Wie eine neueste Zählung kürzlich ergeben hat, weist das Dorf, in dem ich lebe, etwa 5600 Einwohner auf. Das ist eine gute Grösse, man kennt sich und alles fühlt sich sehr familiär an. Es gibt eine Grundschule, einen Supermarkt, zwei „Tante Emma“-Läden, ein öffentliches Schwimmbad, eine Bibliothek, alles gut zu Fuss erreichbar. Für ein Einkaufszentrum, ein Kino, oder auch ein Restaurant muss man aber ausser Ort fahren. Auch das Schulhaus der Mittel- und Oberstufe befindet sich in etwa sieben Kilometer Entfernung und die Schulkinder werden mit Schulbussen hin- und wieder zurücktransportiert. Nun wäre das alles schön und gut – gäbe es funktionierenden öffentlichen Verkehr. Leider sind aber Busverbindungen in die umliegenden Dörfer oder Städte spärlich, schlecht organisiert oder gar nicht vorhanden. Der nächste Bahnhof ist fast nur mit Privatwagen zu erreichen und die zehn Kilometer Entfernung dorthin bedeuten im Morgenverkehr oft mehr als eine ärgerliche halbe Stunde stockende Fahrt. Wenn die Schulkinder der Oberstufe am Morgen den Schulbus verpassen (was bei Jugendlichen ja gerne vorkommt), wäre der Schultag vorbei, wenn sie sich auf den öffentlichen Verkehr verlassen würden um zur Schule zu fahren. Zum Glück dreht der alte pensionierte Gemeindepräsident immer noch allmorgendlich seine Runden und sammelt die Jugendlichen ein, die verschlafen zu spät an den Bussammelstellen eintrudeln, und fährt sie zur Schule. Er hat aber nur Platz für vier Personen und die Nachfrage übersteigt fast immer das Angebot. Leider bedeuten die fehlenden Busverbindungen auch, dass Eltern viel zu oft als Taxidienst hinhalten müssen, wenn die Kinder ins Kino, zu Freunden oder irgendwelchen Besorgungen ausserhalb des Dorfes gelangen möchten. Viele Familien mit schon älteren Kindern sind im Besitz mehrerer Privatwagen, so auch wir. Das wiederum hat hohe Kosten und Umweltverschmutzung zur Folge und auch Streit mit den Nachbarn um die heissbegehrten Parkplätze in der Strasse ist an der Tagesordnung.
Nun soll eine neue WhatsApp-Gruppe das Verkehrsproblem mindern. Hunderte Einwohner sind schon Mitglieder und die Gruppe verbreitet sich wie ein Lauffeuer im Dorf. Die einzige Aufnahmebedingung ist, im Dorf zu wohnen. Jeder der irgendwohin muss und kein Auto hat, kann sich melden. Müssen sie zu einer bestimmten Zeit am Flughafen sein? Am Bahnhof? Möchten sie ins nächste Einkaufzentrum? Dann können sie einfach Ziel und Uhrzeit angeben und abwarten. Die Chancen sind gross, dass sich eine Mitfahrgelegenheit findet.
Ich finde diese Gruppe eine geniale gemeinnützige Einrichtung, in welcher ich auf jeden Fall aktiv tätig sein werde. Für das vermehrte WhatsApp-Gepiepse morgens kurz nach acht (habe mich verschlafen, fährt jemand zufällig in Richtung Schule) oder Meldungen in den frühen Morgenstunden (bin im Ausgang versumpft, fährt jemand gerade nach Hause?) gibt es zum Glück die Möglichkeit, die Gruppe stumm zu schalten.
Der Blick aus dem Fenster erfolgt aus Israel, wo ich seit 1988 lebe. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Schweiz. Aus meinem Fenster blicken auch Eyal, mein israelischer Mann und meine erwachsenen, sehr israelischen Kinder, Sivan, Itay und Lianne. Die Personen sind echt, unsere Namen aber frei erfunden.
Dienstag, 28. November 2017
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