Der Blick aus dem Fenster erfolgt aus Israel, wo ich seit 1988 lebe. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Schweiz. Aus meinem Fenster blicken auch Eyal, mein israelischer Mann und meine erwachsenen, sehr israelischen Kinder, Sivan, Itay und Lianne. Die Personen sind echt, unsere Namen aber frei erfunden.
Dienstag, 25. Juli 2017
Gedanken beim Reisen
Die Schweizer scheinen grossen Wert auf die Kultivierung ihrer Freizeittätigkeiten zu legen, deshalb sind unter anderem auch die Velowege sehr sorgfältig gekennzeichnet. So düsen wir auf unserer mehrtägigen Tour fernab der Autostrassen schnell Seen und Flüssen entlang und bergauf und bergab durch Täler und Orte. Langgestreckte Ebenen wechseln sich mit hügeligen Landschaften ab, enge Täler öffnen sich und wir ziehen an hohen Bergen und Seen in unzähligen blau- und türkis-Schattierungen vorbei.
In einigen besonders ruhigen und abgelegenen Gegenden wähne ich mich auf einem fremden Planeten. Alte, dunkle Bauernhäuser aus Holz liegen verstreut auf grünen Hügeln, die Täler sind von hohen Bergen flankiert, Grillen zirpen in der Mittagshitze, es riecht nach Heu, Kühen und Käse. Die wenigen Menschen, die wir treffen, haben braungebrannte, furchige Gesichter und sprechen eine Sprache, die man ausserhalb des Tales nicht versteht. Die Veloroute führt uns an grossen und kleinen Gehöften vorbei und bei einigen dieser ruhigen Bauerndörfer packt mich die Sehnsucht, einfach dazubleiben. Bestimmt muss es hier ein paar Häuser geben, deren Besitzer auf liebevolle Nachbewohner warten. Gerne würde ich den Garten pflegen, einige Hühner halten, einfach in den Tag hineinleben und die grünen Hügel bestaunen. Genau hier, wo die Welt noch in Ordnung ist und die Medienberichte über tägliche Katastrophen nicht anzukommen scheinen.
Reisen hilft uns, einen kritischen Blick auf uns selbst und unser Leben zu Hause zu werfen. Muss ich wirklich jeden Tag wie ein Roboter zur selben Zeit aufstehen und zur Arbeit gehen? Jeden Tag unter Neonlampen in einem tristen Büro fristen, nur um ein bisschen Kohle heimzubringen um damit nutzlose Dinge zu kaufen? Muss Eyal wirklich täglich mit besserwisserischen Kunden über spitzfindige Details in ellenlangen Verträgen streiten und abends genervt nach Hause kommen? Könnte er nicht hier mit einer langen Gabel auf den Feldern das Heu wenden und sich die Sonne in den Nacken brennen lassen, während ich im Garten riesengrosse Zucchettis und süsse Tomaten züchte? Warum lebe ich in einem Land, in welchem ständig Krieg herrscht, während mir doch eigentlich hier diese Idylle zu Füssen liegt? Muss das alles sein? Wie bin ich nur in dieses Leben hineingeschlittert? Wer hat das für mich bestimmt?
Während ich durch die fremden Dörfer strample, denke ich daran, dass in jedem Häuschen unbekannte Menschen ihre ganz eigenen Leben leben. Jeder findet sich sein Nischchen, baut sich ein Leben auf, mit Familie, Freunden, Arbeit und allem was dazugehört. Dann ist er festgefahren. Sorgt sich im immer wiederkehrenden Alltag um dieses und jenes. Folgt den vorbestimmten Pfaden.
Dabei sind wir alle nur zufällig, wie gut durchgeschüttelte Würfel aus einem Becher, irgendwo auf dieses Spielbrett namens Leben gefallen. Genausogut hätten wir im Garten des Nachbars landen können, oder in einem anderen Land, einem anderen Leben. Aber warum ist es dann so schwierig, einfach aufzustehen und einen ganz anderen Weg zu gehen? Alles hinter sich zu lassen, den „Reset“-Knopf zu drücken und neu anzufangen? Warum folgen wir alle so festgefahren unserem Pfad, den wir nur mehr oder weniger bewusst gewählt haben? Machen wir uns überhaupt noch Gedanken, ob er in die richtige Richtung führt?
Wäre unsere Velofahrt nicht so rasant, würde ich hier an einige Türen klopfen, bis ich ein passendes Häuschen gefunden hätte. Und am nächsten Montagmorgen, wenn mein Vorgesetzter in den USA wie gewohnt unser wöchentliches Gespräch anwählen würde, bliebe die Leitung ruhig. Ich wäre nämlich gerade dabei, auf meinem dreihundert Jahre alten Hof im Simmental die Eier von glücklich gackernden Hühnern einzusammeln.
Samstag, 15. Juli 2017
Reise in die Schweiz
Ich habe vor, um 11:30 das Haus zu verlassen um mich rechtzeitig am Flughafen einzufinden. Leider ist das Timing denkbar schlecht und Itay, mein Soldatensohn, muss genau zur selben Zeit abgeholt werden. Er kommt nach drei Wochen Kampftraining bedauerlicherweise just an diesem Wochenende auf Urlaub, an welchem ich verreise. Meine Hoffnung, dass er wenigstens frühmorgens entlassen würde, wird leider auch enttäuscht. Es reicht gerade für ein paar Sätze und einen Kuss, dann werde ich am Bahnhof ausgeladen. Kaum im Flughafen angekommen, erreicht mich das erste Telefon: Der Kampfsoldat und sein verwöhnter Vater versuchen, die Waschmaschine in Gang zu bringen. In der Warteschlange zur Sicherheitskontrolle erkläre ich ihnen, nach welchen Kriterien man Wäsche sortiert und welche Knöpfe zu drücken sind. Das Wäschesortieren schminken wir uns aber bald ab, es ist zu kompliziert und das weisse T-Shirt wird es überleben, wenn es einmal mit den stinkenden Uniformen zusammen in der Trommel baden muss. Dank der Skizze, die ich zu Hause vorahnend hinterlassen habe, meinen zusätzlichen präzisen Erläuterungen und vereinten Bemühungen schaffen es die beiden, die richtige Temperatur zu wählen und den Hauptknopf zu drücken. Hurra! Wir waschen Wäsche!
Nach vier Stunden angenehmem Flug bin ich schon in der Schweiz. Der Bühnenbildwechsel ist frappant. Ein spektakulärer Sonnenuntergang begleitet unsere Fahrt zu meinem Heimatdorf. Am leicht bewölkten und rotgefärbten Horizont zeichnen sich die Umrisse von spitzen Kirchtürmen ab – was für ein ungewohntes Bild. Bei meinen Eltern ist alles beim Alten: Die Vögel heissen mich zwitschernd willkommen, das tiefblaue Schwimmbadwasser glitzert in der Sonne, die Beeren wachsen mit den Salatköpfen um die Wette und der Rasenmähroboter dreht stoisch seine Runden. Eigentlich der perfekte Ort, um abzuschalten. Aber vor wenigen Wochen hat der Fortschritt auch in dieser internetfreien Insel Einzug gehalten. Mein Neffe hat WLAN installiert und nun verfügen meine Eltern im ganzen Haus über perfekten Internetempfang, so dass die junge Generation weiterhin zu Besuch kommen kann, ohne sich sorgen zu müssen, dass sie für ein paar Stunden von der Welt abgeschnitten sein könnte. Für mich hingegen wird es nun schwieriger, im Urlaub abzuschalten und mich der Illusion hinzugeben, dass alles in bester Ordnung und die Erde eine Scheibe sei. Die Wirklichkeit holt mich ein. In Israel hat gerade ein dreiwöchiges Baby seinen Vater bei einem sinnlosen Attentat auf dem Tempelberg verloren. Die arabischen Terroristen wollten Juden töten, brachten aber zwei israelische Polizisten um, die muslimische Beduinen sind. Das Foto des jungen Vaters der – vor seinem zum-Himmel-schreiend sinnlosen Tod – seinen neugeborenen Sohn mit unendlicher Zärtlichkeit und Liebe in den Armen hält, macht im Netz die Runde und holt mich auch auch in diesem fast idyllischen Zipfel der Schweiz ein.
In meinem Elternhaus eingetroffen, verbindet sich mein Handy aber unerklärlicherweise nicht sofort automatisch mit dem WLAN. Warum wohl? Was mache ich falsch? Meine Schwester und ich untersuchen alle möglichen Einstellungen und Knöpfe. Aber wir gehören halt auch schon zum alten Eisen und haben nicht mehr so ganz den Durchblick.„Jetzt mach doch mal den Flugmodus aus, dann tippe auf den WLAN Knopf“, „Vielleicht das Data-Roaming ein?“, „Schau mal unter mobile Netzwerke“. Es hilft alles nichts, die Verbindung kommt nicht zustande und während wir mindestens eine Viertelstunde die technischen Einstellungen meines neuen Handys zu ergründen versuchen, schauen meine über achtzigjährigen Eltern der Unterhaltung zu, als würden wir chinesisch reden. Dann frage ich sie direkt: „Ihr habt doch jetzt WLAN, oder?“. „Ja“ sagen sie dann, „aber nicht eingeschaltet, wir brauchen es ja nicht!“
Nach vier Stunden angenehmem Flug bin ich schon in der Schweiz. Der Bühnenbildwechsel ist frappant. Ein spektakulärer Sonnenuntergang begleitet unsere Fahrt zu meinem Heimatdorf. Am leicht bewölkten und rotgefärbten Horizont zeichnen sich die Umrisse von spitzen Kirchtürmen ab – was für ein ungewohntes Bild. Bei meinen Eltern ist alles beim Alten: Die Vögel heissen mich zwitschernd willkommen, das tiefblaue Schwimmbadwasser glitzert in der Sonne, die Beeren wachsen mit den Salatköpfen um die Wette und der Rasenmähroboter dreht stoisch seine Runden. Eigentlich der perfekte Ort, um abzuschalten. Aber vor wenigen Wochen hat der Fortschritt auch in dieser internetfreien Insel Einzug gehalten. Mein Neffe hat WLAN installiert und nun verfügen meine Eltern im ganzen Haus über perfekten Internetempfang, so dass die junge Generation weiterhin zu Besuch kommen kann, ohne sich sorgen zu müssen, dass sie für ein paar Stunden von der Welt abgeschnitten sein könnte. Für mich hingegen wird es nun schwieriger, im Urlaub abzuschalten und mich der Illusion hinzugeben, dass alles in bester Ordnung und die Erde eine Scheibe sei. Die Wirklichkeit holt mich ein. In Israel hat gerade ein dreiwöchiges Baby seinen Vater bei einem sinnlosen Attentat auf dem Tempelberg verloren. Die arabischen Terroristen wollten Juden töten, brachten aber zwei israelische Polizisten um, die muslimische Beduinen sind. Das Foto des jungen Vaters der – vor seinem zum-Himmel-schreiend sinnlosen Tod – seinen neugeborenen Sohn mit unendlicher Zärtlichkeit und Liebe in den Armen hält, macht im Netz die Runde und holt mich auch auch in diesem fast idyllischen Zipfel der Schweiz ein.
In meinem Elternhaus eingetroffen, verbindet sich mein Handy aber unerklärlicherweise nicht sofort automatisch mit dem WLAN. Warum wohl? Was mache ich falsch? Meine Schwester und ich untersuchen alle möglichen Einstellungen und Knöpfe. Aber wir gehören halt auch schon zum alten Eisen und haben nicht mehr so ganz den Durchblick.„Jetzt mach doch mal den Flugmodus aus, dann tippe auf den WLAN Knopf“, „Vielleicht das Data-Roaming ein?“, „Schau mal unter mobile Netzwerke“. Es hilft alles nichts, die Verbindung kommt nicht zustande und während wir mindestens eine Viertelstunde die technischen Einstellungen meines neuen Handys zu ergründen versuchen, schauen meine über achtzigjährigen Eltern der Unterhaltung zu, als würden wir chinesisch reden. Dann frage ich sie direkt: „Ihr habt doch jetzt WLAN, oder?“. „Ja“ sagen sie dann, „aber nicht eingeschaltet, wir brauchen es ja nicht!“
Mittwoch, 5. Juli 2017
WMDEDGT 07/2017
10:00
Omelette, Rührei oder Pfannkuchen? Geräucherter Lachs, Thunfisch oder Salzhering? Salat- oder Früchtebuffet? Verschiedene Käsesorten, Joghurt, Butter, Kuchen, Croissants, Brot - die Auswahl ist unendlich.
Ach, welch ein Dilemma am Frühstücksbuffet! Am liebsten würde ich den ganzen Tag im Esszimmer verbringen und schlemmen. Ich fange erst mal ganz solide an. Dann noch ein bisschen von Diesem, ein wenig von Jenem... Aber zum Glück bin ich ja auch noch morgen hier, dann werde ich die Speisen probieren können, auf die ich heute wegen begrenztem Fassungsvermögen verzichten muss.
Diesen Beitrag schreibe ich als Antwort auf Frau Brüllen‘s Aufruf zum Tagebuchbloggen. Sie fragt auf ihrem Blog "Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?" (WMDEDGT) und da muss ich natürlich heute unbedingt dabei sein. Endlich einmal ein Tag, an dem ich nicht von 8 bis 17 Uhr vor dem Rechner sitze und virtuelle Dokumentenstapel abarbeite. Hurra, ich bin im Urlaub!
Wie schon öfter mache ich Tauchferien in Eilat. Und das, obwohl ich von Eilat wirklich langsam die Nase voll habe. Es ist eine schreckliche Stadt, die zwar an einem wunderschönen Ort liegt, aber mit Hotelblöcken verbaut und von lärmenden Menschen überlaufen ist, so dass man die schöne Landschaft rund um den Golf von Akaba eigentlich nur noch erahnen kann. Und dann die Hitze – rund um den Tag fühlt es sich an, als würde eine unerbittliche unsichtbare Macht die Stadt mit einem Riesenhaartrockner auf höchster Hitzestufe befönen. Die Gluthitze ist unerträglich und deshalb spielt sich das ganze Leben in klimatisierten Räumen ab. Oder im Wasser.
Auch ich bin zum Tauchen da, obwohl Eilat auch für Taucher keine Traumdestination mehr ist. Der Tauchtourismus hat die einst vielfältige Unterwasserwelt ruiniert, nur wenige Korallen sind verblieben und auf jedes klitzekleine Fischchen kommen geschätzte zehn Taucher. Ausserdem grüssen mich die Fische hier schon schon beim Namen, denn ich komme jedes Jahr wieder, während ich von Tauchferien auf den Malediven träume. Die paar Tage im Hotel in Eilat sind von meinem Arbeitgeber subventioniert und das ist zwar sehr verwöhnend – für Urlaub auf den Malediven reicht das Budget der Firma aber leider nicht. Und mein privater Geldbeutel leider noch viel weniger.
Ferienstimmung kommt aber trotzdem auf - ich geniesse das Nichtstun und es ist einfach wunderbar, in den Tag hinein zu leben, an nichts denken zu müssen und nur zu tun, wonach ich gerade Lust habe, ohne mich um die Wäsche oder die Küche zu kümmern.
12:00 Den ersten Tauchgang kann ich leider nicht so recht geniessen, denn meine Tochter Lianne taucht mit uns und so muss ich gluckenhaft immer nach ihr schauen, vor allem weil sie erkältet ist und ihre Ohren schmerzen.
13:30 Erfrischende Wassermelone am Hotelpool. Es ist zu heiss. Ich muss dringend wieder ins Wasser.
15:00 Zweiter Tauchgang, nun ohne Lianne. Ich vergesse mich sofort in Schwärmen von farbigen Fischen und geniesse die Ruhe und Schwerelosigkeit unter Wasser. Wir sichten einen Tintenfisch und einen besonders fetten „Steinfisch“, der, wie sein Name verrät, kaum von einem grossen Stein zu unterscheiden ist.
16:30 Eyal und ich sitzen auf der Hotelterrasse mit einem kühlen Drink, schauen dem Treiben am Pool zu und bedauern die Eltern, die sich um ihre lärmenden kleinen Rotzkinder kümmern müssen.
Ha, ha, wie gut es uns doch geht!
19:00 Erneutes Dilemma im Speisesaal, aber immerhin nicht so schlimm wie beim Frühstück, denn das Morgenessen ist meine Lieblingsmahlzeit.
20:30 Wir schauen uns die Show „Wow Splash“ an. Sie ist nicht gerade ein kulturelles Highlight, aber immerhin unterhaltsam und lustig, mit einigen sehr talentierten Akrobaten und Künstlern. Vor allem der italienische Clown bringt das Publikum ausnahmslos zum Lachen.
22:30 Als wir die Aufführung verlassen, ist es draussen immer noch über 40 Grad heiss.
23:00 Wir essen eine kühlende Kalorienbombe und fahren dann schnell zurück ins klimatisierte Hotel. Gute Nacht!
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