Donnerstag, 19. Dezember 2019

Achtzehn

Als ich mich heute nach dem Morgensport und der Dusche in der Firma anziehe, fische ich mit Schrecken eine Jeans meiner Tochter aus der am Vorabend gepackten Sporttasche. Keine Ahnung, wie das Stück in meinen Schrank gelangt ist, aber nun bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als es anzuziehen. Die Jeans passt mir zwar in der Grösse, aber – auf dem rechten Knie prangt ein grosses ausgefranstes Loch! Nun ist eine helle Jeans an sich schon nicht mit dem Büro-Knigge vereinbar, aber eine Löcherjeans ist ein absolutes No Go! Ich ziehe die Jeans ungläubig an. Zum Glück habe ich in meiner Handtasche einen Notfallfaden und Nadel. Damit werde ich später das Loch aufs Ärgste zusammenschnürpfen. 

Dann wird im Radio, als ich vom Gebäude, in welcher sich die Dusche befindet, zum Hauptparkplatz fahre, das Lied „Just the two of us“ von Grover Washington Jr. abgespielt. Das passt zur Jeans! Heute will mich mein Schicksal jung halten. Ich drehe sofort die Lautstärke auf und fange im Sitzen an zu tanzen. Ich liebe diesen Song und er wird für immer Erinnerungen an geschwänzte Französisch-Stunden während meiner Gymi-Zeit hervorrufen. Unser Fussweg vom Bahnhof zum Gymnasium führte in Basel am Atlantis vorbei und die Versuchung, dort am Morgen bei einem Kaffee noch etwas zu verweilen und mit dem Kellner zu schäkern, anstatt beim Franz-Unterricht mit dem Schlaf zu kämpfen, war oft zu gross. Das Lokal stank am Morgen zwar nach abgestandenem Rauch, aber das war uns egal: Kaffee, ein Gipfeli, eine Münze in die Jukebox und immer dasselbe Lied: Just the two of us, we can make it if we try.... Der Französischlehrer konnte uns erst mal für eine Weile gestohlen bleiben.

Ich habe den Parkplatz schon lange erreicht, bleibe aber sitzen und geniesse die Musik. Ich lasse mein blankes Knie frech aus der Löcherjeans blitzen, schliesse die Augen und bin für einige Minuten wieder achtzehn Jahre alt.

Dann stehe ich auf, ziehe die Jeans über dem Knie notdürftigst zusammen, schüttle die jugendliche Aura ab und schreite mit ernster Miene auf das Bürogebäude zu, um dort den heutigen Tag in Angriff zu nehmen.


Donnerstag, 5. Dezember 2019

Karambolage und Karambola

Wer sich mit jungen Menschen umgibt, rostet nicht. Man bleibt gezwungenerweise spontan. Meine drei Lieblinge sind schon fast flügge, aber ich schätze es, meine geistige Mobilität weiterhin auf Trab zu halten – obwohl die oft ins Absurde gipfelnden Spontansituationen manchmal recht viel von mir abverlangen.

Seinen misslungenen Anfang nimmt dieser Tag eigentlich schon mitten in der Nacht. Es regnet!, ruft Eyal und ich schrecke aus dem Tiefschlaf. Tatsächlich, starker Regen prasselt auf das Vordach, und da es dieses Jahr noch kaum geregnet hat, ist das wohl ein plausibler Grund, mich zu wecken.
Die Wäsche! Die Sorge um die Wäsche lässt mich in einer knappen Sekunde zum Balkon rasen. Nun stehe ich nachts um zwei im Pyjama im Regen und versuche, die Hosen und T-Shirts zu retten. Aber jeder Rettungsversuch kommt zu spät. Alles ist nass. Ich resigniere und krieche schnell wieder unter die warme Decke, bin nun aber hellwach und kann nicht mehr einschlafen. Meine Gedanken fahren Achterbahn und sind nicht zu bremsen. Erst als ich nach mehr als einer Stunde einige Seiten lese, nicke ich endlich wieder ein.

Nach dieser verpfuschten Nacht belohne ich mich am Morgen mit einem gemütlichen Frühstück. Zum Glück habe ich schon gestern geplant, diesen Morgen zuhause zu verbringen, mich um den vernachlässigten Haushalt zu kümmern und erst am Mittag ins Büro zu fahren.

Eyal hilft mir noch schnell, den voll behängten Wäscheständer ins trockene Haus zu tragen, dann muss er auf den Bus, um den Zug zu erreichen. Gerade jetzt klingelt im unteren Stock mein Handy. Seltsam... So früh am morgen ruft mich kaum jemand an, vor allem, wenn (fast) alle Familienmitglieder zu Hause sind. Nur Lianne, die erst vor wenigen Monaten die Fahrprüfung bestanden hat, ist mit dem Auto unterwegs zur Schule. Natürlich schiessen mir sofort Schreckgedanken durch den Kopf, aber das Handy liegt nun einmal unten und ich balanciere im oberen Stock gerade einen triefenden Wäscheständer von Zimmer zu Zimmer und somit bleibt der Anruf unbeantwortet. Kurz darauf klingelt Eyals Handy. Er steht schon in der Türe. Ich horche auf. Wer ist am Apparat? Wie befürchtet – es ist Lianne. Jemand hat sie auf der Strasse angefahren. Sie klingt aufgeregt, ist aber unversehrt, ebenso die Kolleginnen. Das Auto? Ja, es hat eine ordentliche Beule, aber es fährt. Sie muss jetzt schnellstens weiter, meint sie, sonst kommt sie zu spät zur Schule. Nein! ruft Eyal unmissverständlich ins Telefon, du kannst nicht mit einem eben angefahrenen Auto einfach weiterfahren!

Ich befürchte, dass mein gemütliches Frühstück nun abrupt zu Ende sein könnte und trinke eiligst noch einen kräftigen Schluck Kaffee. Dann fahren Eyal und ich los, um Lianne zu treffen und den Schaden zu begutachten. Die Beule ist beträchtlich, die Stossstange verbeult, der Scheinwerfer zerbrochen, die Motorhaube eingestaucht, irgendetwas scheppert. Aber es fährt!, insistiert Lianne und versteht absolut nicht, warum sie nicht zur Schule fahren kann. Erst als eines der drei Mädchen die Erlaubnis der Eltern erhält, mit ihrem Auto zu fahren, lässt sie von uns ab. Eyal, der unterdessen den Bus verpasst hat, disponiert seine Besprechungen für diesen Morgen um und fährt den Wagen in die Garage.

Zu Hause lese ich meine Mails durch, dann mache ich mich ans Kochen. Im Moment ist zwar nur noch Sivan da, aber bestimmt werden am Nachmittag, wenn ich im Büro bin, alle wieder hungrig zu Hause eintreffen. Ausserdem sollte ich die Dusche putzen, das ist für mich immer ein guter Grund zum viel kreativeren Kochen. Als zwei Stunden später drei Töpfe mit heissen Gerichten auf dem Herd stehen, taucht Sivan auf, die heute ihren studienfreien Tag hat. Sie schnuppert etwas in der Küche herum, meldet sich dann aber ab – sie geht mit Freundinnen ausgiebig frühstücken. Ein Esskandidat weniger!

Zum Putzen ist es nun schon etwas spät, also wische ich im Badezimmer nur den ärgsten Dreck weg. Das kombiniere ich gleich mit einer Dusche, denn es geht auf Mittag zu und ich sollte bald im Büro sein. Als ich gedankenverloren das Haar shamponiere, klingelt im Schlafzimmer erneut mein Handy. Nicht schon wieder! Bitte keine weiteren Katastrophen mehr! Doch ich habe mein Haar noch nicht fertig gewaschen, als es abermals klingelt. Besorgt begebe ich mich – ohne mich abzutrocknen – ins Schlafzimmer und hinterlasse dabei ein kleines Rinnsal. Lianne ist am Telefon. Unerwarteterweise ist sie unten an der Türe und hat keinen Schlüssel, weil sie diesen mit dem Wagen Eyal überlassen hat. Ich schreie ins Telefon, dass ich unmöglich nackt und mit Shampoo auf dem Kopf die Türe öffnen kann. Dann hänge ich auf und dusche weiter. Beim Einseifen singe ich, um das wiederholte und sehr energische Pochen im unteren Stock nicht zu hören. Nun, ich werde diese Dusche wohl kurz halten müssen. Während das Pochen an der Türe lauter wird, spüle ich im Eilverfahren Seife und Shampoo ab, wickle mich schnell in ein Frottiertuch ein und produziere ein weiteres Bächlein über die Treppe und durch das ganze Haus nach unten. Kurz bevor sie zu bersten droht, öffne ich die Türe und Lianne stürmt verärgert herein. Sie schreit mich an, dass ihre Freundinnen warten und dass es eine Frechheit sei, sie so lange draussen stehen zu lassen. Ja, sie sind von der Schule getürmt, denn dort gab es heute nur langweilige Vorträge. Na wunderbar – dieser Tag wäre uns einiges billiger gekommen, hätte sie das am Morgen um acht schon gewusst! Sie eilt in ihr Zimmer, kramt ihre Geldbörse hervor und stürmt an mir vorbei. Tschüss, ruft sie, wir gehen Pizza essen! In der Küche steckt sie noch schnell ihre Nase in einen der Töpfe und scheint eine Sekunde lang zu zögern. Dann rauscht sie davon.

Da stehe ich begossener Pudel nun, verärgert über die Wasserpfützen und frustriert, weil ich vergebens gekocht habe. Ja, so ist das bei uns: entweder ist der Kühlschrank leer und alle pilgern hungrig um den kalten Herd, kaum dass ich aus dem Büro komme oder ich koche mit Hingabe und alle sind aus irgendeinem Grund schon satt. Es geht einfach nie auf.

Ich reibe mich und die Dusche trocken. Während ich mich anziehe, ertönt aus der Küche Mädchengelächter und das Scheppern von Geschirr...


Jemand offeriert in der Büroküche frische Karambola aus eigenem Anbau


Donnerstag, 15. August 2019

Ferien für Ältere

Eines der Privilegien, die man wieder zu schätzen weiss, wenn die Kinder älter werden, ist die Freiheit, Urlaub zu machen, wann immer man will und vor allem, ohne die Schulferien zu berücksichtigen. Die Sommerferien sind in Israel viel zu lang: acht Wochen für die Unterstufe und zehn Wochen für Mittel- und Oberstufe. Das ist insbesondere äusserst unpraktisch, da in fast allen israelischen Familien beide Elternteile meist Vollzeit arbeiten.

Im Juli, sofort mit Ferienanfang, werden die Kinderlein in alle nur erdenkbaren Ferienprogramme gesteckt. Danach werden die Grosseltern eingespannt. Oder die Eltern wechseln sich ab und machen den Spagat zwischen Arbeit und Kinderbetreuung. Und dann, wenn alle Stricke reissen, wenn alle Betreuungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind bis zum geht nicht mehr, wenn die Grosseltern vor Erschöpfung nicht mehr ans Telefon und die Kinder vor lauter TV-, PC- und Handy-Konsum die Wände hochgehen, dann verreisen in den letzten zwei bis drei Augustwochen fast alle israelischen Familien irgendwohin ins Ausland. 

Meine Arbeitskollegin verreist erst nächste Woche.
Bis dann turnen die Kinder im Flur und zwischen den Büros herum...
Jetzt werden die sonst immer überall verstopften Strassen von Tag zu Tag leerer. An der Arbeit bleibt es in den Fluren und den Büros gespenstisch ruhig. Die Läden sind leer. Die Innenstädte flimmern vor Hitze und wirken ausgestorben wie amerikanische Western-Kaffs nach dem Goldrausch.

Am Ben-Gurion Flughafen aber herrscht das Chaos. Tausende Menschen reisen stündlich ein und aus. Als an einem Tag dieser Woche das Gepäcksortiersystem ausfällt, wird der Flughafen zum Super-GAU. Ein Durcheinander von Kindern und Koffern, soweit das Auge reicht! Im Internet kursieren Videos von Kinderscharen, die auf dem Spannteppich im Terminal zwischen Gepäckstapeln Fussball spielen, während die Eltern und das Personal stundenlang verzweifelt Koffer und Taschen zusammensuchen.  

In Israel ist umweltbewusstes Weniger-Fliegen noch nicht aktuell. Kein Wunder, denn Urlaub im Inland käme für eine mehrköpfige Familie meist teurer zu stehen als im Ausland. Und dann natürlich die Bruthitze, die von Tag zu Tag unerträglicher wird! Hier gibt es keine kühlenden Berge und Seen – deshalb muss es eine Auslandreise sein.



Und ich? Ich bleibe da! Und ich fahre hin, wo mein Herz begehrt, zu jeder Tageszeit, ohne über mögliche (oder eher ziemlich wahrscheinliche) Staus nachzudenken, wie an den übrigen 50 Wochen im Jahr. Ich kann mich endlich sogar zwischen 7 und 8 Uhr morgens auf die Strasse wagen und bin trotzdem sensationelle zwölf Minuten später schon im (ruhigen) Büro. Die Strassen gehören mir! DAS sind Ferien!

Montag, 1. Juli 2019

Einmal Reis für Hundert Personen bitte

Unsere Jüngste verbringt zehn Tage im Pfadfinder-Sommerlager und wir melden uns, wie viele andere Eltern, freiwillig zum Helfen. Wir ergattern die beliebte Wochenendschicht (8 Stunden) und finden uns am Samstag kurz nach Mittag im Lager ein. Dieses findet unter freiem Himmel statt, denn regnen wird es zu dieser Jahreszeit mit absoluter Sicherheit nicht. Schatten ist hingegen in der Julihitze unbedingt notwendig und deshalb wird die Pfadfinderlagerstadt für die etwa 4000 Pfadfinder in einem lichten Wäldchen aufgebaut. In dem Wäldchen gibt es keine permanenten Gebäude, alles wird aus Pfählen, Seilen und Planen auf- und nach einer Woche wieder abgebaut. Nachdem wir das Haupteingangstor und die entsprechende Sicherheitskontrolle passiert haben, konsultieren wir den mehrfarbigen Plan mit der Aufteilung des Lagers in Sektoren. Der verhältnismässig kleine Stamm unseres Dorfes mit nur knapp 200 Mitgliedern liegt im Wald zuhinterst rechts – zum Glück gibt es ein Shuttletaxi!

An diesem ersten Wochenende befinden sich nur die älteren Zöglinge im Wald, welche das Lager aufbauen. Erst ab Montag treffen die jüngeren Kinder in das fertige Lager ein. Heute gleicht der Wald einem Ameisenhaufen: Überall krabbeln hunderte von Jugendlichen umher. Sie arbeiten mehr oder weniger fleissig inmitten von Bergen von Pfählen und halbfertigen Gebäuden. Als Aussenstehender ist es schwer erkenntlich, ob das Durcheinander hier irgendeinem System folgt, aber erstaunlicherweise steht und funktioniert das Lager mit all seinen Ökonomiegebäuden (Schlafsektor, Duschen, Esssektor, Küche, Spital, etc) nach mehreren Tagen intensiver Aufbauarbeit.


So wie die hier fotografierte Krankenstation sehen auch die Schlafzelte aus. Um das Ganze noch etwas kniffliger zu machen, liegt das Wäldchen an einem Abhang, so dass sehr gut geplant werden muss, wenn man beim Schlafen nicht im Schlafsack den Berg hinunter rollen will. Die Toitoi Toilette zum Beispiel, die ich bald einmal betreten muss, ist nicht sehr gut geplant: das Ding schaukelt bei jeder Bewegung und die bestialisch stinkende Masse im Loch schwappt bedrohlich von Seite zu Seite. Ich ergreife die Flucht und finde ein anderes WC, das auf ebenerem Gelände steht. Auch hier machen die Hitze und die Fliegen den Aufenthalt unerträglich und als ich die Toilette verlasse, empfinde ich die „frische“ Luft draussen trotz brütender Mittagshitze von über 30 Grad als angenehm kühlend.

Als wir eintreffen, steht immerhin die Feldküche – ebenfalls unter freiem Himmel – schon komplett und ist in Betrieb, denn essen müssen die fleissigen Arbeiter. Wir, sechs Erwachsene, werden zum Küchendienst eingeteilt. Für mich ist dies der erste Aufenthalt in einem Pfadilager und ich bin am Ende des Tages sehr überrascht, wie improvisiert hier alles ist. Trotzdem funktioniert alles irgendwie, anfallende Probleme und Zwischenfälle werden spontan und kreativ gelöst. So bin ich nun zum Beispiel umgehend für das Kochen der Madschadara (Reis mit Linsen) zum Abendessen zuständig, weil ich bei der Frage, wer kochen kann, nicht schnell genug weggeschaut habe. Ich weiss zwar wie man Reis kocht – aber für 100 Personen? Die anderen anwesenden Helfer behaupten aber, überhaupt nicht kochen zu können, deshalb hacken sie Zwiebeln und schnippeln Salat, spülen Geschirr und Pfannen, geben Essen aus und räumen Abfall weg. Ausserdem flicken sie den stotternden Kühlschrank, die immer wieder aussetzenden Ventilatoren und begleiten Kinder mit leichten Verletzungen, Mückenstichen oder Hitzschlägen in die Krankenaufnahme.


Nun denn – an die Arbeit! Reis mit Linsen für 100 Personen... Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich diese Mengen berechnen soll, aber der Gatte, der zwar nicht Kochen, aber ein bisschen Rechnen kann, hat schon ohne zu Zögern mehrere Kilopakete Reis und Linsen geöffnet, während ich noch immer irgendwie die Mengen einzuschätzen versuche. Auf offenem Gasfeuer und in einem Topf, der etwa so gross ist wie ich selbst brate ich Unmengen von Zwiebeln an und gebe dann die vorher eingeweichten Linsen und den Reis dazu. Weil der Topf jetzt zu zwei Dritteln voll ist wird das Rühren fast unmöglich und bald riecht es nach Angebranntem. Ich überspringe also spontan die Phase des Dünstens und gebe Wasser hinzu. Aber wieviel Wasser? Nachdem ich einige Krüge abgezählt habe, wird mir klar, dass hier zählen sinnlos ist und ich spritze das Wasser direkt mit dem Schlauch in die Pfanne. Dann noch Salz. Wieviel Salz? Keine Ahnung! Weil die Reis/Linsenmasse zu schwer ist und die untere Hälfte des Topfes ja sowieso nicht mehr umgerührt werden kann, kommt es jetzt auf ein bisschen mehr oder weniger auch nicht mehr an. Nun noch etwas mehr Wasser. Und noch ein bisschen Salz. Und dann bleibt nur noch beten! Bald köchelt es und eine knappe Stunde später ist der Reis gar und schmeckt gar nicht so schlecht. Jedenfalls die obere Schicht im Topf, was weiter unten los ist, werden wir hoffentlich gar nie in Erfahrung bringen...

Die "Küche"
Timing ist ein Fremdwort in einem israelischen Pfadilager. Weil unterdessen der Kuchen im Ofen viel länger braucht, als eingeschätzt, bleibt der Reis jetzt erst einmal stehen, bis die vorgekochten aber noch tiefgefrorenen Hühnerbrüste aufgewärmt werden können. Aber schlussendlich stehen die Töpfe mit angebranntem Reis, teilweise aufgewärmtem Fleisch, Salat mit Ameisen und versalzener Tehini auf der Ausgabe. Zum Dessert gibt es Schokoladekuchen aus einem Riesenblech, der auf der einen Seite nur wenige Millimeter hoch und verbrannt und auf der anderen Seite sechs Zentimeter hoch und noch nicht durchgebacken ist, entsprechend der abfallenden Lage des Ofens im Gelände. Aber den hungrigen Jugendlichen, die jetzt aus allen Ecken des Waldes eintreffen, schmeckt es!

Am Ende des Tages verstehe ich, dass das ganze Lager genau so abläuft wie diese Mahlzeit: Pi mal Handgelenk. Eine Welt, die von Kindern regiert und von wenigen Erwachsenen einigermassen in Schach gehalten wird. Kaum etwas ist geplant, aber alles funktioniert. Zwei Wochen später ist der Wald wieder sauber und leer. Alle fahren um einige Erfahrungen reicher nach Hause und wenn das Lager ohne grössere Zwischenfälle verlaufen ist, ist das Ziel erreicht und alle sind glücklich.

Zum Tagesabschluss: Sonnenuntergang am Waldrand

Sonntag, 12. Mai 2019

Die Fast-Gipfelbesteigung



Nickerchen im windgeschützten Winkel
Unsere letzte grosse Wanderung liegt schon mehr als eine Woche zurück, weil sie aber sehr abenteurlich und eindrücklich war, möchte ich doch noch darüber berichten und einige Fotos hochladen. 

Die Besteigung der Kreuzfahrerburg Nimrod in den Bergen von Galiläa, im Norden Israels am ersten Wandertag verläuft angenehm. Vielleicht etwas zu angenehm, so dass es plötzlich zu spät wird und wir den zweiten Teil der Wanderung auf den nächsten Tag verschieben.
Wir – eine Gruppe von etwa 30 Wanderern, inklusive einem dreiköpfigen Leiterteam – sind heute 14 km gegangen.












Jetzt gibt es eine heisse Suppe und dann sitzen wir um das Feuer, auf welchem ein grosser Eintopf vor sich hinköchelt. Jemand hat eine Gitarre mitgebracht, wir singen und trinken Wein.



Diese Aussicht vom "Bett" ist eine schlaflose Nacht wert
Die Übernachtung im Zelt ist, wie nicht anders erwartet, eine Katastrophe. Trotz Heuschnupfenmedikament ist meine Nase total verstopft sobald ich mich hinlege. Wenigstens ist mir nicht kalt, ich schliesse aber trotzdem die ganze Nacht kein Auge und zähle die Minuten bis zum Morgengrauen.

Am Morgen ist die Qual aber schnell vergessen – Schlaf ist für Schwächlinge! Stehend kann ich jetzt auch wieder atmen und ich ziehe vor dem Morgenkaffee los, um die Umgebung im Licht der aufgehenden Sonne zu fotografieren.






Bewölkter Sonnenaufgang

Am zweiten Tag machen wir uns an den Streckenabschnitt, der eigentlich für gestern geplant war und wandern in der Schlucht des Hazur-Flusses. Der Fluss mit seinem klaren kalten Wasser und den felsigen Becken erinnert an die Verzasca in der Schweiz, nur ist die Schlucht hier viel enger. Weil es im Winter ausgiebig geregnet hat und der Schnee auf dem Hermonberg immer noch schmilzt, führt der Fluss verhältnismässig viel Wasser und das Tal grünt und blüht in allen Farben.

Eine Wanderkollegin bricht sich beim Klettern auf den felsigen Pfaden den Knöchel, sie wird von einem Rettungsteam abtransportiert und so verzögert sich das Tagesprogramm um eine weitere lange Stunde. Gute Besserung!

Erst um die Mittagszeit, viel später als geplant, beginnen wir den Aufstieg auf den Hermonberg, den höchsten Berg Israels, dessen Gipfel auf 2,200 m wir eigentlich bis um 15 Uhr hätten erklimmen müssen, um mit dem letzten Sessellift gemütlich wieder die Talstation zu erreichen. Unser Wanderleiter lässt sich aber nicht so leicht aus der Ruhe bringen, er improvisiert spontan einfach weiter, ganz nach dem abenteurlichen Motto, dass sich immer irgendeine Lösung findet. In diesem Sinne kraxeln wir nun im Affentempo den Berg hoch. 

Das Mittagessen lassen wir aus. Als es schon 15 Uhr ist, sehe ich die nebelumhangene schneebedeckte Bergspitze immer noch in weiter Ferne. Nur nicht nachdenken! Weiterklettern! Nach zwei Stunden Aufstieg scheidet etwa ein Drittel der Gruppe aus und schlägt eine Abkürzung zur Talstation des Sesselliftes ein, wo der Bus auf uns wartet. Eyal und ich klettern mit dem Rest der Gruppe weiter. Nach einer weiteren Stunde mag aber einer von uns beiden – ich nenne keine Namen – nicht mehr. Er schwitzt und keucht und bleibt nach jedem Schritt immer länger stehen. Wie weit der Gipfel noch entfernt ist, können wir nicht mehr sehen, er liegt im Nebel. Ich bin auch ziemlich kaputt, aber mehr noch als der weitere Aufstieg gibt mir der Abstieg zu denken. Denn das gibt wabbelige Knie. Und je höher hinauf, desto weiter würden wir hinunter klettern müssen. Der letzte Sessellift ist schon lange ohne uns abgefahren.

Das Gebiet, in welchem wir uns nun befinden, ist wegen der Nähe zur Grenze unter strengster Kontrolle der israelischen Armee und darf ab 16 Uhr nicht mehr betreten werden. 
16 Uhr ist aber schon längst vorbei und der Gedanke, dass wir uns nun im Radar des Militärs befinden, ist auch nicht gerade beruhigend.
Als wir auf ein Strässchen treffen, geben Eyal und ich auf und machen uns mit zwei weiteren Wanderern etwa eine Stunde vor dem Gipfel an den Abstieg.




Wir treffen ein seltenes Exemplar einer einköpfigen Doppelkuh

Die furchtlosen Wanderkollegen, die trotz allem weiterklettern, werden dann auch wenige hundert Meter vor Erreichen des Gipfels vom Militär abgefangen. Der erboste Kommandant ist nicht gewilligt, den unerlaubten Aufenthalt der Wanderer weiter zu dulden. Als Eyal und ich gerade mit wackelnden Knien an der Talstation eintreffen, bekommt unser Bus eine Sondergenehmigung, mit Militärbegleitung ins Sperrgebiet und auf den Gipfel zu fahren, um die verspäteten Wanderer dort oben abzuholen.


Nur die Hälfte der Gruppe hatte es geschafft, den Gipfel zu erreichen, darunter der Leiter und sein Team, eine Triathlonistin, ein Marathonläufer und einige weitere Wanderer mit übermenschlichen Kräften.

Aber, der Leiter hatte recht gehabt – irgendeine Lösung gibt es immer.

Donnerstag, 2. Mai 2019

Ein bescheidener Sieg

Wie jedes Jahr wiederholt sich in Israel eine Woche vor dem Unabhängigkeitstag der Holocaust-Gedenktag. Im Fernsehen werden Dokumentarberichte und Gespräche mit und über Holocaust-Überlebende ausgestrahlt. Zeitlich passend beginne ich gerade "Ist das ein Mensch?" von Primo Levi zu lesen.

Ich realisiere plötzlich, dass mir – je weiter dieser fürchterliche Abschnitt der Geschichte in die Vergangenheit rückt – die Schicksalsberichte immer aberwitziger und unwirklicher erscheinen. Jedes einzelne Schicksal ist absolut unvorstellbar, mit dem Verstand einfach nicht zu fassen. Als hätte die Generation der Älteren in einem Anflug hinterhältigster Boshaftigkeit in den Vierziger Jahren beschlossen, von nun an allen Nachgeborenen einen himmelschreiend ungeheuerlichen Bären aufzubinden. Science Fiction. Anders ist es nicht zu begreifen.

Natürlich weiss ich genau, dass dem nicht so ist. In Israel leben heute noch etwa 200,000 Holocaust-Überlebende und ihre oft meist fantastisch anmutenden Geschichten sind leider sehr wahr. Eigenlich darf ich die obige Idee auch kaum aussprechen, denn noch viel unglaublicher ist es, dass immer mehr Menschen tatsächlich vom Holocaust nichts wissen oder wissen wollen.

Kurz nachdem heute morgen um zehn Uhr die Sirenen im ganzen Land heulen, finde ich mich mit etwa 150 Mitarbeitern auf dem Rasengelände der Firma zu einem bescheidenen Gedenkanlass ein. An dem Anlass musizieren acht Schüler, die wohl etwa siebzehn- oder achtzehn Jahre alt sind. Sie spielen Querflöte, Piano und Gitarre und zwei junge Frauen und einer der jungen Männer singen. Die Gymnasiasten sind auffallend begabt und die traurigen Lieder werden äusserst berührend vorgetragen. Auch ich habe Tränen in den Augen. Aber ich höre die Musik, betrachte die jungen Leute und denke, dass diese schönen und aussergewöhnlich begabten jungen jüdischen Menschen den wahren Sieg über die brutale und unmenschliche Vernichtungsidee der Nazis verkörpern. Ich weiss nicht, ob das Gute je über das Böse siegen wird, aber hier ist ein bescheidener Sieg, der Hoffnung macht.

Dienstag, 30. April 2019

Ein Ausflug, den keiner will



Schulferien und angenehmes Frühlingswetter treiben an den Pessachfeiertagen fast alle Israelis aus den Wohnungen. Zu Tausenden, ja zu Millionen sogar (1,25 Mio Israelis sollen an Pessach Ausflüge unternommen haben, wird heute morgen in den Nachrichten berichtet) brechen sie auf. An Pessach ist alles übervoll, jedes Hügelchen besteigen die Israelis in Scharen, jedem Bächlein entlang trampeln sie dicht an dicht, mit Kind und Kegel. Die Strassen sind im ganzen Land katastrophal verstopft, denn wer nicht in der freien Natur unterwegs ist, fährt wenigstens in eines der unzähligen Shopping-Zentren.

Wer Menschenscharen nicht mag und nicht gerne im Stau steht, bleibt also an Pessach besser zuhause.

Genau das machen auch wir. Die Kinder hängen faul herum, schauen fern oder geniessen die neuen Gartenmöbel. Mir wird schnell langweilig, deshalb putze ich, räume auf, koche, werkle etwas im Garten. Da ich Frühaufsteherin bin, habe ich mein Tagessoll aber meist schon um die Mittagszeit erledigt und nach einer oder zwei Stunden lesen und faul herumliegen – wird mir langweilig.

Ein klitzekleiner Ausflug, ganz hier in der Nähe, wird doch wohl drinliegen, denke ich mir nach zwei Tagen Putzen, Kochen und Aufräumen, sonst kraxle ich ja schon bald die Wände hoch. Ein Strandspaziergang zum Beispiel, am späteren Nachmittag, wenn bestimmt alle Familien mit kleinen Kindern schon zuhause sind.

Lianne möchte nicht mit. Sie hat zwei Wochen Ferien und muss genau jetzt, in dieser Stunde, plötzlich Mathe lernen. Dagegen kann ich nichts einwenden. Ich suche weitere Opfer und finde sie in den beiden sechzehnjährigen Mädchen aus Brasilien, die wir in diesen Ferien beherbergen. Sie liegen auf ihren Betten im klimatisierten Zimmer und glotzten auf ihre Handys. Ich lade sie herzlichst ein, mitzukommen und sie sind zu anständig und getrauen sich nicht, nein zu sagen. Auch der Gatte, der schon das ganze TV-Programm leergeschaut hat, würde wohl lieber sitzen bleiben, ahnt aber, dass er meine Langeweile noch schlimmer zu spüren bekommen könnte, wenn wir zuhause bleiben.

Ich packe zwei Flaschen Wasser ein und wir ziehen los. Unser Ziel, der Strand von Mikhmoret, wo wir nordwärts nach Giv’at Olga gehen möchten, ist nur etwa eine Viertelstunde Autofahrt entfernt. Der Zustand auf den Strassen ist erträglich. Bis wir uns Mikhmoret nähern. Dort kommt uns auf der einspurigen Strasse in Richtung Strand eine nicht endenwollende Autoschlange entgegen. Bestimmt zwei Kilometer lang reiht sich Wagen an Wagen, die in langsamstem Schrittempo nur stockend vorwärts kommen. Wir fahren in die entgegengesetzte Richtung und bestaunen die Autoschlange. Was ist denn hier los? Wo kommen die alle her? Ist dies der Auszug aus Ägypten im 21. Jahrhundert? Viele haben Surfbretter auf dem Dach und sind mit Strandmatten und -Stühlen beladen. Je länger wir dem Stau entgegenfahren, desto unerklärlicher wird er uns. Wir wissen aber, dass auch wir auf der Rückfahrt in genau diesem Stau stehen werden und es jetzt schon kein Zurück mehr gibt. Eyal sagt kein Wort, aber sein Gesicht spricht Bände. Auch mein Tatendrang ist nullkommaplötzlich verflogen. Was für eine Schnapsidee, dieser Ausflug! Besser hätte ich zuhause noch Wäsche gebügelt!

Am Ziel unserer Fahrt wird uns klar, dass die ganze Blechlawine tatsächlich hier, auf genau diesem Parkplatz, ihren Ursprung hat. Weil jetzt, am späteren Nachmittag, starke Winde aufgekommen sind und es schon recht kühl ist, scheinen alle Strandbesucher den Strand zur selben Zeit verlassen zu wollen. Na ja, mir ist das erstmal egal, unser Ausflug fängt ja erst an. Wir gehen jetzt nordwärts, mit starkem Gegenwind. Der Strand zwischen Mikhmoret und Giv’at Olga ist mit seinen kleinen felsigen Buchten meines Erachtens einer der schönsten Israels. Ich ziehe energiegeladen los, merke aber bald, dass meine Mitwanderer ziemlich widerwillig mit dabei sind. Leider musste ich für diesen Ausflug Kompromisse eingehen, wenn ich überhaupt Partner gewinnen wollte und so verzichtete ich auf die Idee, mit zwei Autos loszufahren und eines am Ziel zu parkieren. Ergo würden wir dieselbe Strecke zurückgehen müssen, eine Tatsache, die der interessantesten Wanderung die Spannung nimmt und sie sinnlos und sysiphisch macht. Und dann noch die Aussicht auf den kilometerlangen Stau... Schon ziemlich sinnlos, dieses Unternehmen. Der Gatte trottet freudlos nebenher, die Mädchen schauen immer öfter auf ihre Handys. Wir kommen kaum vorwärts. Der Gegenwind scheint sie rückwärts zu drücken und die negative Aura, die sie umgibt, ist für mich buchstäblich sichtbar.

Nach zweieinhalb Kilometern gebe ich auf. Wir kehren um. Man kann die Leute nicht zu ihrem Glück zwingen.

Als wir rechtzeitig zum Sonnenuntergang wieder in Mikhmoret eintreffen, ist der Strand schon fast leer. Jetzt stehen tatsächlich alle Strandbesucher auf der Strasse – und so bald auch wir. Die zwei Kilometer bis zur Kreuzung legen wir in etwa einer halben Stunde zurück, während im Auto eisige Stille herrscht.

Endlich dem Stau entkommen, gönnen wir uns ein grosses Eis. Das haben sich meine tapferen Wanderkameraden redlich verdient. Und am letzten Ferientag werde ich Fenster putzen!

Sonntag, 28. April 2019

Sie sind da!

Mir nahestende Mitmenschen behaupten, dass ich mich nur schwer oder gar nicht entscheiden könne. Ich finde, das stimmt überhaupt nicht. Ich wäge nur jeweils alle in Frage kommenden Möglichkeiten geflissentlichst ab. Sortiere aus, was zu viele Nachteile hat. Vergleiche die verbleibenden Optionen. Hole Meinungen von anderen ein. Erst wenn ich ganz genau weiss, was ich will, schlage ich zu. Und dann bin ich zufrieden. Dieses Vorgehen hat sich bis anhin in den meisten Lebensfragen als äusserst erfolgreich bestätigt.

So kommt es auch, dass ich während der Suche nach den perfekten Gartenmöbeln für unsere neue Pergola zum Gespött meiner Familie wurde. Fast ein Jahr lang besichtigte ich alle in der näheren und weiteren Umgebung liegenden Gartenmöbel-Center und wog ab. Rattan, Aluminium oder Holz? Aluminium. Aber weiss oder grau? Ein Dreier- oder ein Ecksofa? Mit Tisch oder ohne? Langsam langsam kristallisierte sich mein Entschluss heraus und dann schlug ich zu. Jetzt sind die neuen Möbel da und sie sind perfekt!

Den alten schweren Holztisch verscherbelte ich noch auf einer Secondhand-Plattform. Der bald gefundene Käufer schenkte mir als sehr erfreuliche Zugabe verschiedene Setzlinge, unter anderem von vier verschiedenen Basilikumsorten. Haben sie gewusst, dass es Zitronenbasilikum und thailändischen Basilikum gibt? Jetzt freue ich mich nicht nur über die absolut perfekten Gartenmöbel, sondern verfolge auch gespannt das Gedeihen meines Basilikums! Der Sommer kann kommen!


Montag, 22. April 2019

Auf Heimatbesuch

Alltag. Die Tage rasen dahin. Immer ist etwas los, es findet sich kaum Zeit zum Schreiben. Ein Bombeneinschlag im Nachbardorf, eine Schweizreise, die Wahlen, endlich neue Gartenmöbel. Bevor ich beim Blogschreiben endgültig den Anschluss verpasse, möchte ich versuchen, eiligst noch etwas nachzuholen und vielleicht doch noch den davonrasenden Zug zu erwischen.

In der ersten Aprilwoche durfte ich spontan geschäftlich nach Basel reisen. In der Filiale meines Arbeitgebers im Zentrum Basels standen Meetings mit der aus den USA angereisten Chefin und mit Mitarbeitern auf dem Programm, von denen ich bis anhin nur die Stimme am Telefon kannte. Dabei war aber nicht von allzu ernsthafter Arbeit die Rede, es handelte sich eher um gesellschaftliches Zusammenfinden, um sich bei gemeinsamen Mahlzeiten (Basel hat einige sehr gute Restaurants, vor allem, wenn die Firma bezahlt) und Aktivitäten (ein geführter Stadtrundgang) kennenzulernen.

Der Fasnachtsbrunnen in Basel

Vor einer Ewigkeit, in einem anderen, früheren Leben, hatte ich in Basel das Gymnasium besucht. Nun, nach mehr als dreissig Jahren im Ausland, fühlen sich „Heimatbesuche“ in Basel sehr seltsam an. Ich sehe diese mir einst so bekannte Stadt aus den Augen einer Touristin. Auf dem Weg vom Büro ins Hotel durchquere ich den Schulhof „meines“ Gymnasiums. Ich spähe durch die Fenster in die Klassenräume, in welchen ich als junge Frau den Blick in die umgekehrte Richtung schweifen liess und – damals von unerklärlichem Fernweh geplagt und von exotischen Ländern träumend  – stundenlang den Flug der Schwalben verfolgte. Das Gefasel der Lehrer drang kaum je zu mir durch. Während der Arbeit erspähe ich jetzt vom Bürofenster aus das Dach und die Dachfenster eben dieser Schule, wo ich im Dachstock einst am Bühnenbild unserer Schüleraufführung werkelte. Die Theateraufführung war ein kläglicher Flop, das Bühnenbild katastrophal – aber dafür hatte ich danach einen Freund... 

Im Hotel bekomme ich ein überraschendes Upgrade und logiere in einem Loft, an welchem ich mich gar nicht sattsehen kann – mit Küche, Balkon und einem Badezimmer in der Grösse meiner Stube! Ich lasse sofort heisses Wasser mit viel Schaum in die freistehende Badewanne laufen und geniesse den ruhigen Abend ganz stilvoll mit Cüpli in der Wanne. Was für ein unbeschreibliches Vergnügen, diese paar gezählten Tage Singleleben in einer hübsch gestylten Hotelwohnung im Zentrum Basels! Danke, danke, mein geliebter Arbeitgeber! Was für ein Genuss, das Büro zu Fuss in wenigen Minuten zu erreichen und die Stunden mit lockerer Arbeit und Gesprächen zu verplempern. Die WhatsApp-Anrufe meiner hungrigen Familienmitglieder, die zu Hause in Wäschebergen versinken, ignoriere ich genüsslichst. Lasst mich in Ruhe! Ich habe das grosse Los im Lotto gezogen! Endlich lebe ich mein Traumleben!

Und alles so schön sauber...

Ich geniesse auch die wohl hundertste Rheinüberquerung mit der legendären Fähre und den geführten Stadtrundgang, trotz Regen und Kälte. Die Stadt aus den Augen meiner amerikanischen Mitarbeiter zu betrachten und den Erklärungen der waschechten Basler Reiseführerin zu folgen, die sich mit dem Englischen abquält, ist äusserst amüsant. Und ja, Basels pittoreske Altstadt ist sehr hübsch, dafür hatte ich als Schülerin nun wirklich keine Augen.

Im Zug nach Zürich

Nach einigen Tagen in dem modernen Loft stelle ich fest, dass ich mich in der sterilen und unpersönlichen Umgebung doch nicht so recht zu Hause fühle. Am Morgen der Abreise schneit es und als ich am Flughafengate Hebräisch höre, freue ich mich schon auf mein Zuhause, inklusive Lärm, Schmutz und Unordnung meiner Kinder.


Freitag, 15. März 2019

Party mit Überraschungen

Donnerstagabend. Zusammen mit einigen Bekannten sind wir zu einer Geburtstagsfeier bei einem Abendessen in Tel-Aviv eingeladen. Obwohl es in Tel-Aviv eine Vielzahl bester Restaurants gibt, ist der neueste Hype „Eat with“  kulinarische Erlebnisse bei privaten Gastgebern. Unsere Gastgeber sind Tomer, der  bevor er seine Kochleidenschaft zum Beruf machte – Chemie studierte und seine Frau Yael, welche ein Praktikum als Juristin absolviert. Ihre zwei kleinen Kinder schlafen schon, als wir in der modern renovierten Wohnung in einem älteren Haus in der Jabotinsky-Strasse eintreffen. Tomer und Yael haben in ihrer Stube die Sofas zur Seite gerückt und zwei grosse Tische gedeckt. Das vielversprechende Menü in sieben Gängen liegt sorgfältig gedruckt neben den Tellern. Während Tomer in der offenen Küche den ersten Gang kocht, essen wir knusprige selbstgebackene Foccaccia und mit Trüffeln und gedörrten Zwetschgen gewürzte Butter. Das Brot und die Butter sind köstlich und verheissen einen vielversprechenden Abend. Wir geniessen das Essen und unterhalten uns, zu angenehmer Musik und Gebrutzel aus der Küche.

Bis vor Kurzem hatte es geregnet und nun pfeift draussen ein starker Wind durch die Strassen. Das pfeift aber zünftig heute, sagt jemand. Einige von uns schauen sich fragend um. Es ist ein an- und absteigender Ton, der bei geschlossenen Fenstern nur mit einiger Anstrengung zu vernehmen ist, denn der Lärmpegel ist hier drinnen recht hoch. Das kann nicht der Wind sein, sagt schliesslich jemand. Vielleicht Ambulanzen? ratet ein Anderer. Wir schauen uns alle verwundert an. Es pfeift noch immer. Ein Attentatt? Das sind Alarmsirenen, behauptet jetzt einer der Gäste.

Ich nehme noch einen Bissen von dem wirklich phänomenal guten Brot mit Butter.

Sirenen? Ist heute ein Gedenktag? Gibt es eine Luftschutzübung? Nein? Weder noch. Luftschutzalarm! Ein Ernstfall!

Nach und nach erheben sich alle von ihren Plätzen, verdutzt, verwirrt, noch zaghaft. Tomer stellt die Pfannen zur Seite. Yael saust in das Kinderzimmer. Weil es in älteren Häusern keine Luftschutzräume gibt, drängt die ganze Gästegruppe, aufgeregt durcheinander redend, ins Treppenhaus. Ich nehme meine Handtasche mit und stelle sie dann wieder hin. Werde ich zurückkommen? Wer weiss?

Im Treppenhaus öffnen sich auf allen Stöcken die Türen und bald sind die schmalen Gänge mit Menschen überfüllt. Eltern mit besorgten Gesichtern sitzen neben ängstlichen Kindern auf den Stufen. Dann hören wir zwei Explosionen. Ich bin erschrocken und verwirrt. Seit Monaten berichtet die Presse von der Möglichkeit eines nächsten Krieges. Ist es jetzt tatsächlich soweit? Ich blicke in bestürzte Gesichter. Die Situation ist seltsam und unheimlich. Einer unserer Kollegen, ein Brigadier der israelischen Armee, telefoniert aufgeregt.

Die Sirenen verstummen. Wir warten noch einige Minuten, dann verlassen wir die fragwürdige Sicherheit des Treppenhauses und setzen uns wieder an den Tisch. Bald erfahren wir, dass zwei Raketen aus Gaza auf Tel-Aviv abgefeuert worden sind. Eine der Raketen konnte vom Abwehrsystem der immer wachsamen israelischen Armee in der Luft entschärft werden, die andere ging in unbewohntem Gebiet nieder.

Tomer wirft den Gasherd wieder an und kocht weiter. Während anfänglich noch alle über das soeben Geschehene und die Bedrohungen sprechen, plaudern wir mit fortschreitendem Abend bald wieder über Belangloses. Wir trinken Wein und lassen uns das Essen schmecken. Die Angst und den Schrecken verdrängen wir. Es bleibt ruhig und die sechs Gänge werden trotz des überraschenden Unterbruchs durchgezogen und dann noch von einem sündhaft guten Dessert gekrönt. Ein fast perfekter Abend!

Montag, 4. März 2019

Tischlein deck dich!


Unsere Tochter ist seit einigen Wochen Serviceverantwortliche in einem Schicki-Micki-Restaurant. Seit Sivan in dieser prestigereichen Funktion für den gesamten Service und das Servicepersonal zuständig ist, geht nun auch das ganze Drumherum bei unseren Familienmahlzeiten etwas anders über die Bühne: Als hätte sie nie etwas anderes getan, verteilt sie rigoros Aufgaben wie Tisch decken, Weinflasche öffnen, Getränke auftischen, abräumen, Geschirrspüler einräumen, undsoweiter. Sämtliche Anwesenden werden effizient rekrutiert, Befehle werden verteilt und erstaunlicherweise läuft unter dem energischen Regiment plötzlich alles ganz zackig ab. Ich staune nur noch – wo hat sie nur diese Autorität her? Ich selbst habe jahrelang immer vorgezogen, alles – meist zunehmend frustriert und verärgert – gleich selbst zu erledigen, weil ich im voraus schon wusste, dass ich nicht nachdrücklich genug sein würde, um die verwöhnten Kinder in Fahrt zu bringen. Sie hingegen setzt ein breites Lächeln auf, kommandiert alle herum – und schon läuft alles wie am Schnürchen.

Dafür fallen beim Essen jetzt Sätze wie:

Warum haben wir eigentlich keine Stoffservietten?

Der Broccoli dürfte schon noch etwas mehr Biss haben...

Calamarata-Pasta isst man mit Muscheln, Hummer oder Tintenfisch, aber sicher nicht nur mit Tomatensauce!

Das musst du mit etwas Balsamico-Crème dekorieren.

Was soll das heissen, du hast keine Balsamico-Crème?

Und, mit einem strengen Blick auf meine spülmaschinenstrapazierten Gläser: Also DAS würde bei uns nie durchgehen!

Mittwoch, 20. Februar 2019

Höchste Zeit für Diät


Seit ich die Fünfzig überschritten habe, nehme ich, zwar nur langsam und minimal, aber doch stetig zu. In den letzten drei Jahren habe ich – vielleicht wegen der hormonellen Umstellung – jedes Jahr durchschnittlich ein Kilo zugenommen, obwohl ich, gefühlt, kaum etwas esse. Sollte mein Gewicht konstant so weiter wachsen, werde ich im Alter von 120 Jahren 134 Kilo auf die Waage bringen. Das sind keine guten Aussichten, denn mit diesem Gewicht würde ich wohl kaum in einen Sarg passen.

Zum Glück gibt es heute für alles eine App und ich finde, es ist wieder einmal an der Zeit, mit der DiätApp "Noom" Kontrolle über mein Gewicht zu erlangen. Bei dieser App gebe ich Alter, Grösse, das aktuelle und das Zielgewicht, sowie die Strenge der geplanten Diät ein und sie spuckt mir die täglich erlaubte Kalorienzahl aus. Natürlich muss ich auch die Kalorien nicht selber zählen, sondern nur geflissentlichst jedes mir zugeführte Nahrungsmittel mit genauen Mengenangaben in der App vermerken. Die App erledigt die ganze Rechnerei für mich. Als Abnehmziel setzte ich vier Kilo, verteilt auf ein halbes Kilo pro Woche fest. Das scheint mir am frühen Morgen realisierbar.

Weil ich heute schon Sport getrieben habe, bin ich hungrig und erlaube mir ein reichhaltiges Müesli. Doch nach dem Morgenessen (1 Apfel, 1 Banane, 1 Joghurt, 1 Handvoll Nüsse, 2 Datteln, 2 EL Chia-Samen und 1 Kaffee mit Milch) stelle ich, zwar satt, aber ernüchtert fest, dass ich schon die Hälfte der erlaubten Kalorienzahl für diesen Tag verbraucht habe. Ich war wohl etwas zu streng mit mir, also passe ich den Diätplan an und schraube das wöchentliche Abnehmziel auf 0.3 kg hinunter. Zum Znüni esse ich 3 Cracker und ahne, dass ich heute um die Mittagszeit schon ein gravierendes Kalorienproblem haben könnte. Deshalb spiele ich noch etwas mit der App und lasse sie versuchshalber ausrechnen, wieviel ich mit nur 0.1 kg Abnahme wöchentlich heute noch essen dürfte. Nun, das sieht ja schon viel besser aus, und so eilig habe ich es ja nicht.

Nach dem Mittagessen komme ich dem Kalorien-Tageslimit aber trotzdem schon erschreckend nahe. Dann erinnere ich mich, dass ich das heutige Morgenjogging gar nicht eingegeben habe. Nachdem ich zehn Kilometer Laufen in die App gefüttert habe (es waren zwar nur sieben, aber ich runde grosszügig auf), relativiert sich das Kalorienmanko etwas und ich erlaube mir, zwei Schokoladenkugeln zu essen. Wegen einer bösen Vorahnung gebe ich die Schokokugeln aber gar nicht erst ein. Hingegen schraube ich jetzt das wöchentliche Abnehmziel auf Null hinunter, denn auch mein Gewicht beizuhalten und nur NICHT ZUzunehmen wäre ja schon ganz in Ordnung. Leider gerate ich aber trotzdem schon kurz nach dem Mittagessen in die roten Kalorienzahlen, und das wegen einem mickrigen Cappuccino! Als ich um 15 Uhr der Versuchung eines Apfelstrudels (2 Stück) erliege, gehen mir nicht nur endgültig die Kalorien, sondern zum Glück auch die Batterie des Handys aus.

Sonntag, 17. Februar 2019

Frühling

Weil mich dieses Wochenende zuviele Fotos aus der Schweiz erreichten und ich immer wieder neidvoll auf Berge und Skigebiete mit strahlend blauem Himmel blicken musste, während es bei uns so sehr stürmte, regnete und hagelte, dass man gar nicht nach draussen konnte und weil es jetzt, gerade nach dem Regen, am allerschönsten ist, genehmigte ich mir heute morgen einen ausgedehnten Streifzug durch die Natur. Jetzt bin ich wieder sicher, dass der Rasen des Nachbarn gar nicht grüner ist als unserer oder aber auf jeden Fall – bestimmt nicht blühender!









Mittwoch, 13. Februar 2019

Zum Jubiläum...

Als wüsste man bei der BAZ vom Jubiläum meiner Brustkrebsdiagnose, erscheint in diesen Tagen ein Interview, welches ich mit solchem Wohlgefallen lese, dass ich dem zuständigen Journalisten sogar verzeihe, dass es für mich mit drei Jahren Verspätung kommt.

Nach meiner Brustkrebsdiagnose und vor allem in der Zeit nach der Behandlung machte ich mir unzählige Gedanken über die Frage, warum ich an Krebs erkrankt war. Was war der Trigger für das Entstehen eines Tumors und was hatte sein Wachstum in meinem Körper ermöglicht? Hätte ich mit gesünderer Lebensweise die Krankheit vermeiden können? Trug ich Schuld an meiner Krankheit? Ich vermutete, dass Krebs eine Zufallskrankheit ist, grübelte aber doch viel über krebsfördernde Nahrungsmittel, Umwelteinflüsse und die Bedeutung der psychischen Konstitution auf die Gesundheit nach. Heute, fast drei Jahre später, bin ich in meinem Glauben gefestigt, dass bestimmte Nahrungsmittel oder Umwelteinflüsse zwar ungesund sein können, es aber keinen Sinn mehr macht, wenn man im Alter von 55 aufhört, Würste oder Zucker zu essen. Fast noch mehr Kopfzerbrechen bereitete mir aber die allgemeingültige Meinung, dass Gelassenheit, Ausgeglichenheit und Zufriedenheit Voraussetzung für intakte Gesundheit seien. Als eine Kollegin viele Jahre vor mir an Krebs erkrankte, dachte ich insgeheim „Kein Wunder, so zerrüttet wie ihr Leben und so verbittert wie sie ist...“. So ist es auch nicht erstaunlich, dass ich mir nach der eigenen Diagnose bei jedem Streit mit dem Partner, den Kindern, bei Ungewissheit im Job oder sonstigem seelischem Stress einbildete, ich würde den nächsten Tumor schon in mir wachsen fühlen.

Unterdessen stehe ich wieder so sicher im Leben, dass ich esse worauf ich Lust habe, ab und zu Alkohol trinke und sogar mit mehreren Handys neben dem Bett schlafe. Wenn mich an manchen Tagen seelischer Unmut oder Verstimmungen fast zu erdrücken scheinen, nehme ich das heute wieder gelassen. Ein bisschen Stress wirft mich nicht mehr aus der Bahn. Ich habe die Annahme verworfen, dass ich Einfluss auf mein Immunsystem oder die Zellbildung in meinem Körper hätte. Doch zu dieser Überzeugung zu gelangen, war für mich ein langwieriger Prozess.

Prof. Dr. med. Bernhard Pestalozzi ist Leitender Arzt Onkologie und stellvertretender Direktor an der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie des Universitätsspitals Zürich und seine Worte sind einfach, klar und deutlich. Es hätte mir damals nach der Diagnose gut getan, wenn mir die zuständigen Fachleute so klipp und klar vermittelt hätten, dass ich mir über meine seelische Verfassung nicht den Kopf zermartern sollte.



Hier ein kurzer Auszug aus dem Interview vom 6.2.2019 in der BAZ:

BAZ: Mit welchem Vorurteil über Krebs wollen Sie aufräumen?

Herr Pestalozzi: Krebs entsteht nicht, weil man die falsche psychische Haltung oder zu viel Stress hat. Wenn es um das Verhalten geht, so kann ich nur sagen: Hören Sie um Himmels willen mit dem Rauchen auf! Das ist wirklich wichtig. Krebs ist eine körperliche Krankheit; es sind Zellen, die sich unkontrolliert vermehren. Das hat nichts mit negativem Denken zu tun! Krebs ist keine seelische Krankheit. Wer dieser Meinung ist, bürdet den Betroffenen zusätzlich die Schuld an ihrer Krankheit auf.

BAZ: Gibt es Studien dazu?

Herr Pestalozzi: Ja. Und die zeigen: Depressive Menschen erkranken später nicht häufiger an Krebs. Es gibt keine «Krebspersönlichkeit».

Dienstag, 29. Januar 2019

Die Feinschmeckerfreundin

In der Schule meiner Tochter Lianne ist es seit einiger Zeit zur Gewohnheit geworden, dass die Schulkolleginnen ihren Freundinnen zum Geburtstag einen Geburtstagskuchen in die Schule bringen. Dem Perfekten-Instagrambilder-Zeitalter entsprechend übertreffen sich die Mädchen dabei immer mehr mit überbordenden Schokoladedekorationen. Die Kuchen werden mit Schokoladeriegeln, Schokoladekugeln, Pralinen und allen möglichen Süssigkeiten beladen und oft entstehen dabei bedrohlich befrachtete Werke, die an den Turmbau zu Babel erinnern. Einmal musste ich meine Tochter sogar mit so einem kunstvollen Gebilde zur Schule fahren, weil sie damit ja nicht den Schulbus nehmen konnte. Was man nicht alles für die lieben Kleinen macht! Oft bekommt ein Geburtstagskind mehrere Schokoladekreationen auf einmal, die die Kinder dann in der Pause gemeinsam verschlingen.

Was für ein erfreuliches Kompliment für meine Kochkünste, als die Freundin meiner Tochter ausrichten lässt, sie wünsche sich für ihren Geburtstag nicht etwa einen weiteren Schokoladekuchen, sondern – genau dasselbe Avocado-Pausenbrot, um welches sie meine Tochter jeweils beneidet!

Hier das Rezept für das begehrte und offensichtlich schulbekannte Avocadosandwich:

Gutes frisches Brot. Reife Avocado, in dünne Scheiben geschnitten, leicht auf dem Brot zerdrückt und mit wenig Salz und einigen Tropfen Zitrone gewürzt. Mit einigen hauchdünnen Scheiben Fetakäse und dünnen Tomaten- und Paprikascheiben belegen. Guten Appetit! Und alles Gute zum Geburtstag!

Dienstag, 8. Januar 2019

2019


Morgen für Morgen betrete ich dasselbe Büro. Sitze stundenlang auf demselben Stuhl. Vor demselben Bildschirm. Trinke Kaffee aus derselben Tasse. Bearbeite dieselben Dokumente, die nie zur Neige gehen. Esse in der Kantine dasselbe Essen. Führe in der Kaffeeküche dieselben Gespräche. Trete am Ende des Tages aus derselben Türe und fahre nach Hause.

Ich betrachte die im Fenster vorbeiziehenden Wolken und nehme wahr, wie statisch hier drinnen alles ist. Wie sich alles ins Unendliche wiederholt, während die Zeit – wie die Wolken – nie stehenbleibt und die Jahre vergehen.