Im letzten Winter ging es bei uns schon ganz gemächlich zu, nur noch Eyal und ich und unsere jüngste Tochter, die kaum ab und zu die Nase aus ihrem Zimmer streckte, teilten uns unser ruhig gewordenes Haus. Ich hatte so viel Zeit zur Verfügung, dass ich sogar beschloss, eine einsame Grossmutter zu “adoptieren”.
Nach abgeschlossenem Militärdienst wohnt aber Sivan wieder zuhause und seit
einigen Tagen ist sogar unser Sohn wieder da. Sein Freiwilligenjahr im Kibbuz ist
zu Ende und ich habe das Gefühl, ich hätte eine Herde Soldaten im Haus:
Gummistiefel, Wanderschuhe, Berge von schmutziger Wäsche, Rucksäcke und
Werkzeug liegen im ganzen Haus verstreut und warten darauf, verräumt zu werden.
Und wem zum Teufel gehören
nur all diese Zahnbürsten?
Nun muss ich wieder für fünf Personen waschen, einkaufen, aufräumen und vor allem kochen. Vier erwachsene Personen (ich verpflege mich in der Firmenkantine) essen in diesem Haushalt zwei bis drei Mahlzeiten täglich, wobei ein muskulöser, grossgewachsener Neunzehnjähriger gut und gerne für zwei bis drei Personen isst. Nur ich koche. Bestimmt gibt es Eltern von Grossfamilien, für welche das alles ein Pappenstiel ist, aber nachdem ich mich vor wenigen Monaten schon fast an ein Leben im Altenheim gewöhnt habe, fühle ich mich nun wie ein Artist, der einmal ganz gut im Handstand auf einem Seil fünf Bälle gleichzeitig jonglieren konnte, mit den Jahren aber ziemlich aus der Übung gekommen ist.
Heute sieht mein Tag so aus:
Wie immer am Mittwochmorgen, Laufgruppentreff um 5:30. Wir laufen eine Stunde dem Strand entlang und ich schöpfe Kraft für diesen Tag. Danach Dusche und Frühstück in der Firma. An der Arbeit geht es heute ganz geruhsam zu und ich habe Zeit, endlich etwas aufzuarbeiten, das schon lange ansteht. Dann verschiebe ich noch kurzentschlossen ein für den späteren Nachmittag geplantes Telefongespräch (Mitarbeiterin aus den USA). Nun ist mein Arbeitstag frei von Sitzungen und da ich unbedingt einen Grosseinkauf tätigen muss, mache ich mich schon um 14:30 aus dem Staub. Trotzdem wird es fast 17:00 Uhr bis ich zuhause bin (Warterei an der Kasse und Feierabendverkehr). Mein Sohn schleppt die Einkäufe ins Haus und verräumt auch gleich das Meiste, während ich mich umziehe (Dresscode Küchenarbeit). Ich habe gestern schon Einiges auf Vorrat gekocht und ein Teil des Essens ist immer noch im Kühlschrank. Ich hoffe, dass die Resten auch noch für morgen reichen (absolute Fehleinschätzung, wie sich bald herausstellen wird) und beschliesse, heute nur Erdnussbutter-Cookies zu backen. Um 18:30 ziehe ich das letzte Blech Cookies aus dem Ofen und unterdessen haben meine Töchter das Essen aus dem Kühlschrank vertilgt. Spontan koche ich also noch einen asiatischen Nudeleintopf, damit die hungrigen Leute morgen wieder etwas im Kühlschrank haben und bereite noch einen Mozarella-Tomatensalat für das Abendessen vor. Zwischendurch helfe ich Lianne mit einem Englisch-Aufsatz zum Thema “Wie ich die Welt verändern würde". Die Arabisch-Hausaufgaben hat sie zum Glück an den Bruder delegiert…
Dann zaubere ich noch ein paar Pausenbrote für die Schule (mache ich immer am Vorabend, da ich am Morgen früh losziehe), spüle alle Töpfe und Pfannen und räume die Küche auf. Unterdessen ist es 20:30 Uhr. Ich gehe nach oben und räume die saubere Wäsche weg, die noch draussen hängt und hänge eine neue Ladung zum Trocknen auf. Im Badezimmer wische ich mit einigen Feuchttüchern die Dusche ab, die meine Töchter verdreckt zurückgelassen haben. Um 21:00 bereite ich mir einen starken Espresso zu und setze mich endlich mit einem Buch aufs Sofa. Nun rufe ich noch schnell meine Freundin I. an, mit welcher ich heute abend verabredet bin und sage so energetisch wie möglich “nun, gehen wir jetzt?”, denn ich weiss genau, dass auch sie um diese Zeit am Ende ihrer Kräfte ist und sich den geplanten Ausgang schon lange abgeschminkt hat. Zwei Minuten später fallen mir die Augen zu…
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