich darauf, habe aber auch etwas Angst, dass ich dem langen auf-dem-Sattel-sitzen und in-die-Pedale-treten nicht mehr gewachsen sein könnte. Schliesslich habe ich kein Fahrrad mehr, seit meines vor einigen Jahren gestohlen wurde. Um mich für die bevorstehende Tour etwas in Form zu bringen, habe ich nun von einer guten Arbeitskollegin ein Fahrrad geliehen bekommen. Dabei scheint es sich um ein echtes Luxusobjekt zu handeln– es ist gross, mit extrabreiten Reifen und trotzdem überraschend leicht und schnell. Die erste Fahrt, mehr als 20 Kilometer von der Kollegin zu mir nach Hause, verlief ganz gut, wenn man davon absieht, dass ich die letzten paar Kilometer stehend fahren musste, weil ich nicht mehr sitzen konnte. Trotzdem, oder gerade deswegen, übe ich aber fleissig weiter. Da meine freie Zeit mit sportlichen Betäti

Spontane Reise

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Am Donnerstagmorgen früh verlässt Itay spontan das Haus, nur mit einer Badehose und einem T-Shirt bekleidet. Da nichts geplant ist und er keine Ahnung hat, wohin es gehen soll, nimmt er im letzten Augenblick seinen Schlafsack und ein Frottiertuch mit. Einer der Kollegen bringt einen gusseisernen, feuerfesten Topf und der dritte steuert einen Sack Reis und etwas Gemüse bei. Ihre ungeplante Reise führt sie zuerst in die Golanhöhen, dort gehen sie den Wasserläufen entlang, machen an erfrischenden Quellen Rast, kochen abends das Reis auf einem Feuer. Sie übernachten am Donnerstag in einem schattigen Wäldchen und am Freitag am Ufer des See Genezareths. Am Samstagabend steht Itay wieder da, in eben selbiger Badehose und T-Shirt, braungebrannt und zufrieden. Das Frottiertuch ist schwer und nass und ich frage ihn, ob er es beim Baden gleich mit ins Wasser genommen hätte. Nein, sagt er, aber die Kollegen hatten keines dabei, deshalb haben wir es zusammen benützt. Ach, manchmal möchte ich

Schavuot

Die Schavuot-Feiertage verbringe ich mit Nichtstun. Nicht einmal Wäsche waschen muss ich, denn unser Sohn ist zwar vom Militär auf Urlaub gekommen, hat aber mit einem Kollegen den Rucksack verwechselt. Als er das Missgeschick im Zug nach Hause entdeckte, war es schon zu spät, der Kollege und er fuhren in entgegengesetzte Richtungen und sie würden sich erst nach den Feiertagen wieder sehen. Nun stinkt also die fremde Soldatenwäsche bei uns zuhause im Rucksack vor sich hin und ich sitze auf dem Sofa und lese fast den ganzen Tag Bücher und Blogs und Artikel im Internet. Mein Angebot, die verwechselte Wäsche zu waschen, wird vom eigenen Soldaten strikt abgelehnt. Abends führe ich ein lustiges Gespräch mit meiner Tochter Lianne, die gerade einige Minuten himmelhochjauchzende Laune hat. Sie ist mit einem guten Sinn für Humor und Ironie gesegnet und irgendwie entwickelt sich das Gespräch so, dass wir darüber fabulieren, wie sie von zu Hause ausreißen wird. Ihre Türmpläne sind bis ins Detai

Schüleraustausch

Gerne hätte ich die beiden Jungs auf unserem Sofa fotografiert, lasse es aus Anstandsgründen dann aber sein. Zwei Siebzehnjährige, der eine blond und blauäugig, der andere eine wenig dunkler, jeder sitzt an einem Ende des Sofas, dazwischen klaffende Leere, bestimmt eine halbe Stunde schon, ohne ein Wort zu wechseln. Beide in ihre Smartphones vertieft. Schüleraustausch Deutschland-Israel 2017...

12 Von 12

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Eigentlich wollte ich am Freitag an der Blogparade „ 12 von 12 “ teilnehmen. Hier stellen andere Blogger ihren Tagesablauf vor, jeweils am Zwölften des Monats, mit der Kamera in 12 Bildern dokumentiert. Leider war dann aber mein Freitag nicht besonders foto-präsentabel und so habe ich es nur bis zum fotografierten Morgenkaffee geschafft. Dann bestand der Rest des Wochenendes nur noch aus Kochen (könnte ja noch ganz fotogen sein), Putzen (eher weniger fototauglich) und einem traurigen Krankenhausbesuch (überhaupt nicht fototauglich). Den Samstagmorgen startete ich im Badezimmer wieder einmal mit einer höchst unangenehmen Begegnung mit einer Kakerlake. Nachdem das widerliche Tier mich beim Zähneputzen überrascht hatte, rannte ich ihm mit dem Kakerlaken-Vernichtungsspray hinterher und sprühte es von allen Seiten ein. Die Kakerlake zeigte sich vom Gift aber nicht besonders beeindruckt, sondern krabbelte einfach weiter, etwa wie meine Tochter, wenn sie einen Joint geraucht hat und besond

Humor und ALS

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Aus einem Leben eine Tragödie zu machen, ist keine grosse Kunst. Eine Komödie über ein Leben zu schreiben, ist hingegen schon recht beachtenswert. Aus einem gotterbärmlichen, todgeweihten Leben eine Komödie zu machen und Andere damit zum Lachen und Nachdenken zu bringen, finde ich bewundernswert. Roee Yavin , Vater von drei Kindern, erkrankte kurz nachdem er 50 wurde an ALS. Bald komplett gelähmt, ans Bett gefesselt und beatmet, wurde er auf Facebook aktiv, schrieb Lieder und Texte und kurze, lustig-sarkastische Szenen, die vor allem seine Krankheit, seine elende Situation und den Umgang seiner Mitmenschen mit seiner Krankheit zum Thema hatten. Mit Hilfe seines Bruders konnte er die bekanntesten israelischen Komiker einspannen, darunter Tal Friedmann, Shalom Asayag, Miki Kam und weitere. So wurden in seinem Krankenzimmer humoristische Videos produziert, die Roee auf Facebook und Youtube unter die Leute brachte. Vor zwei Tagen, am 7. Mai, ist Roee gestorben. Ende 2014 schrieb er: „Ic

Heimat

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Meinen inneren Schweinehund kenne ich nun schon mehr als 50 Jahre und daher weiss ich ganz genau, wie ich ihn überlisten kann. Deshalb klingelt an diesem Feiertagmorgen der erste Wecker (derjenige, der auf dem Nachttisch steht) um 5:00 Uhr, damit ich mich nicht mehr im Tiefschlaf befinde, wenn ich aus dem Bett springen muss und um 5:10 schellt das Smartphone laut aus der Stube, wo ich es am Vorabend absichtlich hingelegt habe. „Was soll denn das?!“ meckert sogleich der Schweinehund noch schläfrig, aber bevor er richtig schnallt, was los ist, habe ich den Alarm schon ruhiggestellt und sitze auf dem Sofa in der Stube. Er hingegen dreht sich in meinem Bett auf die andere Seite und schläft weiter. Es hat geklappt! Ich „blättere“ zehn Minuten im Internet die letzten Neuigkeiten durch. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass die Erdkugel weiterhin ihre Runden dreht, während sich die Menschheit die Köpfe einschlägt, ziehe ich meine Laufklamotten an, trinke ein Glas Wasser und fahre los.

Ein Lied, ein Buch

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Der neue Song „Mabit mehazad“ von Omer Adam ist ein echter Ohrwurm, so einer, den man im Auto am besten auf volle Lautstärke aufdreht und der für einige Minuten gute Laune garantiert. Ich kann gar nicht genug davon bekommen. Auch sehr israelisch ist das Buch „ die sieben guten Jahre “ von Etgar Keret, dabei gibt es die Kurzgeschichten-Sammlung gar nicht auf hebräisch. Zu intim, zu verletzlich gibt sich der Autor in diesen Geschichten preis und  da er wohl für seine nächsten Nachbarn weiterhin der unnahbare Fiction-Erzähler bleiben möchte, gibt es sein erstes „Non-Fiction“ Buch nur auf englisch und deutsch. Mit israelischem Galgenhumor erzählt er Vorfälle aus dem Alltag. „In diesem Buch teilen Sie ein Eisenbahnabteil mit mir. Wenn Sie zur letzten Seite kommen, steige ich aus, und wir sehen uns vielleicht nie wieder. Aber ich hoffe, dass etwas von der siebenjährigen Reise, die mit der Geburt meines Sohnes beginnt und mit dem Tod meines Vaters endet, auch sie berührt.“ Das sch

WMDEDGT 04/2017

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Frau Brüllen fragt wie jeden Monat in ihrem blog " Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag ?" und diesmal bin ich dabei. 06:30 Heute wache ich mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Leider zwingt mich die Arbeit mit Mitarbeitern in den USA immer öfter dazu, meinen Tagesplan auf EDT (Eastern Daylight Time) auszurichten. Ich werde mir deshalb heute erlauben, etwas später zur Arbeit zu fahren, denn die Hausarbeit kommt zu kurz. Lianne ist gestern abend mit einem Riesenberg Wäsche von einem Pfadfinder-Ausflug zurückgekehrt und morgen bricht sie schon wieder zu einem weiteren Ausflug auf. Noch schlaftrunken kümmere ich mich also zuerst um die Wäsche. Etwa zehn Paar schmutzige Socken werfe ich ungewaschen zurück in Lianne‘s Zimmer. Sie kennt die Regel genau, aber das Spiel wiederholt sich seit Jahren: ich wasche keine verkehrt herum ausgezogenen Socken! 07:00 Frühstück und Kaffee. Ich geniesse es, zuhause zu frühstücken und nicht, wie sonst üblich, im Büro vor dem PC. Eyal steht nu