Neve Shalom / Wahat al-Salam heisst auf hebräisch und arabisch "Oase des Friedens". Der Name steht für ein Dorf zwischen Tel Aviv und Jerusalem, in dem sich Juden und Palästinenser Land, Macht, Alltag und Administration teilen. An einem unserer Wandertage halten wir auf dem kleinen Friedhof des Dorfes inne, der über die Ebene zwischen den Jerusalemer Bergen bis an die Mittelmeerküste blickt.
Auf einem markanten Grabstein entdecken wir eine Aufschrift, die ich hier, frei übersetzt, wiedergeben möchte.
Haltet alle Uhren an
Stellt die Telefone ab
Und die leisen Trommeln
Lasst die Trauergäste kommen
Flugzeuge sollen aufsteigen und in den Himmel schreiben
Sie sind tot
Legt den Tauben Trauerkrawatten an
Und den Polizisten schwarze Handschuhe
Sie waren mein Norden
Sie waren mein Süden
Sie waren mein Westen und mein Osten
Sie waren meine Arbeitstage
Und mein Ruhetag
Sie waren mein Mittag und mein Mitternacht
Sie waren meine Rede und mein Lied
Ich glaubte, die Liebe sei ewig
Ich habe mich getäuscht
Die Sterne sind nicht mehr gewünscht
Lasst sie erlöschen
Packt den Mond ein
Nehmt die Sonne auseinander
Leert die Ozeane aus
Fegt die Wälder leer
Nichts wird mehr sein wie es war
Wir lesen die hebräische Inschrift auf dem verwitterten Stein mehrere Male, bis wir sie allmählich begreifen. Zeile um Zeile entziffernd erahnen wir, dass mehr als ein „herkömmlicher“ Todesfall Grund für die immense Trauer sein muss, die mit diesem Grab verbunden ist. Als wir das Ausmass des Leids erfassen, stehen wir erschüttert an diesem Ort mit seiner spektakulären Aussicht.
Ein kurze Suche auf Google ergibt, dass das Grab und die Inschrift dem ehemaligen Leiter der Friedensschule Ahmad Hijazi und seinem Sohn Adam gewidmet sind, die vor zehn Jahren bei einem tragischen Verkehrsunfall im Urlaub auf Sansibar ums Leben gekommen sind. Mögen sie in Frieden ruhen.
Es ist nicht vermerkt, wer die Trauerzeilen geschrieben hat. War es die Mutter und Ehefrau Maram selbst oder hat jemand ihre tiefste Trauer für sie in Worte umgesetzt? Die Zeilen drücken tiefste Erschütterung aus, ein endgültiges, brutales und abruptes Ende. Unfassbar traurig und bar aller Hoffnung.
Bedrückt gehen wir weiter.
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