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Es werden Posts vom 2018 angezeigt.

Feiertage

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Die Weihnachts- und Neujahrstage gehen bei uns, erwartungsgemäss, sang- und klanglos vorbei. Kein Urlaub, kein Umherrennen, um Geschenke zu besorgen, kein Weihnachtsbaum, keine Silvesterparty. Arbeit, Alltag, die üblichen Verrichtungen, alles ganz unweihnachtlich. Kein Zeichen von Festlichkeit. In Haifa und anderen Orten, in denen Christen leben, soll es einige Feierlichkeiten geben, aber davon bekomme ich nichts mit, denn ich verbringe die Tage im Büro. Wenigstens geht es hier etwas ruhiger zu und her, denn auch unsere amerikanischen Arbeitskollegen sind im Feiertagsurlaub. Und ich? Zum Kaffee esse ich Weihnachtsgebäck, das ich per Post erhalten habe. Ich bringe Schokoladekläuse ins Büro und behänge damit die Topfpflanzen. Und in Gedanken verweile ich bei meiner Familie in der Schweiz. Dass diese Tage hier so unbeachtet vorbeigehen, lässt mich nicht kalt. Einst konnte ich es sogar kaum ertragen. Unterdessen bin ich aber wohl schon einiges integrierter, oder einfach ernüchtert. Ic

Unfall am Kinafluss

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Empfangskomitee in der Wüste Unter der Woche sind Eyal und ich oft rund um die Uhr viel zu beschäftigt, deshalb gehen wir die Wochenenden gerne etwas gemütlicher an. Wir tun möglichst einfach NICHTS und es kann schon vorkommen, dass sich die Kinder wundern, wieviele Stunden wir müssig auf dem Sofa ausharren, während sie kommen und gehen. Nur ab und zu, wenn ich mich selbst vor Langeweile nicht mehr riechen kann, treffen wir uns mit Freunden, gehen ins Kino oder unternehmen einen Ausflug oder eine Wanderung. Hier lächelt Eyal noch nichtsahnend in die Kamera, während der Gestürzte im Hintergrund schon am Boden liegt Wie aufregend die Wanderung am Wochenende werden würde, das konnten wir nicht ahnen, als wir der Einladung von einigen wanderfreudigen Bekannten zusagten. Unser Ziel war eine Rundwanderung in der Judäa-Wüste. Die Route verläuft im trockenen Flussbett des Kinaflusses und steigt schon im ersten Drittel in eine schmale Schlucht hinab, in welche der Fluss –

Regen

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Wenn sie denken, dass der in den Sommermonaten in Europa ausgebliebene Regen irgendwo im Universum verdunstet wäre, dann täuschen sie sich. Er ist einfach geographisch umgezogen und ergiesst sich nun bei uns. Wie aus Kübeln. Das ist fantastisch. Wir können die Wassermassen gut gebrauchen. Schon ist alles grün. Es lebe der Klimawandel!

Guten Morgen!

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Kurz vor sieben Uhr morgens laufe ich durch das morgensonnendurchflutete Porat. Porat ist ein verschlafenes Provinzkaff am Ende der Welt. Einige Bauernhöfe, Gewächshäuser, halbverrostete landwirtschaftliche Geräte, ein angebundener Esel, streunende Hunde. Das deutsche Äquivalent für Porat wäre wohl Hintertupfingen. Mein Gott, denke ich nun, während ich über die Dorfstrasse trabe, was hat ein halbwegs vernünftiger Mensch zu dieser frühen Morgenstunde in Hintertupfingen verloren? Bin ich eigentlich noch bei Trost? Ich habe laufend schon acht Kilometer hinter mir und ahne nun, dass ich wohl noch mindestens ebensoviele vor mir habe, um wieder nach Hause zurückzukehren. Nach Hintertupfingen bin ich geraten, weil ich kurz vor Vordertupfingen (hebr. Eyn Sarid) spontan eine unbekannte Abzweigung gewählt habe. Dann war die Gegend entlang den Erdbeerplantagen und Zitrushainen so verlockend, dass ich mich einfach vom Weg leiten liess. Während Laufen im israelischen Sommer eine Qual ist, w

Chanukka-Makrönchen

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Santa in Jerusalem Ich bin in der Schweiz aufgewachsen, lebe schon drei Jahrzehnte in Israel und spreche und schreibe fast perfekt hebräisch. Gerade deshalb weiss ich persönlich nur zu gut, wie komplex und vielschichtig die Problematik der Entwurzelung ist. So gibt es bei uns zum Beispiel am ersten Chanukka-Abend – während in allen herkömmlichen jüdischen Familien Kartoffellatkes gebraten werden – Raclette. Wenn Weihnachten und Chanukka zeitlich zusammenfallen, kann es vorkommen, dass unsere Chanukkia mit Christbaumschmuck dekoriert ist. An Pessach sind die Matzen viel erträglicher, wenn man sie grosszügig mit Osterhasenschokolade belegt. Und im Dezember kommt früher oder später immer die Lust auf Weihnachtsgebäck. Manchmal habe ich aber den Verdacht, dass dieses, seit ich zum Judentum konvertiert habe, nicht mehr so recht gelingen will. Die Chräbeli, die ich kurz vor Chanukka gebacken habe, sahen noch ganz vielversprechend aus. Bis sich herausstellte, dass sie nach dem Backen

Die Wüstenwanderung

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Die zweitägige Negevwanderung war fantastisch. Die monumentale Wüstenlandschaft ist grandios und atemberaubend. Die Nomaden-Atmosphäre – stundenlanges Gehen, der Aufenthalt in der freien Natur, fernab von bewohnten Orten, das Staubig- und Schmutzigsein, das abendliche Lagerfeuer, einfachstes Essen und die fehlende Internet- und Telefonverbindung – begeisterte mich. Wir entdeckten einige Wasserlöcher, antike Brunnen, wilde Tiere, vorzeitliche Wandmalereien und konnten uns am einzigartigen Wüstenpanorama kaum sattsehen. Zuerst wanderten wir etwa 16 Kilometer auf relativ einfachem Terrain und am Ende des ersten Tages schloss ich schon beinahe etwas voreilige Schlüsse über die Wanderfähigkeit der Israelis. Am zweiten Tag legten wir aber noch etwas drauf, kraxelten tatsächlich einige steile Hügel hoch und hinunter und durchwanderten eine Schlucht, die so eng war, dass wir die Rucksäcke abnehmen und einige von uns den Bauch einziehen mussten. Die letzten Kilometer legten wir fast rennend in

Es geht los!

Mit dem schweizerischen Volkssport Wandern haben die meisten Israelis nicht viel am Hut. Sie können nur schwer nachvollziehen, warum man Berge hoch- und hinunterkraxeln oder scheinbar sinn- und ziellos durch die Gegend marschieren soll, wenn man doch die Natur viel gemütlicher beim stundenlangen Grillen mit Freunden, in einem Geländefahrzeug oder allerhöchstens beim Spazierengehen geniessen kann. Wandern ist den meisten Israelis zu anstrengend, zu unspektakulär, zu bescheiden, zu unauffällig. Ausserdem ist es zum Wandern an mindestens acht Monaten im Jahr einfach zu heiss. Dabei hat Israel im nördlichen Teil des Landes oder in der Negevwüste im Süden naturliebenden Aktivmenschen unheimlich viel zu bieten. Aber auf den Pfaden der vielen Naturparks tummeln sich meist nur Frauen in unpassenden Schuhen, Kinder in Flipflops und Männer, die noch immer von den immensen Märschen erschöpft sind, die sie während ihrem dreijährigen Militärdienst bewältigen mussten  –  auch wenn dieser schon zwa

Abenteuer über den Wolken

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Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen, wusste einst schon Matthias Claudius. Von meiner Thailand-Reise gäbe es wahrlich viel zu erzählen. Dabei gilt Thailand ja eher als „Asien light“, denn es ist für Touristen sehr gut erschlossen. Für mich, die ich zum ersten mal nach Asien reise, ist es trotzdem sehr erstaunlich und beeindruckend, wie anders der asiatische Lebensstil ist. Wie abenteuerlich diese Reise werden würde, davon bekam ich schon bei unserem Air India Flug nach Bangkok über New Delhi einen Vorgeschmack. Ein kurzer Blick ins Internet ergibt: Unzureichender Service, mangelhafte Technik, mieses Essen und stundenlange Verspätungen scheinen bei dieser Fluggesellschaft zur Tagesordnung zu gehören. Auch geplatzte Reifen, Notlandungen, betrunkene Piloten oder Ratten an Bord – all dies scheint bei Air India kaum jemanden zu erstaunen. Wir wählen die indische Fluggesellschaft für unseren Flug nach Bangkok aber trotzdem, denn die neue Flugroute über Saudiarabien verkür

Nass

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„Sieben Prozent Regenwahrscheinlichkeit“, prophezeit der Gatte am Vorabend, während er die WetterApp konsultiert und schaut mich dann mit dem da-wirst-du-doch-nicht-etwa-laufen-gehen Blick an. Aber mich schreckt Regen nicht ab, schon gar nicht sieben Prozent. Nach drei Jahrzehnten in Israel bin auch ich, was das Wetter anbetrifft, völlig integriert: ich liebe den Winter mehr als den Sommer und freue mich über Regen und Wolken, oder wenigstens frischen Wind. Nur bitte keine Sonne! Das ist nicht erstaunlich, denn die Sommermonate sind in Israel klimamässig die Hölle: es ist so tropisch heiss und feucht, dass ich die Tage von Klimaanlage zu Klimaanlage plane. Wenn ich tagsüber vor die Türe trete, erschlägt mich die Hitze. Auch nachts sinken die Temperaturen nicht unter 25 Grad und schon am frühen Morgen kleben mir die Kleider am Leib. Monatelang, ununterbrochen. Als passionierte Läuferin habe ich meine Läufe während den Sommermonaten aufs Minimalste reduziert und in die frühesten Morge

Auf Schritt und Tritt verfolgt

Vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten sah mein Leben noch sehr anders aus. Ich war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Alles drehte sich mehr oder weniger um mich selbst, ich stand im Zentrum meines Universums. Dann beschloss ich – aus heute schwer nachvollziehbaren Gründen – Kinder zu bekommen. Es wurden deren drei und natürlich änderte sich mein Leben schlagartig. Ab sofort war ich nur noch für andere da und musste meine Wünsche und Bedürfnisse hinten anstellen. Aber die Jahre vergingen wie im Flug. Viele verzweifelte Momente, einige schlimme Schreckmomente und sehr viele Glücksmomente später habe ich fast wieder den Ausgangszustand von vor 23 Jahren erreicht. Ich habe diese Woche sturmfreie Bude! Jetzt trete ich am späten Nachmittag aus dem Büro und überlege zuerst einmal, wonach mir heute der Kopf steht. Ich muss niemanden bemuttern, niemanden umsorgen, niemanden bekochen, niemanden irgendwo hin fahren, niemandem zuhören. Niemand wartet auf mich. Natürlich gibt es da noch den G

Lippenkorrektur

Gestern war ich beim Zahnarzt, um ein Loch in einem Zahn flicken zu lassen. Es handelte sich um den Zahn neben dem Eckzahn (Zahn 24, wer es genau wissen will) und der Arzt spritzte mir eine recht grosszügig bemessene Portion Betäubungsmittel. Er musste sich verrechnet oder vergriffen haben, das machte sich schon bald nach der Spritze bemerkbar: Das Mittel lähmte nicht nur meine linke Mundhälfte, sondern setzte auch das linke Nasenloch ausser Gefecht und bald darauf verabschiedete sich mein linkes Auge. Zwei Stunden später war der Zahn schon lange geflickt, aber meine linke Gesichtshälfte immer noch reichlich taub. Die Nase und das Auge hatten zwar ihre Funktion weitgehend wieder aufgenommen, aber beim Essen biss ich mir aus Versehen mehrere Male kräftig in die gefühllose Wange, im Bereich der linken Lippe. Nachdem ich mich etwa drei- bis viermal kräftig gebissen hatte, verzichtete ich frustriert auf die Resten im Teller und ging mit einer Menge schmerzender Wunden im Mund schlafen.

Aus den Medien

Dies soll kein Israelblog sein, aber die einseitige und verlogene Israel-Berichterstattung in Europa beschäftigt mich täglich. Die Dämonisierung Israels in den Medien ist für uns Israelis deprimierend und frustrierend. Abgesehen von der üblichen meist absurden Verdrehung der Tatsachen ist auch das Weglassen von Informationen ein System, Israel schlecht darzustellen. Umso mehr freut es mich, ab und zu auf interessante, gute und richtige Artikel zu stossen, die die facettenreiche Gesellschaft Israels zum Thema haben und die komplexe Situation erahnen lassen, mit der sich Israel innenpolitisch permanent mehr oder weniger erfolgreich auseinandersetzt. Bitte lesen! Was geschieht mit den Christen in Israel? NZZ, 24.7.2018 Tscherkessen in Israel. Deutschlandfunk, 23.7.2018

Die Donaukniezwetschgenwähe

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Am Donauknie Die Zwetschge ist eine typisch europäische Frucht, die vor allem in Osteuropa weit verbreitet ist und die ich in meiner Kindheit in der Schweiz gerne und oft gegessen habe. Israelisches Klima hingegen mögen die Zwetschgen nicht besonders und daher ist die Saison für diese Frucht bei uns sehr kurz. Auch die Aprikosen sind in Israel nicht heimisch und tauchen nur kurzfristig auf den Märkten auf. Anfangs Sommer kann man jeweils während etwa zwei bis drei Wochen Zwetschgen und Aprikosen im Angebot finden. Dieses Jahr habe ich in den Läden bis jetzt – Mitte Juli – noch keine einzige Zwetschge und nur sehr kümmerliche Aprikosen entdeckt.  Was soll man machen, dass ich auch nach dreissig Jahren in Israel immer noch eher der Zwetschgen- und Aprikosen-Typ bin und mir die hier heimischen Früchte, wie zum Beispiel die Annona, die Kaktusfrucht Sabre, Granatäpfel oder Wollmispeln, nicht besonders munden. Der starke Geruch der Guave ist mir sogar bis zum Brechreiz zuwider. Natürl

Augenbrauen-Styling mit Zugabe

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In Israel ist Vieles kompliziert. Vielleicht werden gerade deswegen soziale Kontakte meist sehr offen und unkompliziert gehandhabt. Meine Tochter und ich haben heute um 21:30 Uhr einen Doppel-Termin zum Augenbrauen-Styling. Die Kosmetikerin meiner Wahl ist eine junge alleinerziehende Frau, die an einen offensichtlichen Nichtsnutz von Mann geraten ist und nun mit ihren Kindern nach der Scheidung bei den Eltern lebt. Dort führt sie gemeinsam mit ihrer Mutter ein kleines Kosmetikstudio. Ab und zu lasse ich mir von Shelly die Brauen richten. Shelly, die junge Kosmetikerin, hat dabei eine unvergleichlich sichere Hand. Deshalb sehe ich darüber hinweg, dass sie mir während der Behandlung ganz ungehemmt den Kopf mit ihren Problemen vollquatscht. Ausserdem wohnt sie nur fünf Gehminuten von mir entfernt, sie arbeitet hart, verdient wenig und ich gönne ihr diesen Verdienst, auf welchen sie angewiesen ist. Unser Termin heute Abend ist auf eine Stunde angesetzt, zu welcher in unserem Haus je

Neuigkeiten aus dem Erdbebengebiet

Wer hätte gedacht, dass mein Sohn aus seiner Vorliebe für Videospiele während der Schulzeit doch noch Nutzen ziehen könnte. Er zockte damals stundenlang, während sich seine schulischen Leistungen stetig verschlechterten – und ich darüber verzweifelte. Diese Zeit ist zum Glück vorbei, den Abschluss schaffte er irgendwie dann doch noch. Jetzt fährt er als Soldat der IDF in den Golanhöhen an der Grenze zu Syrien ein „ Katlanit “. „Das ist wie eine Videokonsole, einfach im klimatisierten Fahrzeug“, erklärte er mir. Kein Wunder schnitt er in dieser Ausbildung als Kursbester ab! Itay wird nach bald zwei Jahren Ausbildung (er ist auch noch Sanitäter seiner Truppe) und intensiven Übungen nun vorerst in den Golanhöhen stationiert sein, wo er und seine Truppe ein Teilstück der Grenze sichern. Die Situation in der Region ist leider alles andere als rosig. Wie es sich abzeichnet, könnte die „Lösung“ für die vertrackte Situation aber bald ein kräftiges Erdbeben sein. In den letzten vierundzw

Wenn einer eine Reise tut...

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Ganz abgesehen von den Sorgen, die ich mir fast ununterbrochen um sie mache, bewundere ich meine Tochter für ihre Waghalsigkeit und ihre Abenteuerlust. Die Fotos und Berichte, die mich aus Indien erreichen, wecken auch bei mir Fernweh und Reiselust. Indien ist aber doch arg weit weg und,  gelinde gesagt, sehr exotisch. Ich habe keine Lust auf lange Flugstunden, tropische Hitze, (noch mehr) Kakerlaken, Impfungen und Visa-Formalitäten und beschliesse, meine Lust auf ferne Länder mit einem Abend in Tel-Aviv zu stillen. Der Besuch in Tel-Aviv, der „Stadt, die niemals schläft“ ist für mich schon eine Fernreise per se. Leider schaffe ich Provinzhuhn es höchst selten in die pulsierende Grossstadt am Mittelmeer, bin aber dafür jedesmal von jedem Besuch umso mehr begeistert. Tel-Aviv hat unheimlich viel zu bieten: Einen kilometerlangen Sandstrand, viele verschiedene ältere und neuere Viertel, ein unerschöpfliches Angebot an kulturellen Anlässen, unzählige Märkte, Restaurants, Bars, Strassen-I

Abenteuer in Indien

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Eine Arbeitskollegin beklagt sich, dass sie ständig viel zu beschäftigt sei, gerade auch privat. Sie hat drei noch jüngere Kinder und ich kann mich gut erinnern, dass auch für uns Juni immer eine sehr ausgelastete Zeit war. Täglich gab es Abschlussparties: im Judokurs, im Ballettkurs, in der Unterstufe, in der Oberstufe. Klassenfeste, Elternabende und Orientierungsanlässe für die kommenden Ferienprogramme oder das Pfadilager reihten sich aneinander. Es nahm jeweils kein Ende und damit wir zwei oder mehr Anlässen an einem Abend Folge leisten konnten, benötigten wir einiges an Organisationstalent und mussten manchmal noch ein drittes Kind mitschleppen, das eigentlich schon längst ins Bett gehörte. Das ist aber schon einige Jahre her. Nun ist unser Haus ruhig, die Kinder sind nicht mehr zuhause. Ich habe den ganzen Abend nichts zu tun. Das aufgewärmte Essen steht schon in der Küche und wartet auf hungrige Kunden. Ja, der Boden müsste geschrubbt werden und die Fenster waren auch schon sa

Gedanken am Rhein

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Vier Stunden Flug trennen mich von der brodelnden Hexenküche und dem Paradies auf Erden. In den Tagen vor meinem Abflug in die Schweiz ist im und um den Gazastreifen immer noch die Hölle los. Zehntausende Palästinenser, von der Hamas aufgestachelt und trotz drohender Lebensgefahr in die brenzlige Zone geschickt, werfen Steine, Molotowcocktails, Granaten und Brandkörper über den Grenzzaun. Auf der israelischen Seite stehen Weizenfelder, Kirschenplantagen und ganze Naturreservate in Flammen. Die randalisierenden Palästinenser fackeln den Grenzübergang ab (wo sonst lebensnotwendige Güter die Grenze passieren) und demolieren ihre eigene Stromversorgung und alles muss mit israelischen Geldern wieder aufgebaut werden. Unsere Soldaten liegen schwitzend im heissen Sand um Gaza und lassen sich mit steigender Frustration mit gefährlichen selbstgebastelten Brandobjekten bewerfen. Viele Palästinenser werden erschossen. Auf dem Weg zur Arbeit vernehme ich aus dem Radio, dass Israel trotz de

Achtsamkeit

Ich gebe zu, ich bin ein ziemlicher Freak meines Smartphones. Ich liebe die Möglichkeiten, die es mir bietet. Mein Tag beginnt mit einem Blick in die Wetter-App, damit ich weiss, was ich anziehen soll. Im Morgenstau lese ich mein aktuelles Buch auf der Kindle-App (bitte nicht der Verkehrspolizei verraten). Während im Büro der Computer hochfährt, lebe ich auf Instagram mein Fotografier-Hobby aus. Nachmittags und abends eile ich von Termin zu Termin, an welche mich meine Kalender-App geflissentlichst erinnert und am Abend lasse ich den Tag auf dem Sofa beim Lesen deutschsprachiger Medien meiner Wahl über Facebook ausklingen. Beim Joggen gibt mir die Running-App gewissenhaft Bescheid, wieviele Kilometer ich schon gelaufen bin und die dazu gehörende Navigations-App sorgt dafür, dass ich beim Geländelaufen nicht verloren gehe. Weil ich oft alleine laufe, verfüge ich ausserdem über die Notfall-App des Magen David Adom, des israelischen Notfallrettungsdienstes. Im Falle eines Herzinfarktes, S

Drum prüfe, wer sich ewig bindet...

Die genauen Zahlen sind mir nicht bekannt, aber ich schätze, dass von 350 Mitarbeitern, die bis vor Kurzem an meinem Arbeitsplatz angestellt waren, etwa 150 im vergangenen Quartal wegrationiert worden sind. Nun stehen zahlreiche Büros leer. Im Zuge der Umstrukturierung sollen demnächst etwa 100 Mitarbeiter von einem anderen Sitz hierher verlegt werden. Darüber bin ich nicht sonderlich erfreut, denn ich habe eine gravierende Merkschwäche für Gesichter und Namen. Dass die vereinzelten Personen, die ich mir mit Mühe habe merken können, jetzt mit unzähligen neuen Gesichtern durchgemischt und aufgefrischt werden sollen, ist für mich verheerend. In Vorbereitung für die „neuen“ Mitarbeiter und um das Durcheinander komplett zu machen, wird unsere Sitzordnung in den Büros neu organisiert und diese Woche findet der grosse Umzug statt. Vor einigen Tagen musste auch ich umziehen. Die mysteriöse höhere Macht, die über die Büro-Zuteilung entscheidet, teilte mir ein Zweier-Zimmer mit einem mir unbe

Wir haben gewonnen!

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Manchmal erwacht man morgens zu einem Fast-Krieg mit Iran und manchmal erwacht man morgens zu einem Sieg Israels im Eurovision-Songcontest. Nun, eigentlich wusste ich nicht erst am Morgen, dass „wir“ gewonnen haben, denn meine Tochter schaute sich den Contest an und nachts um zwei ging in der Stube das Siegesgebrüll los. Ich konnte mich also schon ab diesem triumphalen Moment bis am Morgen im Siegesruhm sonnen. Wahrscheinlich scheren sich die meisten Europäer einen Deut um den Songcontest und das ist angesichts des immer mehr zu einer grotesken Show verkommenden „Schlagerfestivals“ verständlich. Aber die lebensfreudigen Israelis, die Musik und Feiern lieben, fiebern bei diesem Wettbewerb jedes Jahr mit und der gestrige Sieg der israelischen Repräsentantin versetzt das ganze Land in Ekstase. In Tel-Aviv, der Stadt die niemals schläft, tanzten die Leute um drei Uhr morgens in den Strassen. Dabei hielten sie wohl nicht nur Lebensfreude und Stolz über den Sieg vom Schlafen ab, sonder