Sonntag, 4. August 2024

Freude und Leid

Oren Smadja


Der israelische Judoka Oren Smadja gewann 1992 die olympische Bronzemedaille, drei Jahre später belegte er bei den Weltmeisterschaften den zweiten Platz. Dass sich Oren bei den Israelis auch jetzt noch, viele Jahre nach diesen sportlichen Errungenschaften, großer Beliebtheit erfreut, liegt wohl vor allem an seiner angenehmen und sportlichen Persönlichkeit. Oren ist einfach rundum sympathisch, er ist aufrecht und mutig, verkörpert Gemeinschaftssinn und Solidarität, doch vor allem ist er bescheiden und einer von uns.

Seit 2010 trainiert Oren die israelischen Judoka, darunter Or Sasson, Gewinner der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2016 und Sagi Muki, der bei den Judo-Europaspielen 2015 und bei den Weltmeisterschaften 2019 in Tokio Goldmedaillen gewann.

Wie alle Israelis hat auch Oren nebst seinem Beruf eine weitere wichtige Aufgabe: Er ist oder war einst Soldat der IDF und er ist Vater, Onkel und Bruder von Soldaten. Als am 20. Juni, ausgerechnet an Orens Geburtstag, sein 25-jähriger Sohn Omer im Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen durch Mörserbeschuss getötet wurde, weinte das ganze Land mit dem berühmten Vater und seiner Familie. Doch als echter Sportler und Judoka lässt sich Oren nicht unterkriegen. Nach Ende der dreissigtägigen Trauerzeit gab er bekannt, dass er das israelische Nationalteam an die olympischen Spiele in Paris begleiten würde.

Wie nahe Freude und Leid zusammenliegen, zeigen die aufwühlenden Momente in Paris, in denen der israelische Judoka Peter Paltchik und sein Trainer Oren nach dem Sieg, der die Medaille einbrachte, unter Tränen ihrer Freude und ihrem Schmerz Ausdruck verleihen (im Video ab ca. 01:30 bis 02:30). Zuschauer, die die Sprache nicht verstehen und den Hintergrund nicht kennen, mögen denken, Paltchik sei einfach gerührt über die ausserordentliche Errungenschaft. Doch vielmehr weint er bittere Tränen für sein Volk Israel, er weint vor Schmerz über die Freunde, die nicht mehr wiederkommen werden und vor allem über das persönliche Leid seines Trainers Oren. Das Video braucht keine Übersetzung, ich finde, es ist eindrücklich genug, die beiden starken Männer weinen zu sehen.

Sechs Medaillen in verschiedenen Disziplinen hat das kleine Land Israel, welches seine zahlreichen Feinde gerne von den olympischen Spielen ausgeschlossen gesehen hätten, in Paris gewonnen. Ein anderes Video übersetze ich doch, denn Oren hat eine Botschaft, die mich persönlich sehr berührt und in diesen Tagen, da wir uns an jeden Strohhalm klammern, ermutigt: "Wir werden diese Krise überstehen, wir werden gedeihen, wir werden vereint Erfolge verzeichnen. Wir werden dieses Land weiter ausbauen, dieses Land, das nur das Allerbeste verdient. Sie (unsere Feinde und Missgönner aller Sorten - eigene Anmerkung) werden an ihren Orten leben und zusehen, wie wir wachsen und gedeihen, und das ist unsere Rache. Am Israel Chai!"


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