Samstag, 20. August 2022

Diese Woche

Das Töchterchen springt zu steil Kopf in ein nicht sehr tiefes Schwimmbad und taucht blutüberströmt auf. Freunde fahren sie zu uns und der Vater eilt mit der Verletzten in den Notfalldienst, wo die aufgeplatzte Braue genäht wird.

P.S. Das Kind ist 27 Jahre alt.


Unser Menüplan sieht diese Woche etwa so aus:
Müsli mit Mango zum Frühstück
Freekeesalat mit gebratenem Tofu, Fetakäse und Mangostückchen zum Mittagessen
Mango-Eiscreme zum Dessert
Mango „einfach so“ zum Zvieri
Blattsalat mit Mango zum Abendessen
Kurzum: es ist Mangosaison. Nachdem ich am Freitag die letzten fast zehn Mangos für ein Picknick kleingestückelt habe, sind die wohl etwa hundert Früchte unserer Ernte vertilgt.
 



Der Popsänger Zvika Pick, der als einer der musikalischen Schätze Israels galt, stirbt im Alter von 72! Ich habe ihn sehr geschätzt und seine Musik geliebt. Der Tod dieses begabten Sängers ist ein grosser Verlust. Nun höre ich in Trauer seine wunderbaren Lieder.




Unser Sohn Itay feiert 25 Lenze. Nach drei Jahren im Militär und zwei Jahren in der Schweiz bereist Itay in den vergangenen sechs Monaten Mexiko, deshalb feiern wir auch diesen Geburtstag getrennt.
    Sowieso, denke ich, müssten an Geburtstagen eher die Mütter gefeiert werden als die Kinder. Ich bin doch die eigentliche Heldin dieses Tages. Er kann sich jedenfalls bestimmt nicht daran erinnern, wie mir an diesem Tag vor 25 Jahren der Bauch aufgeschnitten wurde und wie er, ein wunderbares Riesenbaby von fast 4.4 kg, unter Ziehen und Dehnen herausgehoben wurde. Die erste Berührung seiner Wange an meiner wird mir auf Ewig in Erinnerung bleiben: Es war die flauschigweichste Berührung, die ich je erlebt hatte! Und sie roch nach Zuckerwatte!
    Itay weiss auch nicht, dass ich kurz nach diesem aufwühlenden Moment tagelang mit schmerzendem Bauch und Achterbahn fahrendem Hormonhaushalt schluchzend durch die Korridore der Geburtenabteilung schlurfte. 
    Zuhause wurde es mit dem gefrässigen unruhigen neuen Baby, das nun zu der nur wenig älteren Schwester hinzukam, nicht einfacher. Es gab viele schöne, besondere, aufregende und lustige Momente mit diesem intelligenten, eigenwilligen und charakterstarken Kind mit seinem umwerfenden Humor, aber auch viele Schwierigkeiten und Sorgen.
    Und jetzt macht das freche Ding mit dem Motorrad Mexikos Strassen unsicher und lässt sich den Geburtstag feiern!

Am Seeufer entlang spazierend behauptete Itay, als ich ihn vor etwa zwei Jahren in Zürich besuchte, dass er nie sesshaft sein möchte, nie eine geregelte Arbeit aufnehmen und nie heiraten werde. Na gut. Wenn er nur zufrieden ist, dann bin ich es auch. Ich wünsche ihm alles denkbar Gute in seinem Nomandenleben und hoffe, dass er vielleicht doch an einem seiner nächsten Geburtstage ein Stück Kuchen mit uns essen wird.



Ein SUP-Gruppenausflug, den ich mir als angenehme Entdeckungsreise entlang versteckter Buchten auf spiegelglattem Meer vorstelle, entpuppt sich im Laufe des Morgens als mehrstündige anstrengende sportliche Aktivtiät mit sehr herausforderndem Wellengang. Na ja, das macht auch Spass, nur anders. Jetzt bin ich Weltmeisterin im Gleichgewichthalten, das soll ja besonders wichtig sein, wenn man älter wird! Dass ich im Moment einige Stunden Entspannung nötiger hätte als sportliche Auszeichnungen, lassen wir mal beiseite. Im Herbst soll das Meer ruhiger werden, dann werde ich bestimmt noch auf meine Kosten kommen.









Samstag, 6. August 2022

FreierMorgenAlleinezuHauseGuteLauneTätigkeiten:



Wissen sie, welche wichtige Geschmackskomponente in gekauftem Holunderblütensirup fehlt? Richtig – Sonne!
Holunderblütensirup muss im Spätsommer mehrere Tage in einem grossen Becken im Schatten vor sich hindümpeln, bevor er aufgekocht und in Flaschen abgefüllt wird. Dann ist Holunderblütensirup greifbar gemachte Sonne in Flaschen. Das ist mir heute morgen klar geworden, unter anderem.


FreierMorgenAlleinezuHauseGuteLauneTätigkeiten:



Gleich nach dem Aufstehen im Garten die reifen Mangos auflesen, die vom Baum gefallen sind

Mango zum Frühstück essen, dazu die gestern gekauften von süsser Reife aufgeplatzten Feigen

Youtube-Playliste hören (gerade so laut, dass man die Luftschutzsirene noch hören würde)

Einen Hefeteig anrühren und Zöpfe formen (nur diesen, nicht irgendeinen)

Lied Everybody's Free von Baz Luhrman’s mehrere Male hintereinander anhören und den Text verinnerlichen

Zum Beispiel

Don't waste your time on jealousy
Sometimes you're ahead, sometimes you're behind
The race is long and in the end, it's only with yourself
Und

Dance, even if you have nowhere to do it but your own living room

Lillet Holunder trinken (4 cl Lillet blanc, 2 cl Holunderblütensirup, etwas Sekt und Sprudelwasser), dazu frisch gebackenen Zopf essen

Sich an den hausgemachten Holunderblütensirup deiner Kindheit erinnern 

Ganz alleine zum Lied It’s Wonderful von Paolo Conte durch die Stube tanzen





Mittwoch, 3. August 2022

Eine Türe weiter

Als ich kürzlich zwei neuen Bekannten erkläre, was und wo ich arbeite, reagieren sie mit offensichtlichem Mitleid und Abneigung. Die Frau, eine Künstlerin (eine richtige, nicht so eine Feierabend-Künstlerin wie ich) rümpft sogar ungeniert die Nase und kann sich ein “Oh wie schrecklich!“ nicht verkneifen. Dabei arbeite ich nicht etwa bei der städtischen Müllabfuhr. Aber – ich bin wohl das, was man sich allgemein unter einem grauen Computermäuschen vorstellt. Meine Arbeit auf dem Gebiet regulatorische Anforderungen für die Zulassung von Medikamenten lässt nur wenig Raum für individuelle Interpretationen, fordert akribisch genaues Detailwissen und konzentrierte Arbeit am Computer. Der stereotypische Beamte, der sich im stillen Kämmerlein in sisyphischer Arbeit mit Dokumentenbergen abschindet, bis er eines Tages vom Stuhl fällt – er könnte tatsächlich, wie ich, an der Zulassung von Medikamenten bei Gesundheitsbehörden gearbeitet haben.

Nun drängt mich nicht das Verlangen, dieses Stereotyp zu widerlegen oder mich zu rechtfertigen. Aber die negativen Reaktionen haben mich doch etwas erschüttert und ich frage mich, wie ICH es eigentlich ertrage, auf einem Fachgebiet zu arbeiten, das andere "schrecklich" finden. 

Tja, was kann man machen, nicht jedermann blüht auf in Zusammenarbeit mit anderen Menschen, mit Schülern, Patienten oder Kunden. Ich persönlich bin und arbeite gerne alleine. Im Alleinsein schöpfe ich meine Kraft. Soziale Kontakte brauche ich nur sehr genau dosiert. Stundenlang alleine und ungestört etwas zu werkeln, dabei Musik zu hören und den Tagträumen freien Lauf zu lassen ist für mich auch in meiner Freizeit der erfüllendste Zeitvertrieb überhaupt. 

Ich habe vielfältige Talente und Hobbys. Aber auch in meiner Kreativität bin ich, ohne mich anzustrengen, akribisch genau. Während meine Geschwister als Kinder die Freizeit in gängigen Jugendbewegungen verbrachten, baute ich meiner fünf Zentimeter grossen Puppe einen Wohnwagen aus Streichhölzern mit detailgetreuer Inneneinrichtung und spannte ein kleines Holzpferdchen vor, damit sie auf Reisen gehen konnte. Als ich vor einigen Jahren einen Töpferkurs besuchte, lachten die Kursteilnehmer über die millimetergenaue Exaktheit meiner künstlerischen Resultate. Obwohl ich meinen Händen freien Lauf gelassen hatte, behaupteten sie, ich besässe ein eingebautes Lineal. 

Der Weg zu meinem „langweiligen“ Beruf hingegen verlief eher kurvenreich. Als ich im zweitletzten Jahr das Gymnasium verlassen wollte, um Schneiderin zu lernen, legten meine Eltern ein kräftiges Veto ein. Sie wollten mir beibringen, etwas Angefangenes zu Ende zu bringen und heute verstehe ich, dass dieses Konzept manchmal seine Richtigkeit haben kann. Mein Wunsch, Schneiderin zu lernen wurde nach der Matura verdrängt von einem diffusen aber chronischen Fernweh und in meiner jugendlichen Verwirrtheit glaubte ich, dass das Studium der Ethnologie die Anwort darauf sein könnte. Ein klägliches Semester lang konnte ich das Gefühl nicht ablegen, eine ziellose und verlorene Studentin unter ziellosen und verlorenen Studenten zu sein. Dann warf ich das Konzept, alles Angefangene zu Ende bringen zu müssen, über den Haufen und beschloss, doch einen kreativen Beruf zu lernen. Aber unterdessen kam zu meinem chronischen Fernweh die Bekanntschaft mit einem jungen Mann aus Israel und schlussendlich konnte mich auch die eben bestandene Aufnahmeprüfung an die Kunstgewerbeschule nicht mehr halten.

In Israel musste ich meinen Lebensunterhalt verdienen und konnte, ohne Ausbildung, ohne Hebräischkenntnisse und ohne Arbeitsbewilligung nicht mehr wählerisch sein. Über einige grandios gescheiterte Versuche als Kellnerin erkämpfte ich mir langsam den Weg in ein geregeltes Arbeitsleben und zu einem Lohn, mit dem ich einen gleichwertigen Beitrag an unser wachsendes Familienbudget beisteuern konnte. Als mir eine Stelle als anzulernende Sachbearbeiterin in einer renommierten pharmazeutischen Firma angeboten wurde, zögerte ich keine Sekunde. Und seither baue ich in sisyphischer Kleinarbeit im stillen Kämmerlein Dokumentenberge ab… 

Nein, so traurig ist es natürlich nicht, auch wenn es so aussehen mag.

Die Jahre in der Firma waren geprägt von vielen verschiedenen Abschnitten, Änderungen und Entwicklungen. Herausfordernde Projekte lösten sich mit langweiligeren Phasen ab. Als unsere Kinder klein waren, passten mir vor allem die gleitende Arbeitszeit und das Verständnis für die Bedürfnisse einer jungen Mutter. Ab und zu brachten mich unausstehliche Mitarbeiter oder einfach der Wunsch nach Veränderung dazu, nach einer anderen Arbeit Ausschau zu halten. Meistens stellte sich dann heraus, dass ich in dem sprichwörtlichen goldenen Käfig sass, aus welchem auszubrechen man schon sehr zwingende Gründe haben musste. Dass die finanzielle Belastung unserer Familie nicht nur auf den Schultern meines Mannes lasten sollte, war und ist mir noch immer wichtig.

Zum Glück habe ich neben meiner Arbeit immer Zeit für meine Hobbys, für Sport und meine kreative Ader gefunden. Dass man mit Handarbeiten, oder überhaupt den Dingen, die einem wirklich gut tun, kein Geld machen kann, habe ich schon lange akzeptiert. Und ja, kann sein, vielleicht habe ich einfach nicht genug Courage oder künstlerischen Drang.


Einmal bin ich in einem schicken Züricher Altstadtquartier vor der kleinen Boutique einer Maßschneiderin stehengeblieben. Über die eigenwilligen, genau gearbeiteten und sehr teuren Modelle im Schaufenster erhaschte ich einen Blick auf die Fachfrau im Hintergrund und mein Herz machte einige Sekunden Pause. Das hätte ICH sein können. Genau so. Hier in Zürich. Ich hätte meine Tage mit dem Entwerfen und Schneidern schöner Kostüme verbringen können. Mit vielfältigen inspirierenden Stoffen, anstatt mit peniblen Regelungen und akribischer Computerarbeit.

Aber wie wäre der Rest meines Lebens verlaufen, wenn ich diese Türe geöffnet hätte und nicht eine andere? Ich hätte mit ziemlicher Sicherheit eine andere Familie. Vielleicht hätte ich die bereichernde Erfahrung in einem anderen Land zu leben verpasst. Vielleicht hätte ich Ärger mit dem Ladenvermieter oder mit launischen Kundinnen. Ich hätte ein anderes Leben. Ein besseres Leben? Das werde ich nie wissen. Immerhin habe ich noch Träume. Das mit der Schneiderin werde ich vielleicht verwirklichen, wenn ich pensioniert bin oder halt in einem nächsten Leben.

Doch, ich habe Grund genug, meine Arbeit zu mögen, obwohl das Fachgebiet auf den ersten Blick für viele abschreckend sein mag. Ich habe viel Freiheit, einen guten Lohn, mein Wissen und meine Erfahrung werden geachtet. Ich schätze es, dass ich mich immer wieder mit kniffligen, organisatorischen und auch mentalen Herausforderungen auseinandersetzen muss. Unterdessen leite ich ein Team und viele Projekte. Es kostet mich einige Überwindung, Angestellte zu leiten, aber auch das ist eine bereichernde Erfahrung. Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass ich tatsächlich nützliches Fachwissen weitergeben kann und jüngere Mitarbeiter von mir lernen. Dabei bin ich immer wieder überrascht, dass – trotz wiederholter Betonung, wie wichtig in diesem Fach die Beachtung der kleinsten Details ist – mich in meiner akribischen Genauigkeit einfach keiner schlagen kann.

Die Fotos in diesem Beitrag sind einige meiner Feierabendprojekte.