Der Blick aus dem Fenster erfolgt aus Israel, wo ich seit 1988 lebe. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Schweiz. Aus meinem Fenster blicken auch Eyal, mein israelischer Mann und meine erwachsenen, sehr israelischen Kinder, Sivan, Itay und Lianne. Die Personen sind echt, unsere Namen aber frei erfunden.
Donnerstag, 29. Dezember 2016
Alles neu
Alles kommt einmal zu Ende. Der Bautrupp ist endlich abgezogen, wir putzen, räumen auf und lecken unsere Wunden. Resultat: ein neu gefliester Balkon, neu gestaltete Schlafzimmer, ein modern gestyltes Badezimmer, eine krumm angebrachte WC-Schüssel, 500 neue graue Haare.
Samstag, 17. Dezember 2016
Onleihe
Heute verbringe ich zweimal eine halbe Stunde beim Autofahren. Das Schöne daran: über die Lautsprecher, die per bluetooth mit meinem Smartphone verbunden sind, höre ich ein Audiobuch. Das Buch habe ich auf der „onleihe“-App heruntergeladen. Dazu muss man auf einer beliebigen online-Bibliothek registriert sein, zum Beispiel bei der Goethe-Bibliothek. Audio-Bücher gibt es zwar auch auf der Kindle-App, dort aber nur gegen Bezahlung. Bei onleihe hingegen kann man die Audio-Bücher kostenlos für sieben Tage ausleihen. Nun höre ich „Zwei Herren am Strand“ von Michael Köhlmeier. Dieser verblüffende Roman erzählt die Geschichte von Winston Churchill und Charlie Chaplin, deren Freundschaft auf einem gemeinsamen Feind basiert: Depression und Suizidgedanken. Die Audio-Version des Romans wird vom Autor Köhlmeier selbst gesprochen und so vergeht die Zeit beim Fahren wie im Flug. Wo immer ich ankomme, bereue ich fast, mein Ziel erreicht zu haben. Am liebsten würde ich nach Norden an die libanesische Grenze fahren und dann im Zickzack hinunter nach Eilat.
Besuch bei E im Heim für Holocaust-Überlebende
So langsam verstehe ich, wie das in der psychiatrischen Klinik läuft: die Patienten werden, aus welchem Grund auch immer, mehr oder weniger gesund eingeliefert und nach und nach werden sie gebrechlich, schwach und pflegebedürftig. Und wahnsinnig. Es scheint ausnahmslos ein unaufhaltsamer Prozess zu sein, an diesem traurigen Ort. Schlussendlich vegetieren alle Insassen hoffnungslos und gebrochen den ganzen Tag am Gemeinschaftstisch vor sich hin, bis sie zur Nachtruhe weggerollt werden. Nun sitzt auch E., die anfangs dieses Jahres - noch neu im Heim - ganz wacker auf den Beinen war und selbständig durch die Gänge spazierte, abgemagert, schwach und zitternd im Rollstuhl. Sie kann sich kaum aufrechthalten und als ich eintreffe, hat sie gerade ihren Kaffee verschüttet. Ich frage sie, wie es ihr geht und sie antwortet „miserabel“. Ihre Beine sind magerer als meine Unterarme und nun hat man ihr auch noch das schüttere graue Haar kurzgeschoren. Sie sieht elend aus. Traurig. Ein Leben ohne Lichtblick.
Ein Ast nach dem Sturm, in der psychiatrischen Klinik Sha‘ar Menashe |
Freitag, 16. Dezember 2016
Göttertrank
Kühle zwölf Grad erwarten mich während meiner Laufrunde an diesem Freitagmorgen. Der Himmel ist grau verhangen und es nieselt leise und ununterbrochen. Im Yaar Ilanot schützen mich die hohen Baumkronen vor dem Regen. Ich atme die frische Waldluft tief ein, meine Schritte knirschen auf dem feuchten Kiesweg, es riecht nach Nässe und Feuchtigkeit. Fast wähne ich mich in Europa.
Wäre da nicht diese Orange, die ich beim Laufen im Orangenhain vom Baum pflücke. Ich drücke und quetsche die noch harte Frucht und reisse mit blossen Händen ein Loch in die Schale. Dann presse ich mir den erfrischenden, säuerlichen Saft direkt in den Mund. Nektar und Ambrosia! Ahh Israel!
Wäre da nicht diese Orange, die ich beim Laufen im Orangenhain vom Baum pflücke. Ich drücke und quetsche die noch harte Frucht und reisse mit blossen Händen ein Loch in die Schale. Dann presse ich mir den erfrischenden, säuerlichen Saft direkt in den Mund. Nektar und Ambrosia! Ahh Israel!
Dienstag, 6. Dezember 2016
Die Baustelle
Bei uns zuhause herrscht der Ausnahmezustand. Ich weiss nicht, ob das andernorts auch so ist, aber in Israel scheint Bauen eine äusserst unexakte Wissenschaft zu sein. Da stellt man sich etwas vor, trifft sich mit dem Bauleiter, macht Pläne und dann kommt von der ersten Minute an alles anders als geplant. Das ganze Projekt ist nichts als eine Anhäufung unvorhergesehener Notfälle, die irgendwie aus dem Stegreif gelöst werden müssen. Und wie ich schon in früheren Bauprojekten erfahren habe, scheint auch dieser Baumeister von seiner Arbeit nicht die geringste Ahnung zu haben. Als gäbe man einem zufällig aufgegriffenen Menschen die Aufsicht über eine komplizierte Herzoperation. Oh, hier blutet es – was machen wir jetzt?
Wenige Stunden nachdem die Bautruppe mit Abbruch-, Meissel- und anderen Geräten bei uns eintrifft, herrscht im ganzen oberen Stockwerk ein heilloses Durcheinander. Nur in unserem eigenen Schlafzimmer versuchen wir verzweifelt, die Oberhand über Dreck und Staub zu bewahren. In allen anderen Schlaf- und Badezimmern wird gearbeitet und sie können vorübergehend nicht benützt werden. So konzentriert sich unser Familienleben auf Stube und Gästezimmer im unteren Stock.
Wo der Bauleiter nicht zuständig ist, wirft höhere Gewalt unsere Pläne über den Haufen: Nachdem wir unseren Sohn feierlich und schweren Herzens dem Militär übergeben haben, in der Hoffnung, dass er dort bis Ende der Arbeiten gut aufgehoben ist, steht er nach nur drei Tagen für das Wochenende schon wieder vor der Tür. Und auch Sivan, die in den letzten Wochen inoffiziell immer mehr bei ihrem Freund gewohnt hat und nur ab und zu vorbeigekommen ist, um unsere Kreditkarte für eine Fahrt an die nächste Tankstelle auszuleihen, ist nun just auch wieder da. Ihr Auserwählter hat beschlossen, sein Glück für einige Zeit in Amerika zu versuchen. Wahrscheinlich wurde es ihm zuhause zu eng. Und sobald auf unserer Baustelle alle Türen aus den Angeln gestemmt und die Zimmer mit Farben und Materialien bestrichen worden sind, die trocknen sollten, tritt endlich der israelische Winter ein und beschert uns kräftigen Regen und eisige Winde.
Alle Kleider und Besitztümer unserer Kinder sind in Koffer verpackt, die nun in der Stube stehen, welche ausserdem auch mit ausrangierten Möbeln, Militärstiefeln und Baumaterialien vollgestellt ist. Über Sandsäcken und Kartons mit Badezimmerfliesen hängen Büstenhalter und Frottiertücher. Und kaum haben die Bauarbeiten im oberen Stockwerk begonnen, wird der untere Stock von einer feinen weissen Puderschicht überzogen, gerade wie im Schwarzwald, wenn es über Nacht zum ersten mal schneit.
Der Mensch hat nicht genügend Fantasie, um sich den Wahnsinn einer Apokalypse vorzustellen und deshalb habe ich auch gar nicht daran gedacht, dass ich kein Waschzimmer haben werde, und noch weniger, dass die Bauerei wahrscheinlich Wochen dauern wird, während denen der Zugang zu unserer Waschmaschine abgeschnitten ist. Nun türmen sich die weiss verstaubten Wäscheberge (in unserem Schlafzimmer!) und die Kinder streiten sich nicht nur über eine Schlafgelegenheit auf dem Sofa, sondern auch um das letzte Paar saubere Socken.
In der Mitte dieses Tohuwabohus, auf unserem Esstisch, auf welchem wir für jede Mahlzeit ausgebreitete Baupläne und Badezimmerarmaturen zur Seite schieben, tront der Computer meines Mannes. Eyal versucht, zwischen streitenden Kindern und hilflosen Arbeitern einige dringende Aufträge zu erledigen.
Am Ende wird alles gut, versuche ich mich zu beruhigen. Um die Kinder ein bisschen in die Schranken zu weisen, erzählen wir ihnen einmal mehr die Geschichte meiner Schwiegereltern, die Anfang der 50er Jahre zusammen mit weiteren 120,000 Juden aus dem Irak flüchten mussten. 850,000 Juden flüchteten aus den arabischen Ländern und der Flüchtlingsstrom war in jenen Jahren in Israel so gewaltig, dass Auffanglager errichtet und die Flüchtlinge in Zeltstädten untergebracht werden mussten. Die Familie meiner Schwiegermutter hinterliess in Bazra ein grosses Haus und florierende Geschäfte und lebte in Israel fast zwei Jahre im Zelt, schlief auf Strohsäcken und hütete einen bescheidenen Schatz von Kleidern und Mitbringseln in hölzernen Reisekoffern. Von der 13-köpfigen Familie teilten sich die Eltern und sieben der Kinder ein Zelt. Die älteren Kinder waren schon verheiratet (und lebten in anderen Zelten) oder wurden gleich ins Militär eingezogen. Später lebte die Familie in Holz- und Wellblechhütten, bis sie sich endlich eine einfache Zweizimmerwohnung in der Stadt leisten konnte.
Bescheidenheit, liebe Kinder, Bescheidenheit und Verzicht sind das Gebot der Stunde.
Wenige Stunden nachdem die Bautruppe mit Abbruch-, Meissel- und anderen Geräten bei uns eintrifft, herrscht im ganzen oberen Stockwerk ein heilloses Durcheinander. Nur in unserem eigenen Schlafzimmer versuchen wir verzweifelt, die Oberhand über Dreck und Staub zu bewahren. In allen anderen Schlaf- und Badezimmern wird gearbeitet und sie können vorübergehend nicht benützt werden. So konzentriert sich unser Familienleben auf Stube und Gästezimmer im unteren Stock.
Wo der Bauleiter nicht zuständig ist, wirft höhere Gewalt unsere Pläne über den Haufen: Nachdem wir unseren Sohn feierlich und schweren Herzens dem Militär übergeben haben, in der Hoffnung, dass er dort bis Ende der Arbeiten gut aufgehoben ist, steht er nach nur drei Tagen für das Wochenende schon wieder vor der Tür. Und auch Sivan, die in den letzten Wochen inoffiziell immer mehr bei ihrem Freund gewohnt hat und nur ab und zu vorbeigekommen ist, um unsere Kreditkarte für eine Fahrt an die nächste Tankstelle auszuleihen, ist nun just auch wieder da. Ihr Auserwählter hat beschlossen, sein Glück für einige Zeit in Amerika zu versuchen. Wahrscheinlich wurde es ihm zuhause zu eng. Und sobald auf unserer Baustelle alle Türen aus den Angeln gestemmt und die Zimmer mit Farben und Materialien bestrichen worden sind, die trocknen sollten, tritt endlich der israelische Winter ein und beschert uns kräftigen Regen und eisige Winde.
Alle Kleider und Besitztümer unserer Kinder sind in Koffer verpackt, die nun in der Stube stehen, welche ausserdem auch mit ausrangierten Möbeln, Militärstiefeln und Baumaterialien vollgestellt ist. Über Sandsäcken und Kartons mit Badezimmerfliesen hängen Büstenhalter und Frottiertücher. Und kaum haben die Bauarbeiten im oberen Stockwerk begonnen, wird der untere Stock von einer feinen weissen Puderschicht überzogen, gerade wie im Schwarzwald, wenn es über Nacht zum ersten mal schneit.
Der Mensch hat nicht genügend Fantasie, um sich den Wahnsinn einer Apokalypse vorzustellen und deshalb habe ich auch gar nicht daran gedacht, dass ich kein Waschzimmer haben werde, und noch weniger, dass die Bauerei wahrscheinlich Wochen dauern wird, während denen der Zugang zu unserer Waschmaschine abgeschnitten ist. Nun türmen sich die weiss verstaubten Wäscheberge (in unserem Schlafzimmer!) und die Kinder streiten sich nicht nur über eine Schlafgelegenheit auf dem Sofa, sondern auch um das letzte Paar saubere Socken.
In der Mitte dieses Tohuwabohus, auf unserem Esstisch, auf welchem wir für jede Mahlzeit ausgebreitete Baupläne und Badezimmerarmaturen zur Seite schieben, tront der Computer meines Mannes. Eyal versucht, zwischen streitenden Kindern und hilflosen Arbeitern einige dringende Aufträge zu erledigen.
Am Ende wird alles gut, versuche ich mich zu beruhigen. Um die Kinder ein bisschen in die Schranken zu weisen, erzählen wir ihnen einmal mehr die Geschichte meiner Schwiegereltern, die Anfang der 50er Jahre zusammen mit weiteren 120,000 Juden aus dem Irak flüchten mussten. 850,000 Juden flüchteten aus den arabischen Ländern und der Flüchtlingsstrom war in jenen Jahren in Israel so gewaltig, dass Auffanglager errichtet und die Flüchtlinge in Zeltstädten untergebracht werden mussten. Die Familie meiner Schwiegermutter hinterliess in Bazra ein grosses Haus und florierende Geschäfte und lebte in Israel fast zwei Jahre im Zelt, schlief auf Strohsäcken und hütete einen bescheidenen Schatz von Kleidern und Mitbringseln in hölzernen Reisekoffern. Von der 13-köpfigen Familie teilten sich die Eltern und sieben der Kinder ein Zelt. Die älteren Kinder waren schon verheiratet (und lebten in anderen Zelten) oder wurden gleich ins Militär eingezogen. Später lebte die Familie in Holz- und Wellblechhütten, bis sie sich endlich eine einfache Zweizimmerwohnung in der Stadt leisten konnte.
Bescheidenheit, liebe Kinder, Bescheidenheit und Verzicht sind das Gebot der Stunde.
Samstag, 3. Dezember 2016
Kopfgymnastik
„Schreiben? Einfach! Nur die Buchstaben in die richtige Reihenfolge bringen“ behauptet der Autor Christoph Poschenrieder, von welchem ich "Die Welt ist im Kopf" gelesen habe, auf seiner Webseite.
Diese Aussage ist selbstredend für einen Sprachkünstler. Aber leider verkümmert eine Sprache, wenn man sie nicht gebraucht, sogar die Muttersprache. Und wenn Wortschatz, Grammatik und Satzstellung immer weniger selbstverständlich sind, wird Schreiben alles andere als einfach.
Einer der Gründe, warum ich schreibe – Tagebuch oder blog oder was auch immer - ist das verzweifelte Bestreben, mein deutsches Sprachvermögen nicht allzusehr einrosten zu lassen. Leider habe ich in den letzten dreissig Jahren kaum Gelegenheit, deutsch zu sprechen und das Lesen macht den Sprachverlust nicht wett. Deshalb ähneln meine Schreibversuche in etwa meinen Yoga-Übungen, die recht linkisch daherkommen. Aber immerhin falle ich nicht gleich hin, wenn ich auf einem Bein stehe.
Wie im Yoga möchte ich mich auch in der deutschen Sprache einigermassen flexibel halten. Es ist offensichtlich, dass meine Muttersprache nicht deutsch, sondern schweizerdeutsch ist - und dafür schäme ich mich nicht - aber sogar dieses verkümmert immer mehr. Und das Deutsche erst recht: ich kann Texte wirklich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Ich muss mich anstrengen, meine Gehirnzellen heisslaufen lassen, mich strecken, dehnen und verrenken, um ein akzeptables Resultat hervorzubringen.
Meist schreibe ich, wie für diesen Beitrag, ein Gerüst, das meine Gedanken in einfacher Sprache festhält. Dann lese und verbessere ich es täglich. Feile daran herum, wechsle Worte aus, stelle Sätze um, bis ich damit zufrieden bin. Da ich deutsch im Alltag nicht gebrauche, verschwinden viele Worte in die unterste zugestaubte Ecke meiner Gehirnschubladen und geraten erst nach kräftigem Durchschütteln wieder an die Oberfläche. Und auch dann frage ich mich noch oft: gibt es dieses Wort so wirklich? Oder habe ich das gerade erfunden? Manchmal taucht plötzlich beim Autofahren, während einer langweiligen Sitzung und zuweilen auch mitten in der Nacht ein schon lange verloren geglaubtes Wort wieder auf. Da ist es ja, das ist genau, was ich gesucht habe! Nur, wie behalte ich es nun in Erinnerung, bis ich wieder vor dem Computer sitze? Oft suche ich im Internet sinnverwandte Worte, bis ich den zutreffendsten Ausdruck finde. Und dann die Kommas, die Zeiten, die Gross- und Kleinschreiberegeln...
Nun, lieber Herr Poschenrieder, für mich ist Schreiben alles andere als einfaches Aneinanderreihen von Buchstaben. Aber ich versuche, mich fit zu halten. Und ausserdem könnte ich sie einmal zu einem Strickabend einladen. Stricken ist auch ganz einfach, man muss nur die Maschen in die richtige Reihenfolge bringen...
Diese Aussage ist selbstredend für einen Sprachkünstler. Aber leider verkümmert eine Sprache, wenn man sie nicht gebraucht, sogar die Muttersprache. Und wenn Wortschatz, Grammatik und Satzstellung immer weniger selbstverständlich sind, wird Schreiben alles andere als einfach.
Einer der Gründe, warum ich schreibe – Tagebuch oder blog oder was auch immer - ist das verzweifelte Bestreben, mein deutsches Sprachvermögen nicht allzusehr einrosten zu lassen. Leider habe ich in den letzten dreissig Jahren kaum Gelegenheit, deutsch zu sprechen und das Lesen macht den Sprachverlust nicht wett. Deshalb ähneln meine Schreibversuche in etwa meinen Yoga-Übungen, die recht linkisch daherkommen. Aber immerhin falle ich nicht gleich hin, wenn ich auf einem Bein stehe.
Wie im Yoga möchte ich mich auch in der deutschen Sprache einigermassen flexibel halten. Es ist offensichtlich, dass meine Muttersprache nicht deutsch, sondern schweizerdeutsch ist - und dafür schäme ich mich nicht - aber sogar dieses verkümmert immer mehr. Und das Deutsche erst recht: ich kann Texte wirklich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Ich muss mich anstrengen, meine Gehirnzellen heisslaufen lassen, mich strecken, dehnen und verrenken, um ein akzeptables Resultat hervorzubringen.
Meist schreibe ich, wie für diesen Beitrag, ein Gerüst, das meine Gedanken in einfacher Sprache festhält. Dann lese und verbessere ich es täglich. Feile daran herum, wechsle Worte aus, stelle Sätze um, bis ich damit zufrieden bin. Da ich deutsch im Alltag nicht gebrauche, verschwinden viele Worte in die unterste zugestaubte Ecke meiner Gehirnschubladen und geraten erst nach kräftigem Durchschütteln wieder an die Oberfläche. Und auch dann frage ich mich noch oft: gibt es dieses Wort so wirklich? Oder habe ich das gerade erfunden? Manchmal taucht plötzlich beim Autofahren, während einer langweiligen Sitzung und zuweilen auch mitten in der Nacht ein schon lange verloren geglaubtes Wort wieder auf. Da ist es ja, das ist genau, was ich gesucht habe! Nur, wie behalte ich es nun in Erinnerung, bis ich wieder vor dem Computer sitze? Oft suche ich im Internet sinnverwandte Worte, bis ich den zutreffendsten Ausdruck finde. Und dann die Kommas, die Zeiten, die Gross- und Kleinschreiberegeln...
Nun, lieber Herr Poschenrieder, für mich ist Schreiben alles andere als einfaches Aneinanderreihen von Buchstaben. Aber ich versuche, mich fit zu halten. Und ausserdem könnte ich sie einmal zu einem Strickabend einladen. Stricken ist auch ganz einfach, man muss nur die Maschen in die richtige Reihenfolge bringen...
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