Vor einigen Tagen habe ich mich von einem Spezialangebot verlocken lassen und per Internet ein Paar neue Laufschuhe bestellt. Die Schuhe werden mir bequem nach Hause geliefert, der Fahrer des kleinen Lieferwagens übergibt sie mir an der Haustüre. Leider passt die Grösse nicht genau, das lässt sich, nachdem ich einige Proberunden im lockeren Dauerlauf um unser Sofa gedreht habe, nicht leugnen. Aber Umtauschen ist kein Problem: Ich muss nur auf der entsprechenden Webseite „Grösse umtauschen“ anklicken und schon ist der Schuh-Lieferant erneut zu mir unterwegs, um die Schuhe abzuholen und gegen ein hoffentlich passendes Paar umzutauschen. Ich staune. Wir sind wahrlich in der Zukunft angelangt.
Ebenfalls ins Staunen versetzt mich die überraschende Lieferung von drei Zitronen, die heute morgen in meinem Garten liegen, obwohl mein Zitronenbaum keine Früchte trägt und ausserdem in der gegenüberliegenden Ecke des Gartens steht. Die Zitronen liegen unter der Gartenschaukel und kommen mir wie gewünscht. Sie schmecken im Gurken-Tomaten-Salat mit etwas Olivenöl und an der Avocado fantastisch. Es geht nichts über frische Zitronen, direkt ab Baum. Vielen Dank, lieber Nachbar!
Einem ähnlichen Prinzip, aber über etwas weitere Distanzen und bei weitem weniger erfreulich, habe ich wohl die Schicht Sahara-Sand zu verdanken, die sich nach dem letzten Regen auf unserem Wäschebalkon niedersetzte. Ja gut, die Zitronen habe ich auch nicht bestellt – aber Sahara-Sand?! Beim Wischen denke ich darüber nach, welche Webseite ich wohl aufsuchen könnte, um den Sand zu retournieren und dafür Zitronen geliefert zu bekommen. Doch, ich hätte noch Verbesserungsvorschläge für die Zukunft.
Der Blick aus dem Fenster erfolgt aus Israel, wo ich seit 1988 lebe. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Schweiz. Aus meinem Fenster blicken auch Eyal, mein israelischer Mann und meine erwachsenen, sehr israelischen Kinder, Sivan, Itay und Lianne. Die Personen sind echt, unsere Namen aber frei erfunden.
Samstag, 28. April 2018
Mittwoch, 18. April 2018
Laufen oder davonlaufen?
Nach meiner Laufflaute im Winter wegen Grippe, Hüftschmerzen, stürmischem Wetter, schlechter Laune und anderen mehr oder weniger plausiblen Gründen, trainiere ich jetzt ganz bewusst wieder intensiver. Ich habe mir vorgenommen, viermal in der Woche zu laufen und dabei die wöchentliche Gesamtkilometerzahl immer mehr zu erhöhen. In den letzten zwei Wochen, bei perfektem Wetter, habe ich das ganz gut durchgezogen und ich merke schon, wie sich meine Ausdauer verbessert und das Laufen leichter fällt. Heute laufe ich zwölf Kilometer und während dem Laufen denke ich unvermittelt, dass Laufen mit Flüchten assoziiert wird. Flüchte ich? Wovor laufe ich eigentlich davon?
Ich bin kein ehrgeiziger Mensch und ich habe kein Ziel. An Wettkämpfen nehme ich schon lange nicht mehr teil. Was motiviert mich, viermal in der Woche in den frühen Morgenstunden aus dem Bett zu hüpfen und noch vor dem Frühstück sinnlos durch die Gegend zu rennen? Beim Laufen fühle ich mich stark und vital, aber die körperlichen Einschränkungen werden mit dem Alter nicht weniger. Ab Kilometer Sieben schmerzen die Hüften, bei Kilometer Zehn kommen die Knie dazu. Warum also?
Irgendein Slogan sagt „because I can“. Weil ich es kann. Heute schliesse ich beim Laufen auf einer ausgedehnten Strecke die Augen, orientiere mich nur nach der Helligkeit der Sonne, die mir frühmorgens schon durch die geschlossenen Lider brennt. Ich konzentriere mich auf mein Atmen und den Rhythmus meiner Schritte. Salzige Meerluft in der Nase, das leise Rauschen der Wellen in den Ohren.
Laufen hat für mich etwas meditatives. Aber warum braucht ein Mensch viermal in der Woche Meditation, könnte man berechtigt fragen. Noch dazu eine Meditation, die man sich ziemlich schwer abringt. Ich könnte ja auch im Lotussitz auf dem Teppich sitzen und auf die Erleuchtung warten. Oder dass das Frühstück serviert wird, was immer zuerst kommt.
Vielleicht flüchte ich ja tatsächlich, wer weiss. Und solange ich nicht weiss wovor, werde ich wohl nicht entkommen. Na ja, was soll’s. Jeder hat seine Macken. Ich laufe weiter ohne zu wissen warum. Aber vielleicht, wenn ich nur lange genug weiterlaufe, werde ich der Sache auf den Grund kommen.
Samstag, 7. April 2018
Mein Senf zum Weltfrieden
Mit den nachfolgenden Zeilen möchte ich auf den Beitrag einer Blog-Nachbarin eingehen. Eigentlich wollte ich nur einen Kommentar zu ihrem Artikel schreiben, dieser wurde dann aber etwas länger und um ihre Kommentarspalte nicht zu sprengen, gebe ich jetzt meinen Senf hier zum Besten, in der Hoffnung, dass unsere Blogs nun nicht zu Schlachtfeldern der Meinungen und Anfeindungen über den Palästinakonflikt werden, denn dies ist ein explosives Thema!
In all den Jahren, in denen ich auf verschiedene Arten im Netz unterwegs bin, habe ich mich immer davor zurückgehalten, über den “Nahostkonflikt” zu diskutieren. Einerseits, weil ich auch nach dreissig Jahren in Israel die Situation immer noch lerne und nicht mit Menschen diskutieren mag, die sich nach dem Lesen einiger Schlagzeilen eine mehr oder weniger festgefahrene Meinung bilden (damit meine ich auf keinen Fall dich, liebe Schreibschaukel!), andererseits weil ich durch mein Auswandern in ein anderes Land gelernt habe, dass wir alle Brillen aufhaben. Diese Brillen, seien es pazifistische Schweizerbrillen, Terror-Brillen, oder andere Brillen mit eben irgendwelchen Wertevorstellungen eines Volkes, sind sehr schwer abzulegen. (Ich persönlich trage unterdessen eine Multifokalbrille, deren Linsen mich teils aus dem Blickwinkel der Israelis, teils mit schweizerischen Vorstellungen auf meine Umwelt blicken lassen und das kann manchmal ganz schön verwirrend sein.)
Wir sind uns dessen üblicherweise nicht bewusst, aber unsere Wahrnehmung von Konflikten auf dieser Welt sind nur Zerrbilder der gegebenen Situationen.
Deshalb finde ich auch die Frage meiner Blognachbarin „würden wir?“ falsch, denn sie bezieht sich nur auf ein momentanes Ereignis, während die ganze Situation dahinter, die jahrtausendealte Geschichte und die Aussichten auf die Zukunft so komplex sind, dass man die Frage so nicht beantworten und die Situation nicht vergleichen kann.
Ich möchte aber hier auf die Frage der Blogschreiberin eingehen, ob israelische Scharfschützen wirklich auf flüchtende Männer schiessen. Leider weiss ich die Antwort dazu aus (fast) erster Hand: Mein Sohn liegt nämlich in diesen Tagen in der IDF-Uniform im Sand auf den Hügeln um Gaza. Er ist zwar kein Scharfschütze, aber gemäss seinen Aussagen lautete der Befehl, den Demonstranten, die den Zaun besteigen, auf die Füsse zu schiessen. Dabei kann natürlich im Getummel einiges schiefgehen. Nach dem ersten Tag mit Todesopfern, dem Aufschrei der ach-so-gerechten Länder der Welt und den negativen Talk-backs in den Medien, wurde der Befehl geändert. Keine scharfe Munition mehr, auf keinen Fall.
Natürlich gibt es auch über diese Strategie geteilte Meinungen und die scheinen oft unverständlich, vor allem wenn man aus der fernen Schweiz auf den Konflikt blickt. Von wegen Brillen und so.
„Dumme, verwirrte Kinder!“ sagte mein Sohn letzte Woche über die palästinensischen Jugendlichen, als er für einen Tag auf Urlaub kommen durfte. „Warum gehen sie nicht nach Hause, lernen etwas Gescheites, bauen etwas auf, so wie wir das tun?“
Mehr über diesen ganzen Zirkus möchte ich hier nicht zum Besten geben. Kümmern wir uns doch alle besser um die Zustände in unserer Familie, mit unseren Nachbarn und unseren Nächsten, als uns in Konflikte einzumischen, die wir nur begrenzt verstehen können.
Deshalb finde ich auch die Frage meiner Blognachbarin „würden wir?“ falsch, denn sie bezieht sich nur auf ein momentanes Ereignis, während die ganze Situation dahinter, die jahrtausendealte Geschichte und die Aussichten auf die Zukunft so komplex sind, dass man die Frage so nicht beantworten und die Situation nicht vergleichen kann.
Ich möchte aber hier auf die Frage der Blogschreiberin eingehen, ob israelische Scharfschützen wirklich auf flüchtende Männer schiessen. Leider weiss ich die Antwort dazu aus (fast) erster Hand: Mein Sohn liegt nämlich in diesen Tagen in der IDF-Uniform im Sand auf den Hügeln um Gaza. Er ist zwar kein Scharfschütze, aber gemäss seinen Aussagen lautete der Befehl, den Demonstranten, die den Zaun besteigen, auf die Füsse zu schiessen. Dabei kann natürlich im Getummel einiges schiefgehen. Nach dem ersten Tag mit Todesopfern, dem Aufschrei der ach-so-gerechten Länder der Welt und den negativen Talk-backs in den Medien, wurde der Befehl geändert. Keine scharfe Munition mehr, auf keinen Fall.
Natürlich gibt es auch über diese Strategie geteilte Meinungen und die scheinen oft unverständlich, vor allem wenn man aus der fernen Schweiz auf den Konflikt blickt. Von wegen Brillen und so.
„Dumme, verwirrte Kinder!“ sagte mein Sohn letzte Woche über die palästinensischen Jugendlichen, als er für einen Tag auf Urlaub kommen durfte. „Warum gehen sie nicht nach Hause, lernen etwas Gescheites, bauen etwas auf, so wie wir das tun?“
Mehr über diesen ganzen Zirkus möchte ich hier nicht zum Besten geben. Kümmern wir uns doch alle besser um die Zustände in unserer Familie, mit unseren Nachbarn und unseren Nächsten, als uns in Konflikte einzumischen, die wir nur begrenzt verstehen können.
Ehrlich gesagt, finde ich die Situation (nicht nur im Nahen Osten) so katastrophal, dass ich keine Kraft mehr habe, überhaupt noch etwas darüber zu hören, geschweige denn zu diskutieren oder gar zu belehren. Noch wehren sich die Israelis, aber ich befürchte, dass sie diesen Konflikt auf die Dauer verlieren werden. Es gibt keine Lösung, aber die Richtung zeichnet sich deutlich ab. Das macht mich unendlich traurig, denn ich bin fest davon überzeugt, dass das jüdische Volk das Zeug dazu hätte, die Welt in eine bessere Zukunft zu leiten, wenn..., ja, wenn man es eben lassen und dabei unterstützen würde.
Dienstag, 3. April 2018
Shvil Israel
Eindrücke vom Trail-Abschnitt 18 heute morgen |
Der Shvil Israel (oder INT, Israel National Trail, der israelische Nationalwanderweg) ist eine Pilgerroute, die in 44 Etappen über 1,050 Kilometer das Land Israel vom Norden bis in den Süden durchquert. Der Shvil Israel soll eine der schönsten Fernwanderwegen der Welt sein. Auf der Webseite von Christian Seebauer kann man mehr über den Trail lesen, der mit spektakulären Landschaften in einem aufregenden Land, meist angenehmem Wetter und hilfsbereiten Mitwanderern und Einheimischen aufwartet.
Der Trail führt vom Kibbuz Dan im Norden durch Galiläa und am See Genezareth entlang, durchs Karmelgebirge zum Mittelmeer, an der Küste nach Tel Aviv, an Jerusalem vorbei und durch die Negev-Wüste bis ans Rote Meer im Süden. Gemäss der Topologie des Landes ändert der Trail seinen Charakter mehrmals: Er schickt den Wanderer über sanfte Hügel, durch unwegsame Schluchten, am Strand entlang und durch bewohnte und landwirtschaftlich geprägte Gebiete. Im Süden führt der Pfad auf einem etwa vierhundert Kilometer langen Abschnitt durch eine eindrückliche Sand- und Steinwüste.
Übernachten können Wanderer im Zelt, unter freiem Himmel oder sie machen von den so genannten „Pfad-Engeln“ Gebrauch, die kostenlose Unterkünfte entlang des Trails anbieten.
Je nach den persönlichen Möglichkeiten des Wanderers wird das Begehen des „Pfades“ in verschiedenen Zeitspannen geplant und durchgeführt: Eine mir bekannte Familie begeht den Trail mit Kind und Kegel in grösseren Abständen, sie legen wenn möglich eine Etappe im Monat zurück. Andere Bekannte wandern ab und zu zwei oder drei Etappen an den Wochenenden am Stück und lassen sich damit jahrelang Zeit. Den Rekord (für die alte Route von ca. 960 Kilometern) hält der israelische Abenteuerläufer Carlos Goldberg. Er lief den Trail von Nord nach Süd in 12 1/2 Tagen. Nun, an zwölf Tagen in der Reihe fast 80 Kilometer täglich zu laufen ist unbestrittenerweise sehr eindrücklich. Aber auch ich persönlich begehe den Shvil auf ganz besonders originelle Art (gezwungenermassen, da ich jeweils um acht Uhr morgens im Büro sein sollte): ich laufe Teile der lokalen Etappen 17 und 18 während meines Morgenjoggings immer und immer wieder!
Es gibt viele Gründe, den Shvil Israel zu bewandern: Weil man sich gerne aktiv betätigt und die Natur liebt. Weil man sich irgendeine Erleuchtung oder wenigstens innere Einkehr verspricht. Weil man eine besondere spirituelle Beziehung zu Israel hat und das Land mit den eigenen Füssen erforschen und erfahren möchte. Weil man Zeit und Ruhe zum Nachdenken braucht. Weil es befriedigt, etwas Grosses anzufangen, durchzuziehen und abzuschliessen, auch wenn oder gerade weil es sehr lange dauert. Weil Reisen einen kritischen Blick auf unser eigenes Dasein ermöglicht. Schnelles Reisen, im Flugzeug, oder einfach zu schnelles Hin- und wieder Zurückhüpfen, frustriert jedoch meines Erachtens eher. Unsere Seele – meine jedenfalls – kommt oft nicht mehr mit, wenn wir die natürliche Geschwindigkeit überschreiten, die der menschliche Körper ohne Motoren erreichen kann. Natürlich kann auch langsames Reisen frustrieren, zum Beispiel wenn man im Osterverkehr im Stau steht.
Na ja, wie dem auch sei – über all das und vieles mehr werde ich gründlich nachdenken, wenn ich selbst einmal den ganzen Shvil Israel begehen werde. Das habe ich nämlich vor, spätestens wenn ich meine 45 Jahre im Gefängnis des Geldverdienens werde abgesessen haben und entlassen werde. Ob mir dann beim Pilgern wohl angerechnet wird, dass ich Abschnitt 18 schon 782 mal gelaufen bin?
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