In der Kommentarspalte auf Instagram, in der ich mich gegen Dieter Hallervordens "Lied" geäussert habe, antwortet mir jemand aus Deutschland: "in Gaza sind 12,300 Kinder ermordet worden. Bitte mach deine Augen auf!"
Mach die Augen auf – schreibt man mir aus Deutschland, als wäre es hier in Israel überhaupt möglich, die Augen auch nur einen Augenblick vor all dem übermächtigen Elend und den Tragödien zu verschliessen.
Mit meinen leider sehr weit geöffneten Augen sehe ich vor allem 133 Brüder und Schwestern, die in Gaza festgehalten werden und unendlich viele unfassbar tragische Schicksale von zerstörten Familien.
In der vergangenen Woche ist der Tod von zwei weiteren jungen Menschen bestätigt worden, die seit dem 7. Oktober vermisst waren. Immer wieder offenbart sich der abgrundtiefe Schrecken des Massakers. Junge Menschen wurden beim Besuch eines Musikfestivals von den Terroristen verkohlt, sodass fast keine Überreste der Leichen übrig blieben. Mehr als ein halbes Jahr waren die Angehörigen in Ungewissheit über das Verbleiben ihrer Kinder und erst jetzt konnte der Tod dieser zwei Menschen, deren unkenntliche Reste fälschlicherweise mit anderen Leichen begraben wurden, bestätigt werden.
Gestern wurde auch der Tod einer weiteren Geisel belegt, Dror Or, der Vater der Kinder Noam und Alma, die vor einigen Monaten nach 51 Tagen Gefangenschaft aus der Terror-Hölle freikamen. Das Haus der Familie im Kibbutz Be'eri wurde am 7. Oktober in Brand gesteckt, worauf die Familie mit den zwei Kindern gezwungen war, den Schutzraum zu verlassen. Die Mutter Yonat wurde wenige Tage später ermordet aufgefunden. Die entführten Kinder wussten während ihrer Gefangenschaft nicht, dass ihre Mutter nicht mehr lebt. Eine weitere Tochter war an dem schicksalsträchtigen Tag nicht zu Hause und entkam dem Massaker. Da es vom Vater Dror kein Lebenszeichen gab, hofften die drei Geschwister und die Angehörigen bis gestern, dass er lebend unter den Entführten sei. Nun hat ein Expertenkomitee bestätigt, dass auch er am 7. Oktober ermordet wurde und seine Leiche nach Gaza entführt.
Besonders erschüttert mich die Nachricht über das von der Hamas vor einer Woche veröffentlichte Propagandavideo des verschleppten Hersh Goldberg-Polin. In dem Clip sieht man den 24-Jährigen mit geschorenem Kopf, er ist leichenblass, da er vermutlich seit seiner Entführung kein Tageslicht gesehen hat. Am linken Arm fehlt die Hand. Es war das erste Lebenszeichen von Hersh seit 201 Tagen.
Am Tag des Erscheinens des Videos telefoniere ich mit meinem neunzigjährigen Vater in der Schweiz. Er erzählt von seinen gesundheitlichen Gebrechen, welche, seinem Alter entsprechend, mannigfaltig und wirklich nicht angenehm sind. Aber ich kann nur an eines denken:
Wenn du nicht ein Kind hast –
das mit Freunden ein Festival besucht und dann ein halbes Jahr verschollen ist, du von Augenzeugen hörst, dass es an dem Massaker schwer verletzt wurde, aber nicht weisst, ob es lebt oder nicht und es dann nach 201 endlosen Tagen endlich auf einem Video aus der Hölle siehst, mit verstümmeltem Arm, und du dir nicht vorstellen magst, wie es ihm mit den Verletzungen, dem Trauma und der Todesangst in Gefangenschaft geht und ob du es je wieder in die Arme nehmen wirst
– dann hast du gar nichts.
Es tut mir leid. Was hat dieses nicht endende Grauen mit mir gemacht? Mein Mitleid ist erschöpft. Ich bin abgestumpft. Ich muss mir diesen Panzer aufsetzen. Ich kann einfach nicht mehr.
So folgen bei uns die Schläge, Tag auf Tag, schon 209 Tage.
Was die "12,300 ermordeten Kinder" in Gaza anbetrifft – niemand weiss, wie viele Tote es in Gaza wirklich gibt. Die Zahlen sind gelogene Angaben der Hamas. Wie dem auch sei, seien es 50, 500, 5'000 oder 50'000 Tote: Wer eine Bande von skrupellosen Mördern und Terroristen als Regierung wählt, sollte sich nicht wundern, wenn der Schrecken eines Tages nicht nur bei den Nachbarn, sondern auch an die eigene Tür klopft.
1 Kommentar:
Der Westen hört weder das Klopfen, noch wird er das Hämmern wahrnehmen. Voraussichtlich wachen wir hier auf, wenn die Tür eingetreten wird. Es ist deprimierend. Und äusserst beschämend.
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