Ein Ast nach dem Sturm, in der psychiatrischen Klinik Sha‘ar Menashe |
Der Blick aus dem Fenster erfolgt aus Israel, wo ich seit 1988 lebe. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Schweiz. Aus meinem Fenster blicken auch Eyal, mein israelischer Mann und meine erwachsenen, sehr israelischen Kinder, Sivan, Itay und Lianne. Die Personen sind echt, unsere Namen aber frei erfunden.
Samstag, 17. Dezember 2016
Besuch bei E im Heim für Holocaust-Überlebende
So langsam verstehe ich, wie das in der psychiatrischen Klinik läuft: die Patienten werden, aus welchem Grund auch immer, mehr oder weniger gesund eingeliefert und nach und nach werden sie gebrechlich, schwach und pflegebedürftig. Und wahnsinnig. Es scheint ausnahmslos ein unaufhaltsamer Prozess zu sein, an diesem traurigen Ort. Schlussendlich vegetieren alle Insassen hoffnungslos und gebrochen den ganzen Tag am Gemeinschaftstisch vor sich hin, bis sie zur Nachtruhe weggerollt werden. Nun sitzt auch E., die anfangs dieses Jahres - noch neu im Heim - ganz wacker auf den Beinen war und selbständig durch die Gänge spazierte, abgemagert, schwach und zitternd im Rollstuhl. Sie kann sich kaum aufrechthalten und als ich eintreffe, hat sie gerade ihren Kaffee verschüttet. Ich frage sie, wie es ihr geht und sie antwortet „miserabel“. Ihre Beine sind magerer als meine Unterarme und nun hat man ihr auch noch das schüttere graue Haar kurzgeschoren. Sie sieht elend aus. Traurig. Ein Leben ohne Lichtblick.
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