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Samstag, 7. April 2018

Mein Senf zum Weltfrieden

Mit den nachfolgenden Zeilen möchte ich auf den Beitrag einer Blog-Nachbarin eingehen. Eigentlich wollte ich nur einen Kommentar zu ihrem Artikel schreiben, dieser wurde dann aber etwas länger und um ihre Kommentarspalte nicht zu sprengen, gebe ich jetzt meinen Senf hier zum Besten, in der Hoffnung, dass unsere Blogs nun nicht zu Schlachtfeldern der Meinungen und Anfeindungen über den Palästinakonflikt werden, denn dies ist ein explosives Thema! 

In all den Jahren, in denen ich auf verschiedene Arten im Netz unterwegs bin, habe ich mich immer davor zurückgehalten, über den “Nahostkonflikt” zu diskutieren. Einerseits, weil ich auch nach dreissig Jahren in Israel die Situation immer noch lerne und nicht mit Menschen diskutieren mag, die sich nach dem Lesen einiger Schlagzeilen eine mehr oder weniger festgefahrene Meinung bilden (damit meine ich auf keinen Fall dich, liebe Schreibschaukel!), andererseits weil ich durch mein Auswandern in ein anderes Land gelernt habe, dass wir alle Brillen aufhaben. Diese Brillen, seien es pazifistische Schweizerbrillen, Terror-Brillen, oder andere Brillen mit eben irgendwelchen Wertevorstellungen eines Volkes, sind sehr schwer abzulegen. (Ich persönlich trage unterdessen eine Multifokalbrille, deren Linsen mich teils aus dem Blickwinkel der Israelis, teils mit schweizerischen Vorstellungen auf meine Umwelt blicken lassen und das kann manchmal ganz schön verwirrend sein.)
Wir sind uns dessen üblicherweise nicht bewusst, aber unsere Wahrnehmung von Konflikten auf dieser Welt sind nur Zerrbilder der gegebenen Situationen.

Deshalb finde ich auch die Frage meiner Blognachbarin „würden wir?“ falsch, denn sie bezieht sich nur auf ein momentanes Ereignis, während die ganze Situation dahinter, die jahrtausendealte Geschichte und die Aussichten auf die Zukunft so komplex sind, dass man die Frage so nicht beantworten und die Situation nicht vergleichen kann.

Ich möchte aber hier auf die Frage der Blogschreiberin eingehen, ob israelische Scharfschützen wirklich auf flüchtende Männer schiessen. Leider weiss ich die Antwort dazu aus (fast) erster Hand: Mein Sohn liegt nämlich in diesen Tagen in der IDF-Uniform im Sand auf den Hügeln um Gaza. Er ist zwar kein Scharfschütze, aber gemäss seinen Aussagen lautete der Befehl, den Demonstranten, die den Zaun besteigen, auf die Füsse zu schiessen. Dabei kann natürlich im Getummel einiges schiefgehen. Nach dem ersten Tag mit Todesopfern, dem Aufschrei der ach-so-gerechten Länder der Welt und den negativen Talk-backs in den Medien, wurde der Befehl geändert. Keine scharfe Munition mehr, auf keinen Fall.

Natürlich gibt es auch über diese Strategie geteilte Meinungen und die scheinen oft unverständlich, vor allem wenn man aus der fernen Schweiz auf den Konflikt blickt. Von wegen Brillen und so.

„Dumme, verwirrte Kinder!“ sagte mein Sohn letzte Woche über die palästinensischen Jugendlichen, als er für einen Tag auf Urlaub kommen durfte. „Warum gehen sie nicht nach Hause, lernen etwas Gescheites, bauen etwas auf, so wie wir das tun?“

Mehr über diesen ganzen Zirkus möchte ich hier nicht zum Besten geben. Kümmern wir uns doch alle besser um die Zustände in unserer Familie, mit unseren Nachbarn und unseren Nächsten, als uns in Konflikte einzumischen, die wir nur begrenzt verstehen können. 
Ehrlich gesagt, finde ich die Situation (nicht nur im Nahen Osten) so katastrophal, dass ich keine Kraft mehr habe, überhaupt noch etwas darüber zu hören, geschweige denn zu diskutieren oder gar zu belehren. Noch wehren sich die Israelis, aber ich befürchte, dass sie diesen Konflikt auf die Dauer verlieren werden. Es gibt keine Lösung, aber die Richtung zeichnet sich deutlich ab. Das macht mich unendlich traurig, denn ich bin fest davon überzeugt, dass das jüdische Volk das Zeug dazu hätte, die Welt in eine bessere Zukunft zu leiten, wenn..., ja, wenn man es eben lassen und dabei unterstützen würde.

Dienstag, 3. April 2018

Shvil Israel

Eindrücke vom Trail-Abschnitt 18 heute morgen

Der Shvil Israel (oder INT, Israel National Trail, der israelische Nationalwanderweg) ist eine Pilgerroute, die in 44 Etappen über 1,050 Kilometer das Land Israel vom Norden bis in den Süden durchquert. Der Shvil Israel soll eine der schönsten Fernwanderwegen der Welt sein. Auf der Webseite von Christian Seebauer kann man mehr über den Trail lesen, der mit spektakulären Landschaften in einem aufregenden Land, meist angenehmem Wetter und hilfsbereiten Mitwanderern und Einheimischen aufwartet. 


Der Trail führt vom Kibbuz Dan im Norden durch Galiläa und am See Genezareth entlang, durchs Karmelgebirge zum Mittelmeer, an der Küste nach Tel Aviv, an Jerusalem vorbei und durch die Negev-Wüste bis ans Rote Meer im Süden. Gemäss der Topologie des Landes ändert der Trail seinen Charakter mehrmals: Er schickt den Wanderer über sanfte Hügel, durch unwegsame Schluchten, am Strand entlang und durch bewohnte und landwirtschaftlich geprägte Gebiete. Im Süden führt der Pfad auf einem etwa vierhundert Kilometer langen Abschnitt durch eine eindrückliche Sand- und Steinwüste. 

Übernachten können Wanderer im Zelt, unter freiem Himmel oder sie machen von den so genannten „Pfad-Engeln“ Gebrauch, die kostenlose Unterkünfte entlang des Trails anbieten. 

Je nach den persönlichen Möglichkeiten des Wanderers wird das Begehen des „Pfades“ in verschiedenen Zeitspannen geplant und durchgeführt: Eine mir bekannte Familie begeht den Trail mit Kind und Kegel in grösseren Abständen, sie legen wenn möglich eine Etappe im Monat zurück. Andere Bekannte wandern ab und zu zwei oder drei Etappen an den Wochenenden am Stück und lassen sich damit jahrelang Zeit. Den Rekord (für die alte Route von ca. 960 Kilometern) hält der israelische Abenteuerläufer Carlos Goldberg. Er lief den Trail von Nord nach Süd in 12 1/2 Tagen. Nun, an zwölf Tagen in der Reihe fast 80 Kilometer täglich zu laufen ist unbestrittenerweise sehr eindrücklich. Aber auch ich persönlich begehe den Shvil auf ganz besonders originelle Art (gezwungenermassen, da ich jeweils um acht Uhr morgens im Büro sein sollte): ich laufe Teile der lokalen Etappen 17 und 18 während meines Morgenjoggings immer und immer wieder!



Es gibt viele Gründe, den Shvil Israel zu bewandern: Weil man sich gerne aktiv betätigt und die Natur liebt. Weil man sich irgendeine Erleuchtung oder wenigstens innere Einkehr verspricht. Weil man eine besondere spirituelle Beziehung zu Israel hat und das Land mit den eigenen Füssen erforschen und erfahren möchte. Weil man Zeit und Ruhe zum Nachdenken braucht. Weil es befriedigt, etwas Grosses anzufangen, durchzuziehen und abzuschliessen, auch wenn oder gerade weil es sehr lange dauert. Weil Reisen einen kritischen Blick auf unser eigenes Dasein ermöglicht. Schnelles Reisen, im Flugzeug, oder einfach zu schnelles Hin- und wieder Zurückhüpfen, frustriert jedoch meines Erachtens eher. Unsere Seele – meine jedenfalls – kommt oft nicht mehr mit, wenn wir die natürliche Geschwindigkeit überschreiten, die der menschliche Körper ohne Motoren erreichen kann. Natürlich kann auch langsames Reisen frustrieren, zum Beispiel wenn man im Osterverkehr im Stau steht. 

Na ja, wie dem auch sei – über all das und vieles mehr werde ich gründlich nachdenken, wenn ich selbst einmal den ganzen Shvil Israel begehen werde. Das habe ich nämlich vor, spätestens wenn ich meine 45 Jahre im Gefängnis des Geldverdienens werde abgesessen haben und entlassen werde. Ob mir dann beim Pilgern wohl angerechnet wird, dass ich Abschnitt 18 schon 782 mal gelaufen bin?

Mit diesem Ausblick beende ich meinen heutigen Morgenlauf auf Trail-Abschnitt 18

Sonntag, 5. November 2017

Gefährliche Begegnung



Nächsten Monat werden es schon sechs Jahre sein, seit ich meinem Laufhobby fröne. Dabei ist eine der Herausforderungen beim Laufen das Erkunden von immer neuen Routen, denn jahrelang dieselbe Runde zu drehen wäre todlangweilig. Nun bin ich leider nicht mit einem sehr ausgeprägten Orientierungssinn gesegnet und muss deshalb die Strecken jeweils gut voraus planen, damit sie meinen Anforderungen entsprechen. Das ist gar nicht so einfach, denn es sollte möglichst eine Rundstrecke sein, sie muss von der geplanten Entfernung her ungefähr passen und ausserdem laufe ich nicht gerne in bewohnten Gebieten und auf asphaltierten Strassen. Querfeldein finden sich aber auch so einige Hindernisse: Viele Feldwege werden im israelischen Sommer zu Sanddünen, während ich im Winter manchmal plötzlich vor einem undurchquerbaren Tümpel stehe, der am Vortag noch gar nicht da war. Für weitere Gefahren habe ich jeweils einen Pfefferspray dabei, den ich hoffentlich nie werde gebrauchen müssen, denn die Chancen sind gross, dass ich ihn im Eifer des Gefechts mir selbst in die Augen sprayen würde.

Diese Woche hatte ich beim Erkunden einer neue Route eine sehr unangenehme Begegnung mit einem Rudel streunender Hunde. Leider sind Begegnungen dieser Art für Jogger in Israel keine Seltenheit, aber bisher waren die Hunde noch immer mit einem autoritären „Nach Hause!“-Ruf zu beeindrucken und die Kombination mit einem strengen Blick liess sie jeweils das Weite suchen.

Leider nicht so an diesem Morgen: ich nahm die drei Hunde auf dem Feld aus einigen hundert Metern Entfernung wahr. Zum Glück kam mir auch noch ein landwirtschaftlicher Traktor entgegen, so entschied ich mich mutig, nicht umzukehren sondern weiter zu laufen. Bald sprangen die Hunde auf mich zu und während zwei sich tatsächlich aus dem Staub machten, als ich ihnen energisch einen Befehl zurief, kam der dritte - ein deutscher Schäferhund! - zähnefletschend auf mich zu! Er schien mit seinem Hundespürsinn sofort gewittert zu haben, dass es mit meinem autoritären Durchsetzungsvermögen nicht allzu weit her ist und er knurrte mich an, zeigte mir die Zähne und wartete nur auf den richtigen Moment, mich anzuspringen und zu zerfleischen! Wie ich richtig berechnet hatte, kreuzte nun aber gerade der Traktor meinen Weg und während ich noch eine Zehntelsekunde überlegte, ob ich lieber von einem deutschen Schäferhund zerfleischt oder von einem unbekannten thailändischen Traktorfahrer vergewaltigt werden möchte (wer weiss: #metoo!), sprang ich dem Lebensretter aufs Trittbrett und schon fuhren wir dem Rudel mit dem Traktor davon. Etwa einen Kilometer weiter stieg ich unbehelligt wieder ab und lief dann mit klopfendem Herzen und etwas schneller als gewöhnlich meine Runde zu Ende.

Fazit: Lieber auf den gewohnten Strecken laufen! Zum Beispiel dem Alexanderfluss entlang, hier ist es ziemlich sicher, es gibt jederzeit viele Läufer und Radfahrer und wenn auch die Strecke immer dieselbe ist, sind doch die Sonnenaufgänge jeden Tag anders (siehe Foto)!

Dienstag, 10. Oktober 2017

Der erste Regen



Heute morgen überrascht mich, noch während ich den Wagen parke, ein kräftiger Wolkenbruch: der erste Regen! Es giesst in Strömen! Obwohl das Bürogebäude nur wenige Meter entfernt ist, bin ich nach einem Sprint in die Lobby klitschnass. Hier treffe ich auf mehrere durchnässte Mitarbeiter, die sich aufgeregt und fröhlich lachend die Tropfen von den Kleidern schütteln.

Man kann sich vorstellen, dass der erste Herbstregen – nach der langen Trockenzeit des Sommers heiss herbeigesehnt – in Israel eine aussergewöhnliche Bedeutung hat. Deswegen verdient er auf Hebräisch sogar einen eigenen Namen: HaYoré. Und bei mir verdient er einen eigenen Blogbeitrag.

Die Schweiz, wo ich aufgewachsen bin, ist meines Erachtens eindeutig mit zu viel Regen gesegnet. Wenn ich heute an die zwei Jahrzehnte zurückdenke, die ich in der Schweiz verbracht habe, erinnere ich mich vor allem an ein einziges endloses Warten auf ein paar sonnige Tage, die – kaum waren sie einmal da – schon wieder vorbei waren. Ich kann mich erinnern, dass ich einmal in Basel unter blauem Himmel in einem Strassencafé sass und mal schnell auf die Toilette musste. Als ich zurückkam, waren die Sitzplätze im Freien leergefegt, es war grau und kalt und es goss wie aus Kübeln. Im Sommer, wohlgemerkt. So schnell schlägt das Wetter in diesen Breitengraden um.

In Israel hingegen wundere ich mich immer wieder, dass man im Radio und Fernsehen in den Sommermonaten überhaupt Sendezeit für die Wetterprognose vergeudet. Diese lautet nämlich von ungefähr Mai bis etwa Oktober immer gleich: sonnig und heiss. Manchmal sehr heiss. Ausserordentlich heiss. Aber abgesehen von Temperaturschwankungen von höchstens zwei bis drei Grad gibt es nichts zu berichten. Das einzige, das sich jeden Tag minimal ändert, ist der schwangere Bauch der Moderatorin. Doch während sie immer dicker wird und dann nach einigen Monaten wieder schlank ist, verläuft die Temperaturkurve monatelang unverändert horizontal ohne nach oben oder unten auszuschlagen.

Natürlich freuen sich die Israelis über die ersten Niederschläge, die jedes Jahr mit ziemlicher Sicherheit zum Laubhüttenfest eintreffen: Endlich ist der lange stickigheisse Sommer vorbei, die Temperaturen werden angenehmer, man kann sich im Freien aufhalten, ohne gleich von der Hitze erschlagen zu werden, wenn man nur vor die Türe tritt. Für die Kinder ist der Regen ein aufregendes Abenteuer. Ich kann mich erinnern, als vor einigen Jahren (Jahrzehnten?) meine Drei unbedingt den ersten Wolkenguss draussen erleben wollten. Was für eine Enttäuschung, dass der Spuk schon wieder vorbei war, bis wir für alle drei die Stiefel und Schirme vom letzten Winter hervorgesucht hatten!

Keine Frage, Regen ist ein Segen, aber in Israel bedeutet das auch:
  • Die Israelis ziehen die dicken Jacken und die geschlossenen Schuhe aus den Schränken. Dabei lassen sich die Frierenden im Grossen und Ganzen in drei Gruppen unterteilen. Diejenigen, die sich nicht um die Mode kümmern, tragen auch mit 55 noch den olivgrünen dickgefütterten Anorak, den sie im Militärdienst mit 20 Jahren ergattert haben. Die zweite Gruppe fühlt sich mit der Daunenjacke, die sie für das Wochenende in Prag im November 1986 gekauft hat, immer noch sehr modebewusst, trotz Mottenmief. Die meist jüngeren Fashonistas hingegen tragen modische Jacken in allen Farben und Versionen, die aber meistens weder in der Dicke noch in Stil oder Stoff zum Wetter passen. 
  • Und dann die Schuhe...!
  • Die jüngeren Kinder werden frühmorgens warm verpackt in zwei bis drei gefütterten Kleiderschichten und Stiefeln in die Schule geschickt und kommen mittags in kurzärmeligen T-Shirts nach Hause, weil das Thermometer wieder über 25 Grad geklettert ist. Dass die restlichen Kleiderschichten in den langen Schulfluren auf unergründliche Art und Weise verschwinden und auf immer verschollen bleiben, muss wohl kaum erwähnt werden.
  • Trotz der warmen Kleidung werden die Kinder beim Erscheinen von mehr als drei grauen Wolken am Himmel von den Eltern in die Schule gefahren, auch wenn diese nur zwei Strassen weiter liegt. Die lieben Kleinen könnten ja nass werden.
  • Auf den Strassen herrscht das Chaos. Die Fahrt ins Büro dauert plötzlich 45 anstatt 15 Minuten, weil alle im Schneckentempo dahinschleichen. Die nassen Strassen könnten ja schleuderglatt sein. Ich mag gar nicht daran denken, wie sich israelische Fahrer auf Glatteis verhalten würden.
  • In mehreren Städten sorgen hüfttiefe Seen an den Hauptverkehrskreuzungen (an den immer gleichen Stellen!) für den totalen Verkehrszusammenbruch.
  • Einige Autofahrer fahren tagsüber mit angeschalteten Nebelscheinwerfern, schliesslich ist jetzt offiziell Winter!

P.S. Der erste Regen ist vorbei, die Strassen trocken, der Himmel blau, das Thermometer zeigte auch heute über Mittag 28 Grad. Die Wettermoderatorin ist schon wieder schwanger. Alles beim Alten.

Samstag, 30. September 2017

Yom Kippur

Am 10. Tag des hebräischen Monats Tischrei, der dieses Jahr auf diesen Samstag fällt, feiern die Juden Yom Kippur, den „Tag der Sühne“, der mit Fasten und Beten begangen wird. Bereits am Vorabend, am 9. Tischrei, kommt alles Leben in Israel zum Stillstand. Niemand arbeitet, der private sowie auch der öffentliche Verkehr liegen lahm. Die streng religiösen Juden benützen keine elektrischen Geräte und zünden kein Licht an. Sobald es dunkel wird (drei Sterne müssen am Himmel sichtbar sein) ergattert jeder rechtzeitig einen sicheren Parkplatz, der Verkehr hält ein und dann findet sich bis am nächsten Abend kein motorisiertes Fahrzeug mehr auf der Strasse. Die Übertragungen im Fernsehen und Radio werden eingestellt. Kinder erobern mit Rädern oder Rollschuhen die autoleeren Fahrwege. Dann trifft man sich in Scharen auf der Strasse und in oder vor der Synagoge. Da man nicht arbeiten soll/darf, nicht kochen, anrichten, wegräumen muss und man nirgendwo hinfahren kann, hat plötzlich jedermann unendlich viel Zeit zum Herumstehen und Plaudern. Die Jugendlichen aller Jahrgänge treffen sich spätabends im Dorfzentrum und verbringen dort die Nacht mit Gesprächen und Gesellschaftsspielen.

Mir ist Yom Kippur der liebste Feiertag von allen. Der jüdische Versöhnungstag hat einen ganz besonders faszinierenden Zauber. Obwohl ich selber säkular bin, färbt die spirituelle Stimmung an diesem Tag, an welchem die Juden ihre Sünden bereuen und um Vergebung bitten, sogar auf mich ab.

Unser Haus ist nicht religiös und unsere Kinder und ihre Freunde wiederspiegeln die religiöse Vielfalt der israelischen Gesellschaft: Lianne, die Sechzehnjährige, ist noch nicht gefestigt und probiert Verschiedenes aus. Während sie sich sonst sehr säkular gibt und über die religiöse Gehirnwäsche an ihrer Schule wettert, unterliegt sie am Versöhnungstag dem gesellschaftlichen Zwang ihrer Freundinnen und fastet. Dabei sind für sie aber nicht etwa 24 Stunden ohne Essen und Trinken die grosse Herausforderung, sondern – unglaublich und sensationell – sie rührt aus freier Wahl ihr Handy 24 Stunden nicht an.

Kaum ist der Feiertag angebrochen, versammeln sich die Kinder, die sich sonst tagelang mit Fernsehen und Handies in ihren Zimmern verschanzen, in der Stube. Lianne und der Gatte spielen Backgammon, ich lese und höre Musik (heute verboten, deshalb „leise“, bittet Lianne, „die Nachbarn hören mit“) und geniesse die TV-lose Zeit mit der Familie. Itay hingegen hält nicht viel vom Fasten, schliesslich ist er Soldat und möchte an seinem Urlaubswochenende Kräfte tanken, denn er muss am Sonntag wieder für 14 Tage einrücken. Er trinkt schon das zweite Bier und isst einen Hamburger mit Fleisch und Käse (erst recht verboten). Dann trudelt Sivan mit zwei Freundinnen ein, von denen die eine die religiösen Gesetze einhält, weswegen ich die Musik ausschalte, während die andere Hunger hat und ebenfalls einen Hamburger bekommt. Aus Rücksicht auf die Freundin isst sie diesen aber in der hintersten Küchenecke. Sivan selbst nimmt die religiöse Diversität ihrer Freundinnen locker und hat sich auch mehr als eine Stunde nach Einbruch des Fastentags noch nicht entschlossen, ob sie heute fasten will. Sie lässt es wohl darauf ankommen, was ihr an Essbarem bis am nächsten Abend angeboten wird.

Als Lianne am Abend aufbricht, um ihre Freunde im Dorfzentrum zu treffen macht sie eine ganz neue Erfahrung: Wie, wann und wo trifft man Freunde, wenn man kein Handy zur Verfügung hat? „Geh einfach und mach dir keine Sorgen“, sage ich zu ihr, „du wirst schon sehen, an Yom Kippur geschehen Wunder“.

Sonnenuntergänge haben immer etwas spritiuell Inspirierendes...

Freitag, 22. September 2017

Strandlilien

Schon öfter habe ich über die Laufrunden mit meiner Laufgruppe im Naturreservat der Hasharon-Küste geschrieben (zum Beispiel hier und hier). Heute möchte ich einmal die Bilder sprechen lassen. Die Strandlilien blühen!




Bei Sonnenaufgang

Und etwas später

Zum Verschnaufen, Sinnieren und Staunen gibt es auch einige spektakuläre Sitzgelegenheiten. Bitte nehmen Sie Platz!






Sonntag, 17. September 2017

Soldatenwäsche

Wochenende. Ausruhen. Pause machen. Getriebe herunterfahren. Entschleunigen. Ein bisschen aufräumen, ein bisschen kochen. Zu Hause sein. Auf dem Sofa liegen. Lesen. Musik hören. Zeit für Gespräche. Aufatmen. Energie tanken. Die Mädchen sind irgendwo. Itay der Soldat hat keinen Urlaub.

Es ist Freitagnachmittag, Eyal und ich hängen auf den Sofas herum. Ruhe im Haus. Eyal versucht beim Zeitung lesen die Augen offen zu halten, ich lese ein Buch.

„Vielleicht gehen wir ein bisschen ans Meer?“ schlägt Eyal vor.

„Ja, gute Idee“, sage ich „Oder mit den Mädchen ins Kino“.

„Wir könnten Freunde zum Nachtessen einladen. Einige haben wir schon lange nicht mehr getroffen.“ sinniert Eyal.

Ja, wir sollten irgendetwas tun, ständig sitzen wir nur hier herum. Sogar die Yoga-Stunde heute morgen habe ich geschwänzt.

„Komm, fahren wir nach Tel-Aviv, zum alten Hafen“, spintisiert Eyal weiter und wird in seiner Fantasie immer übermütiger, aber nur solange er sich nicht vom Sofa erheben muss.

Lauter gute Ideen. Aber man müsste aufstehen. Etwas Anständiges anziehen. Draussen brütet die Sonne bei 30 Grad. Hier drin, mit Klimaanlage, ist es hingegen sehr angenehm. Ich lese weiter. Nur noch 50 Seiten von den 600, dann habe ich das Buch geschafft. Eyal fallen die Augen zu, er schlummert ein, sein Ideenarsenal hat sich wohl erschöpft.

Das Telefon klingelt. Endlich meldet sich Itay, zu dem wir wie immer die ganze Woche keinen Kontakt gehabt haben. Er hat nur eine Stunde frei, bis 18 Uhr.

Eyal und ich springen wie von Wespen gestochen von den Sofas. Kaum sind fünf Minuten vergangen und schon sitzen wir angezogen, frisch und munter im Wagen, unterwegs zu der Basis. Soldatenwäsche abholen, die wir morgen wieder sauber zurückbringen werden! Auch eine Tätigkeit.

Mittwoch, 30. August 2017

Herbst

Die Sommermonate in Israel sind klimamässig die Hölle. Gerade die letzte Augustwoche war noch so unerträglich heiss und feucht, dass ich am Wochenende keinen Fuss vor die Tür setzte, denn nur schon der Gedanke an die Hitze draussen brachte meine Ohren zum Kochen. Überhaupt drehte ich den ganzen Sommer durch nur jeweils in den frühen Morgenstunden eine schnelle Runde im Garten, um die heruntergefallenen Mangos einzusammeln. Das war dann wieder genug „frische“ Luft, um mich danach den ganzen Tag ausschliesslich in klimatisierten Räumen aufzuhalten. Nun wird es aber endlich etwas erträglicher: Über Mittag ist die Hitze zwar immer noch erdrückend, aber nachts ist es auszuhalten und wir schlafen schon einige Nächte mit weit geöffneten Fenstern anstatt mit surrender Klimaanlage  und schon sprechen die Israelis von „kühl“.
Als ich heute morgen um kurz nach fünf das Haus verlasse, zeigt das Thermometer angenehme 23 Grad. Prompt treffen wir im Naturreservat beim Lauftraining die erste weisse Meerzwiebel (siehe Foto) deren volle Blüte gemäss israelischem Volksmund den Herbst ankündigt. Beim Laufen schwitzen wir dann natürlich trotzdem, aber es ist doch ganz erträglich. Die heissen Sommermonate, in denen sich das Klima in der gesamten Küstenregion mit den Bedingungen in einem heissen türkischen Dampfbad vergleichen lässt, gehen zur Neige. Nun kommt also sicher der Herbst und ich freue mich, dass wir wieder einige Stunden werden draussen verbringen können, ohne von der Hitze erschlagen zu werden.

Samstag, 19. August 2017

Geburtstag



Seit Itay eingerückt ist, sind schon neun Monate vergangen. Nach sechs Monaten Grundausbildung steckt er nun mitten in einem Kurs, der insgesamt 14 Monate dauert. Im Grossen und Ganzen gefällt es ihm ganz gut, zweifellos gibt es bessere und schlechtere Tage, aber die Ausbildung ist interessant und es ist auszuhalten. Natürlich kann die Schikaniererei, die im Militär wohl einfach dazu gehört, manchmal reichlich auf die Nerven gehen, aber Itay trägt es meistens mit Fassung und macht das Beste aus seiner Pflicht. Schlussendlich hat er ja auch keine andere Wahl.

Wie wunderbar, dass sein zwanzigster Geburtstag auf ein Wochenende fällt, an welchem er Urlaub hat. Als er uns am Abend vor dem grossen Ereignis anruft, bin ich gerade am Geburtstagskuchen backen und Lianne, seine Schwester, bläst Ballone auf und verziert damit unsere Stube. Wir freuen uns auf das Wochenende, schliesslich feiert man ja nicht jeden Tag einen so bedeutenden Geburtstag. Leider hat aber Itay keine erfreuliche Nachricht: Ausgerechnet jetzt, zum ersten Mal, seit er seinen Dienst angetreten hat, wird er wegen einer Dummheit bestraft. Der Kommandant hat Itay mit einer Patrone zuwenig im Halter erwischt. Die Patrone war zwar nicht etwa verloren, sie war nur aus dem Halter gefallen und in den Schaft gerutscht. Aber keine Frage, so ein grobes Vergehen muss natürlich gebührend bestraft werden, Geburtstag hin oder her! Der Wochenendurlaub wird erbarmungslos gestrichen.

Wir alle fallen ob dieser Nachricht aus allen Wolken - wie traurig, einen zwanzigsten Geburtstag alleine in einer Militärbasis zu verbringen! Wie schade um den schönen Kuchen, die Geschenke, die Freunde und Familienmitglieder, die feiern wollen. Itay ist wütend und wir versuchen ihn zu ermuntern, aber die Geburtstagsvorbereitungen werden bis auf Weiteres eingestellt. Mit Itays Erlaubnis schickt Eyal noch eine verzweifelte Nachricht an den Kommandanten: Er gaukelt ihm etwas von einer geplanten Überraschungsparty vor, schmiert ihm etwas Honig ums Maul und bittet um Nachsicht mit dem Soldaten. Viel Hoffnung haben wir nicht, das israelische Militär ist schliesslich kein Kindergarten.

Am Geburtstagsmorgen gratuliere ich uns Beiden in Gedanken und erinnere mich an jenen Tag vor 20 Jahren, als Itay durch einen Kaiserschnitt geboren wurde. Kaum aus meinem Leib gezogen, legte man mir das warme Köpfchen des neugeborenen Wunders an meine Wange. Die Berührung dieser zarten weissen Haut ist auf ewig in meine Wange eingebrannt, ich kann sie heute noch spüren. Während ich mir diese süsseste aller Berührungen in Erinnerung rufe, denke ich an den Soldaten, der heute bestimmt frustriert in der Basis herumtigert.

Gegen Mittag findet der Kommandant eine Lösung, auf die elterliche Bitte einzugehen und etwas Nachsicht walten zu lassen, ohne gleich vor der ganzen Kompanie das Gesicht zu verlieren: Itay darf die Basis am Abend von sechs Uhr bis Mitternacht verlassen! Wir freuen uns alle über die geschenkten Stunden und holen Itay genau um sechs Uhr ab. Die Basis liegt zum Glück nur zehn Autominuten von unserem Wohnort entfernt.

Jetzt zählt jede Minute, schliesslich heisst es, ein ganzes Geburtstagswochenende in weniger als sechs Stunden hineinzupacken. Kaum eingetroffen, duscht Itay kurz, die Wäsche wird eiligst in die Maschine gesteckt, dann fahren wir zu den Grosseltern, wo schon die ganze Familie für die Party versammelt ist. Wir essen, aber kaum haben wir den letzten Bissen hinuntergeschluckt, räumt Itay schon schleunigst den Tisch ab – er hat keine Zeit, schliesslich muss er auch noch mit seinen Kollegen feiern. Geschwind noch ein paar Geburtstagswünsche, auch den Kuchen verschlingen wir im Schnellverfahren, dann geht es eiligst wieder nach Hause. Unterwegs nickt Itay noch für einige Minuten ein, denn immerhin ist er Soldat und auch ein bisschen Erholung muss sein. Zu Hause packt er zügig seine Siebensachen, während ich die Wäsche ausnahmsweise in den Trockner stecke. Dann hupt es draussen schon, die Kollegen holen Itay ab und düsen davon, denn die Uhr tickt und dem Geburtstagskind bleiben nur noch knappe zwei Stunden für den Ausgang. Um halb zwölf und einige Stangen Bier später ist Itay wieder da, stürzt sich flink in die Uniform, schultert das Gewehr und um fünf Minuten vor Mitternacht laden wir ihn am Tor seiner Militärbasis ab. Das war ein Geburtstagswochenende im Schnelldurchgang! Itay tritt durch das Tor und wird nun noch den ganzen Samstag Zeit haben, seine Strafe abzusitzen und sein fehlerhaftes Benehmen zu bereuen.

Im Bett denke ich noch einmal an die watteweiche Wange, die vor zwanzig Jahren zum ersten Mal die meine berührte, dann schlafe ich ein.

Mittwoch, 28. Juni 2017

Abenteuer Radfahren

Für diesen Sommer steht bei mir ausser Tauchferien in Eilat (schon nächste Woche!) auch eine mehrtägige Fahrradtour in der Schweiz auf dem Programm. Natürlich freue ich mich darauf, habe aber auch etwas Angst, dass ich dem langen auf-dem-Sattel-sitzen und in-die-Pedale-treten nicht mehr gewachsen sein könnte. Schliesslich habe ich kein Fahrrad mehr, seit meines vor einigen Jahren gestohlen wurde. Um mich für die bevorstehende Tour etwas in Form zu bringen, habe ich nun von einer guten Arbeitskollegin ein Fahrrad geliehen bekommen. Dabei scheint es sich um ein echtes Luxusobjekt zu handeln– es ist gross, mit extrabreiten Reifen und trotzdem überraschend leicht und schnell. Die erste Fahrt, mehr als 20 Kilometer von der Kollegin zu mir nach Hause, verlief ganz gut, wenn man davon absieht, dass ich die letzten paar Kilometer stehend fahren musste, weil ich nicht mehr sitzen konnte.

Trotzdem, oder gerade deswegen, übe ich aber fleissig weiter. Da meine freie Zeit mit sportlichen Betätigungen schon ziemlich ausgelastet ist (dreimal wöchentlich Lauftraining und einmal Yoga), lasse ich nun einfach meinen Wagen zu Hause stehen und fahre mit dem geliehenen zweirädrigen Rolls-Royce zur Arbeit. Mein Arbeitsweg beträgt auf der Strasse etwa 10 und querfeldein etwa 7 Kilometer. Nun wäre diese Kurzdistanz für die meisten westeuropäischen Radfahrer wohl kaum der Rede wert –in Israel kann es sich dabei aber um ein recht abenteuerliches Unterfangen handeln. Obwohl Radfahren sehr beliebt ist, gibt es kaum ordentliche Radwege. Viele Radfahrer weichen deshalb auf die Strasse aus und nicht selten trifft man auf Autobahnen Radfahrer, die die Pannenstreifen als Velowege nutzen. Dafür ist mir mein Leben aber noch zu wertvoll, vor allem, da die israelischen Autofahrer alles andere als rücksichtsvoll sind. So machen sie sich zum Beispiel beim Überholen gerne mit der Hupe bemerkbar, für den Fall, dass der schwerhörige Radfahrer sie sonst nicht bemerken könnte. Dass eine während dem gesamten Überholmanöver durchgedrückte Hupe einen Radfahrer aus dem Sattel hauen kann, wissen wahrscheinlich nur diejenigen, die sich selbst zur zweiten Gattung zählen.
Querfeldein gibt es einige Wege, die mit landwirtschaftlichen oder Gelände-Fahrzeugen zwar befahrbar und streckenweise ganz akzeptabel sind, aber immer wieder von undurchquerbaren Pfützen (im Winter) und von tiefsandigen Strecken (im langen Sommer) unterbrochen sind. Haben sie schon einmal versucht, auf einer Sanddüne radzufahren?
Nach einigen Probefahrten, auf welchen ich mehrere Male in tiefem Sand einsank, absteigen und - das Fahrrad stossend – umkehren musste, habe ich nun aber den idealen Weg gefunden. 7 Kilometer fast ausnahmslos angenehm befahrbare Feldwege. Jetzt können mich auch die stacheligen Büsche, giftige Skorpione, Schlangen, die sich paarungsfreudig im Sand tummeln, die brütende Hitze und 99% Luftfeuchtigkeit nicht vom Abenteuer Radfahren abhalten. Zum Glück erwarten mich an meinem Arbeitsort eine gute Dusche und klimatisierte Büros.

Nun sehe ich der langen Steigung auf den Brünigpass gelassen entgegen, sie wird für meine Sanddünen-erprobten Beine ein Kinderspiel sein.

Sonnenaufgang unterwegs

Freitag, 21. April 2017

Heimat

Meinen inneren Schweinehund kenne ich nun schon mehr als 50 Jahre und daher weiss ich ganz genau, wie ich ihn überlisten kann. Deshalb klingelt an diesem Feiertagmorgen der erste Wecker (derjenige, der auf dem Nachttisch steht) um 5:00 Uhr, damit ich mich nicht mehr im Tiefschlaf befinde, wenn ich aus dem Bett springen muss und um 5:10 schellt das Smartphone laut aus der Stube, wo ich es am Vorabend absichtlich hingelegt habe.
„Was soll denn das?!“ meckert sogleich der Schweinehund noch schläfrig, aber bevor er richtig schnallt, was los ist, habe ich den Alarm schon ruhiggestellt und sitze auf dem Sofa in der Stube. Er hingegen dreht sich in meinem Bett auf die andere Seite und schläft weiter. Es hat geklappt!

Ich „blättere“ zehn Minuten im Internet die letzten Neuigkeiten durch. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass die Erdkugel weiterhin ihre Runden dreht, während sich die Menschheit die Köpfe einschlägt, ziehe ich meine Laufklamotten an, trinke ein Glas Wasser und fahre los.
So erstaunlich entschlusskräftig am frühen Morgen bin ich, weil mich eine Laufrunde am Alexanderbach erwartet. Ich weiss, dass mich der Aufenthalt in dieser Gegend euphorisch stimmen wird, vor allem wenn gerade die Sonne aufgeht und dabei die ganze Landschaft verzaubert, einschliesslich mich.


Nun knirscht der Kies unter meinen Füssen und zu meiner linken plätschert das Flüsschen vor sich hin. Die Landschaft ist flach, bis sich am nicht allzu fernen Horizont die Hügelkette von Samaria abzeichnet und sorgfältig bestellte Felder erstrecken sich, so weit das Auge reicht. Die Vögel zwitschern und der Frühling beschert uns noch einige angenehme Tage vor der grossen Hitze des Sommers. Die wilden Gräser an den Gestaden des Baches stehen hüfthoch in noch kräftigem Grün, aber sie scheinen zu ahnen, dass ihre Tage gezählt sind – bald wird hier alles braun und vertrocknet sein. Ein erschreckter Schakal kreuzt meinen Weg und verschwindet eilig in den Büschen. Ich liebe diese frühen Morgenstunden, die Natur, die Ruhe, das Alleinsein.

Beim Laufen driften meine Gedanken ab. Spektakulär ist dieser Landstrich nicht. Keine atemberaubende Sicht auf die Alpen, kein überwältigender Blick von einem hohen Gipfel auf ein Nebelmeer. Nur ein paar weitreichende Felder, ein Flüsschen mit dornigem Gestade. Ich bin weder hier geboren noch hier aufgewachsen, aber ich fühle mich eins mit dieser Umgebung – angekommen, aufgenommen. Kann ich dieses Gebiet meine Heimat nennen? Was ist Heimat? Ein Ort, an dem man Wurzeln hat – oder auch ein Ort, an dem man Wurzeln schlägt? Ich denke an die Landschaften, Gerüche, Klänge und Stimmungen meiner Kindheit. Das sind nur noch vage Erinnerungen. Vielleicht ist Heimat gar nicht dort, wo wir herkommen, sondern da, wo wir ankommen?


Einige Tage später führt mich meine Laufrunde in unser Nachbardorf. Ganz am Ende des Dorfes, dort wo die letzten Häuser stehen, trennt eine kleine Strasse die bewohnten Quartiere von den Feldern. Nach links führt ein kurvenreicher Weg in leichter Steigung durch eine prächtige Olivenbaumallee zum kleinen Friedhof des Ortes. Der Friedhof liegt ruhig und abgeschieden unter Pinien- und Maulbeerbäumen auf einer Anhöhe und überschaut stoppelige Wiesen, wilde Eukalyptus-Gehölze und im Frühling weitreichende Erdbeerfelder. Ich schätze diesen ruhigen Ort und um meinen Puls in die Höhe zu treiben, wie ich es in der Laufgruppe gelernt habe, laufe ich mehrere Male die Olivenallee hinauf und wieder hinunter. Dabei fällt mir auf, dass der betörende Duft der Erdbeerfelder immer ausgeprägter wird, je mehr ich mich der Friedhof-Anhöhe nähere - es riecht wie bei mir zu Hause, wenn ich Erdbeermarmelade koche und der süsse Duft in alle Zimmer steigt.

Ich mag diesen schattigen Friedhof. Hier fühle ich mich wohl und ich weiss, hier möchte ich eines fernen Tages einmal ruhen – nicht in kalter Schweizer Erde, sondern hier, unter Pinienbäumen und mit dem Geruch der Erdbeerfelder in der tauben Nase.

Ein Lied, ein Buch

Der neue Song „Mabit mehazad“ von Omer Adam ist ein echter Ohrwurm, so einer, den man im Auto am besten auf volle Lautstärke aufdreht und der für einige Minuten gute Laune garantiert. Ich kann gar nicht genug davon bekommen.



Auch sehr israelisch ist das Buch „die sieben guten Jahre“ von Etgar Keret, dabei gibt es die Kurzgeschichten-Sammlung gar nicht auf hebräisch. Zu intim, zu verletzlich gibt sich der Autor in diesen Geschichten preis und  da er wohl für seine nächsten Nachbarn weiterhin der unnahbare Fiction-Erzähler bleiben möchte, gibt es sein erstes „Non-Fiction“ Buch nur auf englisch und deutsch. Mit israelischem Galgenhumor erzählt er Vorfälle aus dem Alltag.

„In diesem Buch teilen Sie ein Eisenbahnabteil mit mir. Wenn Sie zur letzten Seite kommen, steige ich aus, und wir sehen uns vielleicht nie wieder. Aber ich hoffe, dass etwas von der siebenjährigen Reise, die mit der Geburt meines Sohnes beginnt und mit dem Tod meines Vaters endet, auch sie berührt.“
Das schreibt Etgar Keret im Nachwort seines Buches und bringt es damit auf den Punkt. Seine Anekdoten berühren, er erzählt schwerelos und doch sehr tiefgründig. Mir persönlich hat vor allem die Geschichte „Ein Schnurrbart für meinen Sohn“ gefallen, in welchem der Vater sich auf Wunsch seines Sohnes für dessen sechsten Geburtstag einen Schnurrbart wachsen lässt. Aber natürlich führt auch etwas Profanes wie ein Schnurrbart in der vertrackten israelischen Realität zu einer Episode, die ein skurriles Dilemma unter Soldaten zum Thema hat, das über Leben und Tod entscheiden wird.

Freitag, 3. März 2017

Israelische Liebe

Das Telefon klingelt. Ich bin überrascht, eine unbekannte junge Frau am Telefon zu haben, die auch noch Schweizerdeutsch spricht. Sie ist eben erst aus der Schweiz hier in Israel eingetroffen und versucht, sich in dem noch fremden Land und mit ihrem israelischen Partner zurechtzufinden. Da ich, ohne falsche Bescheidenheit, aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Expertin für das Thema „Leben im Ausland“ gelte, möchte sie meinen Rat zu ihrer binationalen Beziehung und zu ihren Aussichten für die Zukunft einholen. Natürlich gebe ich gerne Auskunft.

In einer neuen Heimat Fuss zu fassen, hat viele positive Aspekte. Ein fremdes Volk, eine neue Sprache, eine andere Kultur und eine ungewohnte Religion von Grund auf kennenzulernen, ist eine immense Bereicherung. Das Weltbild, mit dem ich aufgewachsen und vertraut war, wurde komplett über den Haufen geworfen. Ich musste mich an neue Maßstäbe gewöhnen und siehe da, ich entdeckte, dass, was für die Einen das Nonplusultra ist, für die Andern eine nebensächliche Unwichtigkeit oder sogar völlig unverständlich sein kann. So ist mein heutiger Blickpunkt auf die Dinge ein ganz anderer als als er in der alten Heimat war und ich bin mir auch im Klaren, dass ich, hätte mich das Leben nur 100 km weiter nach Osten verschlagen, noch einmal ganz andere Wertvorstellungen kennengelernt hätte.

Seit bald dreissig Jahren lerne ich nun die hiesigen Gepflogenheiten, frage nach, versuche, den Dingen auf den Grund zu gehen, sortiere aus und übernehme, was für mich stimmt. Ich bin noch weit davon entfernt, alles durchschaut zu haben, aber die wichtigste Lektion habe ich verstanden: nichts ist unumstösslich. Auch Ansichten und Werte, die wir tief verwurzelt glauben und von denen wir uns absolut überzeugt haben, entstehen grösstenteils aus örtlich bedingtem Konformismus. Sie sind vom sozialen Umfeld, von lokalen Gepflogenheiten und der allgemein herrschenden Meinung abhängig und haben an einem anderen Ort oft keine Gültigkeit mehr. Die Israelis ticken anders als die Schweizer und dass das jüdische Volk über eine jahrtausende alte interessante Geschichte verfügt, macht es besonders faszinierend. Ich habe dieses einzigartige Volk schätzen und lieben gelernt und mich so gut wie möglich integriert. Viele der hier typischen Verhaltensweisen kann ich heute gut verstehen, sehe sie aber immer noch als Aussenstehende.

Dann erkläre ich der jungen Frau auch, dass es mir mit den Jahren immer schwerer fällt, fern von meiner Familie zu leben. So sehr ich mich selbst zu überzeugen versuche, dass auch viele meiner Bekannten nicht unbedingt zahlreiche Geschwister oder gesunde Eltern haben, oder wenn doch, dies oft mit schlimmen Streitereien verbunden ist – die fehlenden familiären Beziehungen schmerzen immer mehr.

Für einen jungen Menschen mögen vier Stunden Flugentfernung von der Familie kaum besorgniserregend scheinen. Vergleichbar mit einem Glas Wasser, das man in der Hand hält. Es fällt kaum ins Gewicht. Aber alles ist eine Frage der Zeit. Auch ein Glas Wasser - wenn man es über Tage, Wochen oder Jahre in der Hand hält – würde uns irgendwann an den Punkt bringen, an welchem die Kräfte einfach nicht mehr ausreichen. Der Arm beginnt zu zittern, die Muskeln lassen einen im Stich und eines Tages muss man sich eingestehen - es geht nicht mehr. Bedenke das, sage ich zu ihr, Familie kann man nicht ersetzen und ein bis zwei Treffen im Jahr sind einfach nicht genug.

So philosophiere ich am Telefon vor mich hin, bis mich die junge Frau unterbricht - Ja, was rätst du mir nun, soll ich mich auf diese Beziehung einlassen, oder mit dem nächsten Flug wieder nach Hause reisen? Hakt sie nach.

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Natürlich ist das eben aufgeführte Gespräch fiktiv. Niemand schert sich einen Deut um meine Meinung in Beziehungsfragen, schon gar nicht verliebte junge Leute. Aber eine Meldung auf Facebook hat mich zum Nachdenken gebracht. Eine junge Frau aus der Schweiz hatte Fragen zu Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen in Israel und schon brannten meine Gedanken mit mir durch. Einst war ich auch in dieser Situation. Und heute?

Ein Leben im Ausland mag interessant und bereichernd und gleichzeitig nicht etwa einfach sein. Aber - den Gedanken, dass ich die vergangenen fünfzig Jahre in einem gemütlichen Schweizer Dorf oder einer hübschen eidgenössischen Stadt hätte verbringen können, ohne über die Alpen hinaus zu blicken, sprich, ohne die vorgenannten Erfahrungen zu machen, finde ich unvorstellbar und traurig. Mein Leben wäre um unzählige wertvolle Erkenntnisse ärmer. Bestimmt wäre ich aus irgendwelchen Gründen verbittert und müsste nicht nur wegen chronischem Fernweh in psychologische Behandlung.

Ziemlich sicher würde ich über die israelischen Zionisten wettern, denn auch ich würde die Berichte in den Medien nicht hinterfragen. Meine Kinder hätten Pali-Tücher an und wären Militärdienstverweigerer. Vielleicht würde ich Weihnachten und Ostern feiern. Und ich hätte einen blonden Mann mit blauen Augen und mit Schnauz (Schnauz tragen die Schweizer Männer, damit man sie von den Frauen unterscheiden kann). Wahrscheinlich könnte ich mit alledem auch ganz gut leben, aber zum Glück habe ich gelernt, nichts mit tierischem Ernst zu nehmen und Konformität zu hinterfragen.

Bei allem dafür und dawider - wäre mein Rat an die junge Frau überhaupt relevant? Könnte sie Amor den Rücken kehren, sich ganz vernünftig entscheiden, dass sie doch lieber Rösti als Humus isst, ihre Siebensachen packen und mit einem der nächsten Flüge wieder nach Hause fliegen, ohne ihrem heissblütigen Israeli ein Leben lang nachzutrauern?

Nun, es gibt keine Quintessenz in diesem Beitrag. Nur eine Menge Gedanken.

Hier singt die israelische Sängerin Alma Zohar über ihre indianische Liebe:

Mittwoch, 18. Januar 2017

Das Feigenrudel

Hebräisch ist nicht meine Muttersprache und obwohl mir Bekannte und Familienmitglieder immer wieder Komplimente machen, wie gut ich Hebräisch spreche, werde ich mich in dieser Sprache nie so zu Hause fühlen wie im Deutschen. Das wird mir in verschiedenen Situationen bewusst, zum Beispiel, wenn ich lautstarke Diskussionen mit meinen Kindern führe, die leider kein deutsch sprechen. Meine lieben Kleinen sind unterdessen alle zwischen fünf bis zwanzig Zentimeter grösser als ich und wenn sie mir von oben herab die Leviten verlesen (ja, ich weiss, da läuft etwas verkehrt), bleiben mir auf Hebräisch einfach die Worte weg. Ausgerechnet jetzt, da ich schlagfertige, zielsicher formulierte Argumente bräuchte, die meine Meinung auf den Punkt bringen und den Gegner widerstandslos in die Schranken weisen, lässt mich im Eifer des Gefechts mein Sprachkenntnis im Stich und ich ringe um Worte. Da hilft dann manchmal nur noch ein kräftiger Faustschlag auf den Tisch, der das Geschirr zum scheppern bringt, oder ein deftiger Fluch auf Schweizerdeutsch.

Oft verpasse ich die Pointe, wenn Leute auf hebräisch sehr schnell oder undeutlich sprechen. Mein Sohn zum Beispiel spricht einen meines Erachtens unverständlichen Heranwachsenden-Slang und verschluckt dabei auch noch den Grossteil des Satzes. Bei Jugendlichen ist das vielleicht nicht so wichtig, weil sie eh nur auf ihre Smartphones fixiert sind und Konversation nebensächlich ist. Ich aber frage immer wieder nach, weil ich einfach kein einziges Wort von dem Gebrabbel verstanden habe. Kürzlich verlor Itay ob meiner Fragerei die Geduld und schnauzte mich an, dass ich alte Tante mir endlich Hörgeräte anschaffen sollte, obwohl ich ihm wiederholt erklärte, dass das Problem eben nicht die Lautstärke war. „Du musst einfach direkt vor mir stehen, mir in die Augen sehen, ganz langsam sprechen, deutlich artikulieren und dabei gut sichtbar die Lippen bewegen, dann verstehe ich dich perfekt,“ nahm ich uns beide dann auf die Schippe.

Manchmal kreiere ich unabsichtlich innovative Wortkombinationen, sehr zur Belustigung meiner Mitmenschen. Einige der Sprachpatzer sind unterdessen zu immer wieder gern erzählten Anekdoten in unserer Familiengeschichte geworden. Zum Beispiel legte ich mich einst auf einen Totenstuhl anstatt auf einen Liegestuhl, weil ich "Kisse Manoach" anstelle von "Kisse Noach" sagte. Ein andermal wollte ich mich über Sonnenbrand am Scheitel beklagen, dabei wählte ich "kipod" anstelle von "kodkod", was wörtlich übersetzt bedeutet, dass ich mir den Igel verbrannt habe. Heute erzählte ich zuhause begeistert, dass wir beim Laufen ein Rudel Schakale entdeckt haben. Ich bin sehr stolz darauf, überhaupt das hebräische Wort für Schakal, "Tan", zu kennen, ich bin sicher, dass viele waschechte Israelis dieses Tier nicht benennen können. Vor lauter Aufregung über das morgendliche Tierabenteuer entschlüpfte mir dann aber "Laakat Tenim" anstelle von " Laakat Tanim" und so machte ich aus dem Schakalrudel ein Feigenrudel.

Freitag, 16. Dezember 2016

Göttertrank

Kühle zwölf Grad erwarten mich während meiner Laufrunde an diesem Freitagmorgen. Der Himmel ist grau verhangen und es nieselt leise und ununterbrochen. Im Yaar Ilanot schützen mich die hohen Baumkronen vor dem Regen. Ich atme die frische Waldluft tief ein, meine Schritte knirschen auf dem feuchten Kiesweg, es riecht nach Nässe und Feuchtigkeit. Fast wähne ich mich in Europa.

Wäre da nicht diese Orange, die ich beim Laufen im Orangenhain vom Baum pflücke. Ich drücke und quetsche die noch harte Frucht und reisse mit blossen Händen ein Loch in die Schale. Dann presse ich mir den erfrischenden, säuerlichen Saft direkt in den Mund. Nektar und Ambrosia! Ahh Israel!


Mittwoch, 7. September 2016

Rohrbruch

Eigentlich hätte ich es mir ja denken müssen. Aus dem Duschkopf strömt schwach kaum die Hälfte des gewohnten Wasserstrahls und ich brauche eine Ewigkeit, um das Schampoo auszuspülen. Nichtsahnend verfluche ich die israelischen Wasserwerke. Danach fahre ich frisch geduscht und sauber zur Arbeit. Am späteren Nachmittag dann der Anruf: unser Nachbar, welcher zum Glück öfters rauchend im Garten sitzt, beklagt sich über Wasser, das von unserem höherliegenden Garten in den seinen strömt. Verflixt, das darf doch nicht wahr sein: schon der dritte Rohrbruch in den letzen zwei Jahren!
Wir sind gerade alle nicht zuhause und so wird der Nachbar gleich gebeten, bei uns den Hauptwasserschieber zu schliessen. Aber sobald ich eintreffe, sehe ich mir natürlich sofort die Bescherung an: unser Garten ist wieder einmal total verschlammt und an der Stelle, wo das Wasser mit grossem Druck aus dem Boden sprudelte, klafft ein grosses Loch. Wie erwartet, scheint das Rohr an der selben Stelle wie das letzte Mal leck zu sein.
Draussen ist es schon dunkel und so stellen wir uns erst mal auf einen Abend ohne Wasser ein: die Badezimmer stinken und in der Küche türmen sich die verkrusteten Töpfe, die gespült werden sollten. Meine Tochter muss ausgerechnet heute die Haare waschen und erledigt dies mit zwei Flaschen Mineralwasser. Dann putze ich mit einem Resten Wasser aus der Flasche die Zähne und gehe schlafen.
Am Morgen stehle ich mich früh im Pyjama aus dem Haus und fahre ins Büro. Zum Glück gibt es da eine Dusche. Während ich den starken Strahl des heissen Duschwassers geniesse, denke ich, dass ich eigentlich fast hier lebe: ich dusche hier, ich esse hier, ich verbringe den ganzen Tag hier… Wer braucht überhaupt ein Haus, wenn er in so einer Firma arbeitet? Es fehlt nur noch eine gemütliche Hängematte in einem der Sitzungszimmer.
Zum Glück kann Eyal heute zu Hause arbeiten. Er telefoniert mit der Versicherung und ist bereit, auf den Rettungstrupp zu warten, der den Schaden beheben soll. Ich hingegen kümmere mich erst mal um meine Mailbox und was der Arbeitstag so bringt.
Eyal hält mich per Whatsapp auf dem Laufenden: “komm ja nicht nach Hause!”, “Sie graben alles um!” und so weiter. Das tönt ja vielversprechend! Die telefonische Nachfrage ergibt, dass das Leck trotz Aufbrechen des Bodens an verschiedensten Stellen noch nicht geortet werden konnte. Da der einzige Zugang zum Garten durch unser Wohnzimmer führt, konzentriere ich micht heute ganz besonders intensiv auf meine Arbeit und versuche, an nichts anderes zu denken.
Am Nachmittag teilt mir Eyal mit, dass ein Fachmann mit Rohrkamera zum Aufspüren von Rohrbrüchen eingetroffen ist. Er ist der Mann der Stunde und die defekte Stelle ist nun schnell gefunden.
Etwas später bekomme ich Bescheid, dass der Schaden behoben ist und so fahre ich nach Hause, natürlich aber erst, nachdem ich noch einmal auf Kosten der Firma die Zähne putze, meine Hände gründlich wasche und einfach so das Wasser aus dem Hahnen fliessen lasse. Wer weiss, was mich zu Hause erwartet.
Nachdem ich einen Parkplatz gefunden habe (auf meinem steht ein grosser Lieferwagen) klettere ich über mehrere Erd- und Geröllhaufen in unser Haus. In meiner Küche sitzen zwei schwitzende Männer mit schmutzigen Händen und noch viel schmutzigeren Schuhen und trinken Kaffee. Unsere Stube sieht aus wie ein frisch gepflügter Acker. Zwei weitere schwitzende und schmutzige Männer sind damit beschäftigt, das Loch im Garten zuzuschaufeln und die Geräte wegzuräumen. Auch Eyal, mit nacktem Oberkörper, riecht und sieht aus wie ein Klempner.
Die fünf Rohrbruch-Profis bestätigen, dass sie gleich das ganze Rohr ausgewechselt haben und somit das Problem jetzt garantiert endgültig gelöst ist. Wir können also optimistisch in die trockene Zukunft blicken.
Der Garten ist verwüstet, das Haus verschlammt, aber das Rohr ist geflickt, halleluja! Jetzt geht es ans Putzen!