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Achtzehn

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Als ich mich heute nach dem Morgensport und der Dusche in der Firma anziehe, fische ich mit Schrecken eine Jeans meiner Tochter aus der am Vorabend gepackten Sporttasche. Keine Ahnung, wie das Stück in meinen Schrank gelangt ist, aber nun bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als es anzuziehen. Die Jeans passt mir zwar in der Grösse, aber – auf dem rechten Knie prangt ein grosses ausgefranstes Loch! Nun ist eine helle Jeans an sich schon nicht mit dem Büro-Knigge vereinbar, aber eine Löcherjeans ist ein absolutes No Go! Ich ziehe die Jeans ungläubig an. Zum Glück habe ich in meiner Handtasche einen Notfallfaden und Nadel. Damit werde ich später das Loch aufs Ärgste zusammenschnürpfen.  Dann wird im Radio, als ich vom Gebäude, in welcher sich die Dusche befindet, zum Hauptparkplatz fahre, das Lied „Just the two of us“ von Grover Washington Jr. abgespielt. Das passt zur Jeans! Heute will mich mein Schicksal jung halten. Ich drehe sofort die Lautstärke auf und fange im Sitzen an zu ta

Karambolage und Karambola

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Wer sich mit jungen Menschen umgibt, rostet nicht. Man bleibt gezwungenerweise spontan. Meine drei Lieblinge sind schon fast flügge, aber ich schätze es, meine geistige Mobilität weiterhin auf Trab zu halten – obwohl die oft ins Absurde gipfelnden Spontansituationen manchmal recht viel von mir abverlangen. Seinen misslungenen Anfang nimmt dieser Tag eigentlich schon mitten in der Nacht. Es regnet!, ruft Eyal und ich schrecke aus dem Tiefschlaf. Tatsächlich, starker Regen prasselt auf das Vordach, und da es dieses Jahr noch kaum geregnet hat, ist das wohl ein plausibler Grund, mich zu wecken. Die Wäsche! Die Sorge um die Wäsche lässt mich in einer knappen Sekunde zum Balkon rasen. Nun stehe ich nachts um zwei im Pyjama im Regen und versuche, die Hosen und T-Shirts zu retten. Aber jeder Rettungsversuch kommt zu spät. Alles ist nass. Ich resigniere und krieche schnell wieder unter die warme Decke, bin nun aber hellwach und kann nicht mehr einschlafen. Meine Gedanken fahren Achterbahn

Ferien für Ältere

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Eines der Privilegien, die man wieder zu schätzen weiss, wenn die Kinder älter werden, ist die Freiheit, Urlaub zu machen, wann immer man will und vor allem, ohne die Schulferien zu berücksichtigen. Die Sommerferien sind in Israel viel zu lang: acht Wochen für die Unterstufe und zehn Wochen für Mittel- und Oberstufe. Das ist insbesondere äusserst unpraktisch, da in fast allen israelischen Familien beide Elternteile meist Vollzeit arbeiten. Im Juli, sofort mit Ferienanfang, werden die Kinderlein in alle nur erdenkbaren Ferienprogramme gesteckt. Danach werden die Grosseltern eingespannt. Oder die Eltern wechseln sich ab und machen den Spagat zwischen Arbeit und Kinderbetreuung. Und dann, wenn alle Stricke reissen, wenn alle Betreuungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind bis zum geht nicht mehr, wenn die Grosseltern vor Erschöpfung nicht mehr ans Telefon und die Kinder vor lauter TV-, PC- und Handy-Konsum die Wände hochgehen, dann verreisen in den letzten zwei bis drei Augustwochen fast a

Einmal Reis für Hundert Personen bitte

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Unsere Jüngste verbringt zehn Tage im Pfadfinder-Sommerlager und wir melden uns, wie viele andere Eltern, freiwillig zum Helfen. Wir ergattern die beliebte Wochenendschicht (8 Stunden) und finden uns am Samstag kurz nach Mittag im Lager ein. Dieses findet unter freiem Himmel statt, denn regnen wird es zu dieser Jahreszeit mit absoluter Sicherheit nicht. Schatten ist hingegen in der Julihitze unbedingt notwendig und deshalb wird die Pfadfinderlagerstadt für die etwa 4000 Pfadfinder in einem lichten Wäldchen aufgebaut. In dem Wäldchen gibt es keine permanenten Gebäude, alles wird aus Pfählen, Seilen und Planen auf- und nach einer Woche wieder abgebaut. Nachdem wir das Haupteingangstor und die entsprechende Sicherheitskontrolle passiert haben, konsultieren wir den mehrfarbigen Plan mit der Aufteilung des Lagers in Sektoren. Der verhältnismässig kleine Stamm unseres Dorfes mit nur knapp 200 Mitgliedern liegt im Wald zuhinterst rechts – zum Glück gibt es ein Shuttletaxi! An diesem ers

Die Fast-Gipfelbesteigung

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Nickerchen im windgeschützten Winkel Unsere letzte grosse Wanderung liegt schon mehr als eine Woche zurück, weil sie aber sehr abenteurlich und eindrücklich war, möchte ich doch noch darüber berichten und einige Fotos hochladen.  Die Besteigung der Kreuzfahrerburg Nimrod in den Bergen von Galiläa, im Norden Israels am ersten Wandertag verläuft angenehm. Vielleicht etwas zu angenehm, so dass es plötzlich zu spät wird und wir den zweiten Teil der Wanderung auf den nächsten Tag verschieben. Wir – eine Gruppe von etwa 30 Wanderern, inklusive einem dreiköpfigen Leiterteam – sind heute 14 km gegangen. Jetzt gibt es eine heisse Suppe und dann sitzen wir um das Feuer, auf welchem ein grosser Eintopf vor sich hinköchelt. Jemand hat eine Gitarre mitgebracht, wir singen und trinken Wein. Diese Aussicht vom "Bett" ist eine schlaflose Nacht wert Die Übernachtung im Zelt ist, wie nicht anders erwartet, eine Katastrophe. Trotz Heuschn

Ein bescheidener Sieg

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Wie jedes Jahr wiederholt sich in Israel eine Woche vor dem Unabhängigkeitstag der Holocaust-Gedenktag. Im Fernsehen werden Dokumentarberichte und Gespräche mit und über Holocaust-Überlebende ausgestrahlt. Zeitlich passend beginne ich gerade "Ist das ein Mensch?" von Primo Levi zu lesen. Ich realisiere plötzlich, dass mir – je weiter dieser fürchterliche Abschnitt der Geschichte in die Vergangenheit rückt – die Schicksalsberichte immer aberwitziger und unwirklicher erscheinen. Jedes einzelne Schicksal ist absolut unvorstellbar, mit dem Verstand einfach nicht zu fassen. Als hätte die Generation der Älteren in einem Anflug hinterhältigster Boshaftigkeit in den Vierziger Jahren beschlossen, von nun an allen Nachgeborenen einen himmelschreiend ungeheuerlichen Bären aufzubinden. Science Fiction. Anders ist es nicht zu begreifen. Natürlich weiss ich genau, dass dem nicht so ist. In Israel leben heute noch etwa 200,000 Holocaust-Überlebende und ihre oft meist fantastisch an

Ein Ausflug, den keiner will

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Schulferien und angenehmes Frühlingswetter treiben an den Pessachfeiertagen fast alle Israelis aus den Wohnungen. Zu Tausenden, ja zu Millionen sogar (1,25 Mio Israelis sollen an Pessach Ausflüge unternommen haben, wird heute morgen in den Nachrichten berichtet) brechen sie auf. An Pessach ist alles übervoll, jedes Hügelchen besteigen die Israelis in Scharen, jedem Bächlein entlang trampeln sie dicht an dicht, mit Kind und Kegel. Die Strassen sind im ganzen Land katastrophal verstopft, denn wer nicht in der freien Natur unterwegs ist, fährt wenigstens in eines der unzähligen Shopping-Zentren. Wer Menschenscharen nicht mag und nicht gerne im Stau steht, bleibt also an Pessach besser zuhause. Genau das machen auch wir. Die Kinder hängen faul herum, schauen fern oder geniessen die neuen Gartenmöbel. Mir wird schnell langweilig, deshalb putze ich, räume auf, koche, werkle etwas im Garten. Da ich Frühaufsteherin bin, habe ich mein Tagessoll aber meist schon um die Mittagszeit erledi

Sie sind da!

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Mir nahestende Mitmenschen behaupten, dass ich mich nur schwer oder gar nicht entscheiden könne. Ich finde, das stimmt überhaupt nicht. Ich wäge nur jeweils alle in Frage kommenden Möglichkeiten geflissentlichst ab. Sortiere aus, was zu viele Nachteile hat. Vergleiche die verbleibenden Optionen. Hole Meinungen von anderen ein. Erst wenn ich ganz genau weiss, was ich will, schlage ich zu. Und dann bin ich zufrieden. Dieses Vorgehen hat sich bis anhin in den meisten Lebensfragen als äusserst erfolgreich bestätigt. So kommt es auch, dass ich während der Suche nach den perfekten Gartenmöbeln für unsere neue Pergola zum Gespött meiner Familie wurde. Fast ein Jahr lang besichtigte ich alle in der näheren und weiteren Umgebung liegenden Gartenmöbel-Center und wog ab. Rattan, Aluminium oder Holz? Aluminium. Aber weiss oder grau? Ein Dreier- oder ein Ecksofa? Mit Tisch oder ohne? Langsam langsam kristallisierte sich mein Entschluss heraus und dann schlug ich zu. Jetzt sind die neuen Möbel

Auf Heimatbesuch

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Alltag. Die Tage rasen dahin. Immer ist etwas los, es findet sich kaum Zeit zum Schreiben. Ein Bombeneinschlag im Nachbardorf, eine Schweizreise, die Wahlen, endlich neue Gartenmöbel. Bevor ich beim Blogschreiben endgültig den Anschluss verpasse, möchte ich versuchen, eiligst noch etwas nachzuholen und vielleicht doch noch den davonrasenden Zug zu erwischen. In der ersten Aprilwoche durfte ich spontan geschäftlich nach Basel reisen. In der Filiale meines Arbeitgebers im Zentrum Basels standen Meetings mit der aus den USA angereisten Chefin und mit Mitarbeitern auf dem Programm, von denen ich bis anhin nur die Stimme am Telefon kannte. Dabei war aber nicht von allzu ernsthafter Arbeit die Rede, es handelte sich eher um gesellschaftliches Zusammenfinden, um sich bei gemeinsamen Mahlzeiten (Basel hat einige sehr gute Restaurants, vor allem, wenn die Firma bezahlt) und Aktivitäten (ein geführter Stadtrundgang) kennenzulernen. Der Fasnachtsbrunnen in Basel Vor einer Ewigkeit,

Party mit Überraschungen

Donnerstagabend. Zusammen mit einigen Bekannten sind wir zu einer Geburtstagsfeier bei einem Abendessen in Tel-Aviv eingeladen. Obwohl es in Tel-Aviv eine Vielzahl bester Restaurants gibt, ist der neueste Hype „Eat with“  –  kulinarische Erlebnisse bei privaten Gastgebern. Unsere Gastgeber sind Tomer, der  –  bevor er seine Kochleidenschaft zum Beruf machte  –  Chemie studierte und seine Frau Yael, welche ein Praktikum als Juristin absolviert. Ihre zwei kleinen Kinder schlafen schon, als wir in der modern renovierten Wohnung in einem älteren Haus in der Jabotinsky-Strasse eintreffen. Tomer und Yael haben in ihrer Stube die Sofas zur Seite gerückt und zwei grosse Tische gedeckt. Das vielversprechende Menü in sieben Gängen liegt sorgfältig gedruckt neben den Tellern. Während Tomer in der offenen Küche den ersten Gang kocht, essen wir knusprige selbstgebackene Foccaccia und mit Trüffeln und gedörrten Zwetschgen gewürzte Butter. Das Brot und die Butter sind köstlich und verheissen einen vi

Tischlein deck dich!

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Unsere Tochter ist seit einigen Wochen Serviceverantwortliche in einem Schicki-Micki-Restaurant. Seit Sivan in dieser prestigereichen Funktion für den gesamten Service und das Servicepersonal zuständig ist, geht nun auch das ganze Drumherum bei unseren Familienmahlzeiten etwas anders über die Bühne: Als hätte sie nie etwas anderes getan, verteilt sie rigoros Aufgaben wie Tisch decken, Weinflasche öffnen, Getränke auftischen, abräumen, Geschirrspüler einräumen, undsoweiter. Sämtliche Anwesenden werden effizient rekrutiert, Befehle werden verteilt und erstaunlicherweise läuft unter dem energischen Regiment plötzlich alles ganz zackig ab. Ich staune nur noch – wo hat sie nur diese Autorität her? Ich selbst habe jahrelang immer vorgezogen, alles – meist zunehmend frustriert und verärgert – gleich selbst zu erledigen, weil ich im voraus schon wusste, dass ich nicht nachdrücklich genug sein würde, um die verwöhnten Kinder in Fahrt zu bringen. Sie hingegen setzt ein breites Lächeln auf, ko

Höchste Zeit für Diät

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Seit ich die Fünfzig überschritten habe, nehme ich, zwar nur langsam und minimal, aber doch stetig zu. In den letzten drei Jahren habe ich – vielleicht wegen der hormonellen Umstellung – jedes Jahr durchschnittlich ein Kilo zugenommen, obwohl ich, gefühlt, kaum etwas esse. Sollte mein Gewicht konstant so weiter wachsen, werde ich im Alter von 120 Jahren 134 Kilo auf die Waage bringen. Das sind keine guten Aussichten, denn mit diesem Gewicht würde ich wohl kaum in einen Sarg passen. Zum Glück gibt es heute für alles eine App und ich finde, es ist wieder einmal an der Zeit, mit der DiätApp "Noom" Kontrolle über mein Gewicht zu erlangen. Bei dieser App gebe ich Alter, Grösse, das aktuelle und das Zielgewicht, sowie die Strenge der geplanten Diät ein und sie spuckt mir die täglich erlaubte Kalorienzahl aus. Natürlich muss ich auch die Kalorien nicht selber zählen, sondern nur geflissentlichst jedes mir zugeführte Nahrungsmittel mit genauen Mengenangaben in der App vermerken

Frühling

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Weil mich dieses Wochenende zuviele Fotos aus der Schweiz erreichten und ich immer wieder neidvoll auf Berge und Skigebiete mit strahlend blauem Himmel blicken musste, während es bei uns so sehr stürmte, regnete und hagelte, dass man gar nicht nach draussen konnte und weil es jetzt, gerade nach dem Regen, am allerschönsten ist, genehmigte ich mir heute morgen einen ausgedehnten Streifzug durch die Natur. Jetzt bin ich wieder sicher, dass der Rasen des Nachbarn gar nicht grüner ist als unserer oder aber auf jeden Fall – bestimmt nicht blühender!

Zum Jubiläum...

Als wüsste man bei der BAZ vom Jubiläum meiner Brustkrebsdiagnose, erscheint in diesen Tagen ein Interview, welches ich mit solchem Wohlgefallen lese, dass ich dem zuständigen Journalisten sogar verzeihe, dass es für mich mit drei Jahren Verspätung kommt. Nach meiner Brustkrebsdiagnose und vor allem in der Zeit nach der Behandlung machte ich mir unzählige Gedanken über die Frage, warum ich an Krebs erkrankt war. Was war der Trigger für das Entstehen eines Tumors und was hatte sein Wachstum in meinem Körper ermöglicht? Hätte ich mit gesünderer Lebensweise die Krankheit vermeiden können? Trug ich Schuld an meiner Krankheit? Ich vermutete, dass Krebs eine Zufallskrankheit ist, grübelte aber doch viel über krebsfördernde Nahrungsmittel, Umwelteinflüsse und die Bedeutung der psychischen Konstitution auf die Gesundheit nach. Heute, fast drei Jahre später, bin ich in meinem Glauben gefestigt, dass bestimmte Nahrungsmittel oder Umwelteinflüsse zwar ungesund sein können, es aber keinen Sinn m

Die Feinschmeckerfreundin

In der Schule meiner Tochter Lianne ist es seit einiger Zeit zur Gewohnheit geworden, dass die Schulkolleginnen ihren Freundinnen zum Geburtstag einen Geburtstagskuchen in die Schule bringen. Dem Perfekten-Instagrambilder-Zeitalter entsprechend übertreffen sich die Mädchen dabei immer mehr mit überbordenden Schokoladedekorationen. Die Kuchen werden mit Schokoladeriegeln, Schokoladekugeln, Pralinen und allen möglichen Süssigkeiten beladen und oft entstehen dabei bedrohlich befrachtete Werke, die an den Turmbau zu Babel erinnern. Einmal musste ich meine Tochter sogar mit so einem kunstvollen Gebilde zur Schule fahren, weil sie damit ja nicht den Schulbus nehmen konnte. Was man nicht alles für die lieben Kleinen macht! Oft bekommt ein Geburtstagskind mehrere Schokoladekreationen auf einmal, die die Kinder dann in der Pause gemeinsam verschlingen. Was für ein erfreuliches Kompliment für meine Kochkünste, als die Freundin meiner Tochter ausrichten lässt, sie wünsche sich für ihren Geburts

2019

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Morgen für Morgen betrete ich dasselbe Büro. Sitze stundenlang auf demselben Stuhl. Vor demselben Bildschirm. Trinke Kaffee aus derselben Tasse. Bearbeite dieselben Dokumente, die nie zur Neige gehen. Esse in der Kantine dasselbe Essen. Führe in der Kaffeeküche dieselben Gespräche. Trete am Ende des Tages aus derselben Türe und fahre nach Hause. Ich betrachte die im Fenster vorbeiziehenden Wolken und nehme wahr, wie statisch hier drinnen alles ist. Wie sich alles ins Unendliche wiederholt, während die Zeit – wie die Wolken – nie stehenbleibt und die Jahre vergehen.