„Schreiben? Einfach! Nur die Buchstaben in die richtige Reihenfolge bringen“ behauptet der Autor Christoph Poschenrieder, von welchem ich "Die Welt ist im Kopf" gelesen habe, auf seiner Webseite.
Diese Aussage ist selbstredend für einen Sprachkünstler. Aber leider verkümmert eine Sprache, wenn man sie nicht gebraucht, sogar die Muttersprache. Und wenn Wortschatz, Grammatik und Satzstellung immer weniger selbstverständlich sind, wird Schreiben alles andere als einfach.
Einer der Gründe, warum ich schreibe – Tagebuch oder blog oder was auch immer - ist das verzweifelte Bestreben, mein deutsches Sprachvermögen nicht allzusehr einrosten zu lassen. Leider habe ich in den letzten dreissig Jahren kaum Gelegenheit, deutsch zu sprechen und das Lesen macht den Sprachverlust nicht wett. Deshalb ähneln meine Schreibversuche in etwa meinen Yoga-Übungen, die recht linkisch daherkommen. Aber immerhin falle ich nicht gleich hin, wenn ich auf einem Bein stehe.
Wie im Yoga möchte ich mich auch in der deutschen Sprache einigermassen flexibel halten. Es ist offensichtlich, dass meine Muttersprache nicht deutsch, sondern schweizerdeutsch ist - und dafür schäme ich mich nicht - aber sogar dieses verkümmert immer mehr. Und das Deutsche erst recht: ich kann Texte wirklich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Ich muss mich anstrengen, meine Gehirnzellen heisslaufen lassen, mich strecken, dehnen und verrenken, um ein akzeptables Resultat hervorzubringen.
Meist schreibe ich, wie für diesen Beitrag, ein Gerüst, das meine Gedanken in einfacher Sprache festhält. Dann lese und verbessere ich es täglich. Feile daran herum, wechsle Worte aus, stelle Sätze um, bis ich damit zufrieden bin. Da ich deutsch im Alltag nicht gebrauche, verschwinden viele Worte in die unterste zugestaubte Ecke meiner Gehirnschubladen und geraten erst nach kräftigem Durchschütteln wieder an die Oberfläche. Und auch dann frage ich mich noch oft: gibt es dieses Wort so wirklich? Oder habe ich das gerade erfunden? Manchmal taucht plötzlich beim Autofahren, während einer langweiligen Sitzung und zuweilen auch mitten in der Nacht ein schon lange verloren geglaubtes Wort wieder auf. Da ist es ja, das ist genau, was ich gesucht habe! Nur, wie behalte ich es nun in Erinnerung, bis ich wieder vor dem Computer sitze? Oft suche ich im Internet sinnverwandte Worte, bis ich den zutreffendsten Ausdruck finde. Und dann die Kommas, die Zeiten, die Gross- und Kleinschreiberegeln...
Nun, lieber Herr Poschenrieder, für mich ist Schreiben alles andere als einfaches Aneinanderreihen von Buchstaben. Aber ich versuche, mich fit zu halten. Und ausserdem könnte ich sie einmal zu einem Strickabend einladen. Stricken ist auch ganz einfach, man muss nur die Maschen in die richtige Reihenfolge bringen...
Der Blick aus dem Fenster erfolgt aus Israel, wo ich seit 1988 lebe. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Schweiz. Aus meinem Fenster blicken auch Eyal, mein israelischer Mann und meine erwachsenen, sehr israelischen Kinder, Sivan, Itay und Lianne. Die Personen sind echt, unsere Namen aber frei erfunden.
Samstag, 3. Dezember 2016
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2 Kommentare:
Oh je, das ist bei mir ähnlich. Mit der verkümmernden Muttersprache habe ich das Problem allerdings bisher nicht in Verbindung gebracht.. interessanter Aspekt! Ich hätte dafür gerne mal einen Kurs im Schnellschreiben, also nicht Schnelltippen, das kann ich nahezu perfekt, sondern die vielen Gedanken schnell in lesbare Blogartikel zu verpacken. Das fällt mir sogar bei Buchbesprechungen schwer und ich fürchte, ein bisschen hängt mir da auch mein eigener Anspruch in der Quere, ich arbeite dran. Aber doch, effizienter und schneller schriftlichen Output produzieren, das würde ich tatsächlich gerne lernen.
VG,
Hadassa
Einfach fleissig weiter üben, dann bleiben wir in Form!
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