Dienstag, 26. Dezember 2017

Die Übermutter

Lianne, meine Sechzehnjährige, ist Leiterin einer Mädchengruppe bei den Pfadfindern. Heute kommt sie erledigt vom Treffen nach Hause und lässt sich aufs Sofa fallen. Sie ist fix und fertig. „Ach“, stöhnt sie „du hast ja keine Ahnung wie es ist, Mami von 14 Mädchen zu sein!“.

Montag, 18. Dezember 2017

Nachtgespräche

Nachts um drei Uhr liegen wir beide wach. Ich, weil das Medikament Tamoxifen mir ab und zu schlaflose Stunden beschert und weil die Unsicherheit über meine berufliche Zukunft mir Sorgen bereitet. Der Konzern, in dem ich arbeite, soll gesundgeschrumpft werden und es droht die Schliessung mehrerer Werke und Massenentlassung Tausender Angestellter weltweit. Auch für mich stehen die Chancen schlecht. Eyal liegt wach, weil er erkältet ist und Halsschmerzen hat. Er produziert eimerweise Rotz und Schleim und dreht sich schnäuzend, räuspernd und hustend im Bett, als wäre er am Ersticken.

„Erinnere mich morgen früh daran, dass ich dich in meinem Testament erwähnen will“, sagt er mit heiserer Stimme in die Dunkelheit.

„Bin ich da etwa noch nicht drin?“, frage ich staunend.

„Nein, habe dich vergessen, ist mir jetzt gerade in den Sinn gekommen“, gibt er zurück.

Ich drehe mich im Dunkeln lächelnd auf die andere Seite.

Solange wir noch Humor haben, ist alles gut.

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Könnte es sein?

Meine Tochter Lianne – bald 16 – ist schon eine junge Frau. Sie kümmert sich selbst um ihre Hygiene, sie wäscht und duscht sich, lässt ihr Haar beim Frisör glätten und föhnt es jeden Morgen.

Und ich bin schon eine ältliche Mutter, geniesse meine wiedergewonnene Freiheit und habe nicht mehr viel im Sinne mit Kleinkinderkram und -Sorgen. Bis ich gestern plötzlich in alte Zeiten zurückversetzt wurde.

Eigentlich waren die Anzeichen schon lange da, ziemlich klar sogar, aber ohne dass wir sie wahrgenommen hätten. Lianne klagte schon öfter über ein Jucken auf der Kopfhaut. Beim Nachschauen fand ich ab und zu kleine weisse Punkte, die wie Läuseeier aussahen. Einmal fand ich eine kleine Fliege in der Dusche, die ziemlich genau wie eine Laus aussah.

Könnten es Läuse sein?

Manchmal dauert es eben etwas länger, bis wir Tatsachen akzeptieren können. Da faselt das Töchterchen schon von „Sweet 16“-Party, Fahrstunden, Schulabschluss, undsoweiter. Und dann Läuse? Ja, es waren Läuse, vier Stück fand ich davon, nach endlich akribischer Untersuchung ihrer Kopfhaut.

Ich denke an die Brustkrebsdiagnose, die ich vor bald zwei Jahren erhalten habe (ja, die Gedanken an Krebs sind immer da, auch wenn der Tumor schon lange weggeschnipselt wurde). Ein Knoten in der Brust. Eine Biopsie. Der Krebsbefund traf ein. Ich konnte es nicht glauben, wollte es nicht wahrhaben. Die OP. Der Laborbefund. Die Ärzte. Es war offensichtlich. Die Fakten waren nicht zu leugnen. Aber irrten sich Ärzte etwa nicht?

Könnte es wirklich Krebs sein?

Manchmal dauert es eben etwas länger, bis wir der Wahrheit ins Gesicht sehen können.

Als ich heute an der Arbeit vor dem Bildschirm sitze, kratze ich mich am Kopf, ohne es zu beachten. Dann fühle ich etwas Kleines auf meinen Nacken fallen und bevor das Etwas auf meinem Rücken in mein Hemd rutscht, greife ich danach, immer noch den Bildschirm vor mir fixierend. Dann untersuche ich, was die Finger meiner rechten Hand ergriffen haben. Es ist ein kleines ovales Etwas, nicht viel grösser als ein Punkt, mit sechs kleinen Beinen, die man fast nicht sieht. Es ist eine kleine Fliege.

Sie sieht aus wie eine Laus.

Montag, 11. Dezember 2017

Date um 8 Uhr morgens

07:50 Uhr: Mein Computer fährt gerade hoch und weil das ziemlich lange dauert, werde ich mir unterdessen gleich einen ersten Kaffee holen. Aber dann klingelt das Telefon. Ich antworte, obwohl die Nummer des Anrufers nicht zu erkennen ist und obwohl ich wirklich dringend gerne einen Kaffee hätte.

„Hello“ säuselt eine Männerstimme auf Englisch.

„Hallo“ antworte ich kurz angebunden.

„I’m Rafi“, sagt er.

„Hallo Rafi“, sage ich. Ich kenne keinen Rafi.

Der Mann am anderen Ende murmelt etwas Unverständliches.

„Wie bitte?“ frage ich nach, obwohl mir schon klar ist, dass sich da jemand verwählt hat.

„Bist du Single?“ fragt er mit englischem Akzent. Wie bitte? Höre ich recht?

„Warum? Wer ist dran? Wen suchen sie?“

„Suchst du ein Date?” holt Rafi nun aus.

Ich pruste los. Nein, ich suche keinen Partner. Bestimmt nicht vor acht Uhr morgens. Ich hätte nur gerne einen Kaffee.

“Ich habe deine Nummer von einer Dating-Plattform.” behauptet er.

Welche Plattform denn, frage ich nach. Hat sich vielleicht jemand mit meinen Angaben einen Spass erlaubt?

Er rückt aber keine verständlichen Details heraus, säuselt nur weiter etwas von „Treffen heute abend“.

„Danke, kein Interesse!“ vermelde ich klipp und klar.

Vielleicht habe ich nun gerade die Chance meines Lebens verpasst, aber 07:50 ist mir zu früh für Partnersuche. Jetzt aber Kaffee bitte!

Dienstag, 5. Dezember 2017

Organisation - WMDEDGT 12/2017

Und was machst du eigentlich den ganzen Tag? 

Diesen Beitrag verlinke ich auf der Blogseite von Frau Brüllen, die jeweils am Fünften des Monats fragt  „Was Machst Du Eigentlich Den Ganzen Tag?“ Also bitte:

Gute Organisation ist alles, wenn man wenig Zeit hat. Bis vor wenigen Jahren arbeitete ich täglich nur bis kurz nach Mittag und eilte dann jeweils nach Hause, um nachmittags und abends möglichst viel Zeit mit den Kindern zu verbringen. Damals arbeitete ich hauptsächlich mit europäischen Mitarbeitern und die Zeitdifferenz von ein bis zwei Stunden war leicht zu überbrücken. Seither habe ich – eher unfreiwillig – in der Firma den Job gewechselt und nun ist nicht nur mein direkter Vorgesetzter sondern mein gesamtes Team in den USA ansässig. Das bedeutet für mich in Israel, dass alle Besprechungen erst etwa um 15 Uhr beginnen. Unterdessen sind aber auch meine Kinder schon grösser und scheren sich einen Deut um mich. Trotzdem, eine Menge Hausarbeit fällt leider immer noch an. Im Organisieren und Abwickeln von mehreren Aufgaben gleichzeitig bin ich aber unterdessen ganz gut. Das läuft dann zum Beispiel so ab:

Am Morgen angenehm ruhige Arbeit im Büro. Beim Mittagessen in der Kantine vergesse ich nicht, eine doppelte Portion zu verlangen. Die Hälfte davon lasse ich zum Mitnehmen einpacken. Um 15 Uhr fällt die wöchentliche Besprechung mit dem Vorgesetzten an. Weil ich heute zeitlich knapp dran bin, sage ich absichtlich so wenig möglich. Um 15:30, kaum hat mir der Boss eine gute Woche gewünscht, fahre ich den PC runter und mache mich aus dem Staub. Auf dem Nachhauseweg hole ich die Bügelwäsche ab. Zuhause treffe ich, wie richtig berechnet, eine Viertelstunde vor Lianne ein. Während der PC wieder hochfährt, füttere ich zuerst die Katze, denn eine hungrig miauende Katze als Lärmkulisse macht keinen guten Eindruck bei geschäftlichen Besprechungen. Dann werfe ich die Waschmaschine an, wärme das Essen aus der Kantine auf und nehme Lianne, die von der Schule kommt, mit einer heissen Mahlzeit in Empfang. Um 16:30 folgt eine weitere geschäftliche Besprechung, die zum Glück nur eine halbe Stunde dauert. Zwischen 17 bis 18 Uhr bereite ich panierte Schnitzel zu, lade die Wäsche von der Maschine in den Trockner um und räume den Geschirrspüler aus. Lianne verlässt das Haus um 17:30 für einen Kurs und ausnahmsweise haben sich heute einmal andere Eltern geopfert, die Kinder in die Stadt zu fahren. Um 18 Uhr steht schon der nächste geschäftliche Termin an. Eine Einführung in ein neues System steht auf dem Programm, da muss ich nichts dazu beitragen, aber Aufpassen wäre von Vorteil. Nebenbei noch Wäsche falten liegt aber drin. Um 19 Uhr, während das Arbeitstempo in den USA erst so richtig heissläuft, linke ich mich aus, es ist jetzt wirklich genug für heute. Jetzt kommen die panierten Schnitzel in die Pfanne und während dem Fritieren schneide ich etwas frisches Gemüse auf. Bis Eyal nach Hause kommt, entleere ich noch schnell die Abfalleimer im ganzen Haus und verräume die saubere und perfekt gefaltete Wäsche. Später bringe ich die Küche wieder auf Vordermann und fahre einmal flink mit dem Besen durch die Stube. Feierabend!
Na, das habe ich ja wieder einmal fantastisch hingekriegt.

Als ich vor dem Zubettgehen in den Spiegel blicke, schaut mir eine um Jahre gealterte Frau entgegen. „Was staunst du?“ raunt sie mir zu, „bei diesem Tempo!“