Sonntag, 6. August 2017

Misslungenes Training


Irmi, der Trainer unserer Laufgruppe, erholt sich zur Zeit mit seiner Familie im Urlaub in Slowenien. Ha! Wer’s glaubt! Ich bin sicher, seine Kinder empfänden ein Trainingslager des FC Barcelona kurz vor dem UEFA Cup als entspannend im Vergleich zu zwei Wochen Ferien mit ihrem Vater. Bestimmt schleppt Irmi sie in Slowenien rund um die Uhr von Intervall- zu Pyramidentraining und von Gymnastik- zu Muskelaufbau-Übungen und ich vermute, dass am Ende des Urlaubs nur diejenigen ein Flugticket nach Hause erhalten, die den Halbmarathon unter 90 Minuten schaffen.

Wer sich jetzt immer noch nicht vorstellen kann, wie verrückt Irmi ist, dem sei verraten, dass er es ganz normal findet, tote Riesenquallen am Strand als instabile Unterlagen für Gleichgewichtsübungen zu missbrauchen...

Wie dem auch sei, ich hoffe er geniesst es – und seine Familienmitglieder wenigstens ein bisschen.

In unserem heutigen Lauftraining bekommen wir Roy als stellvertretenden Trainer und erst jetzt wird mir bewusst, wieviel uns Irmi wert ist. Wie immer findet unser Training im Naturreservat an der Küste südlich von Netanya statt. Dieses Küstengebiet liegt auf einer Klippe hoch über dem Strand und Läufer, die den sandigen Untergrund nicht fürchten, finden darin unzählige Laufwege zwischen hügeligen Dünen und wildem Gestrüpp, immer mit Aussicht auf das darunter liegende Meer und (zu unserer Tageszeit) die aufgehende Sonne im Osten.

Nun ist aber unsere Gruppe ganz und gar nicht homogen und wir bringen alle sehr verschiedene Stufen von Ausdauer und Schnelligkeit mit. Moran zum Beispiel trainiert fast jeden Tag, denn sie bereitet sich auf den Tiberias-Marathon vor. In unserem Gruppentraining schiesst sie jeweils davon wie eine Rakete und wenn sie einmal loslegt, ist sie kaum aufzuhalten. Nach Moran kommt ein mittelmässiges Trüppchen: Läufer, die ganz gut im Schuss sind, die aber auch ab und zu gerne auf die Nachhut warten. Dann taumeln mit grossem Abstand jeweils noch einige Nachzügler hinterher, die immer ausser Atem sind und die jede denkbare Gelegenheit ergreifen, wieder umzukehren. So richtig in Fahrt kommen diese „Sportler“ erst auf dem Rückweg, denn wenn sie einmal den Stall gerochen haben, kann sie nichts mehr halten.

Irmi kennt nicht nur seine Läufer seit Jahren, sondern auch die Region wie seine Hosentasche und er schafft es, wie ein aufmerksamer Hütehund zwischen der Vorhut und den Nachzüglern flink hin- und her zu spurten und seine Herde zusammenzuhalten.

Roy hingegen ist heute morgen trotz Anweisungen von Irmi ziemlich verwirrt. So kommt es, dass Moran schon nach zehn Minuten davongerast und zwischen den Dünen auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist. Ich schliesse mich den mittelmässigen Läufern an und wir versuchen, zusammenzuhalten, denn Roy ist bald auch ausser Sicht. Als wir auf einer kleinen Anhöhe das ganze Küstengebiet überblicken, erspähen wir ihn weit in der Ferne, wo er einem kleinen neonfarbigen Punkt am Horizont hinterherhechelt – Moran!

Als der ganze unordentliche Haufen sich nach etwa einer Stunde wieder am Ausgangspunkt einfindet, warten dort schon Ayelet und ihre Tochter, die sich immer noch schwer atmend von ihrem abgekürzten Training von nur 20 Minuten erholen. Schlussendlich trudelt dann auch mit letzten Kräften Roy wieder ein, schweissnass und schwer atmend. Er hat es knapp geschafft, Moran einzuholen, aber nur um dann doch alleine zurückzukehren, weil sie gemäss Trainingsplan für den Marathon noch weiterlaufen wollte.

Kurzum, die ganze Truppe – und vermutlich auch Roy – wartet sehnsüchtig auf Irmis Rückkehr.

1 Kommentar:

Schreibschaukel hat gesagt…

Puh - das wäre nichts für mich, da würde ich schon nach fünf Minuten schlapp machen. Aber die Aussicht von da, die ist wunderschön!