Die Sonne ist eben erst aufgegangen. Die Vögel zwitschern. Blühende wilde Iris und Veilchen säumen meinen Weg, bevor ich die Klippen zum Meer hinuntersteige. Es riecht nach Frühling...
So fangen unzählige meiner Blogbeiträge an. Aber etwas ist anders. Ich kann keine lustigen oder unterhaltsamen Beiträge mehr schreiben. Die Katastrophen nehmen in diesen Tagen ein Ausmass an, das es nicht mehr erlaubt, unbesorgt wegzuschauen. Der Aufstieg despotischer und terroristischer Gruppierungen, Kriege, Flüchtlingskatastrophen, Heuschreckenplagen, Pandemien.
Die Ausbreitung des Corona-Virus, aber noch viel mehr die Massnahmen der Gesundheitsbehörden und die daraus resultierende Massenpanik, machen Angst. Schulen, Universitäten, Industrien und der Luftverkehr sind lahmgelegt. Es ist ungewiss, wohin sich das in den nächsten Wochen oder Monaten noch entwickeln wird. Aber während die Corona-Hysterie mir trotz allem noch wie ein völlig unwirkliches Massenspektakel vorkommt, offenbart sich mir beim Laufen am Strand auch heute wieder der wahre ökologische Super-Gau: mit Plastikabfällen überfüllte Strände. Es ist ein absolut apokalyptisches Bild an einem menschenleeren Strand um sieben Uhr morgens: Plastikfässer, Plastikmöbel, Plastikflaschen, Plastikdeckel, Plastikbeutel, Plastikgeschirr und Plastikdosen. Plastikteile und -partikel in allen Grössen und Formen, vom stürmischen Meer in den Wintermonaten tonnenweise an die Strände gespült und liegengeblieben. Die Strandabschnitte, die ich kilometerweise joggend hinter mich bringe, liegen unter hohen Klippen geschützt und werden selten von Menschen besucht. Die Abfälle stammen ohne Zweifel aus dem Meer. Nun sind dreckige Strände im Winter für mich kein neues Bild. Aber heute entdecke ich überrascht zwei Putzleute, die nun, zum Ende der stürmischen Jahreszeit, damit beauftragt sind, die Katastrophe wegzuräumen. Die grösseren Plastikteile laden sie direkt auf ein Geländefahrzeug mit übervollem Anhänger, die kleineren klauben sie umständlich zwischen Steinchen und Sand hervor und sammeln sie in unzähligen Abfallsäcken ein. Die Verschmutzung ist so horrend, dass die beiden Angestellten wohl kaum einen halben Kilometer pro Tag schaffen. Aber sie scheinen es nicht eilig zu haben, vermutlich haben sie für ihre sisyphische Kleinstarbeit den ganzen Sommer über Zeit. Bis im Winter. Dann wird uns das von stürmischen Winden aufgepeitschte Meer erneut Plastikabfälle vor die Füsse speien. Und die Arbeit kann von vorne beginnen.
Das Mittelmeer ist zugemüllt. Plastik ist kaum abbaubar und er verschwindet nicht einfach. Wir können ihn wegtragen, aber der von uns produzierte Abfall kommt unweigerlich zu uns zurück. Können sie sich erinnern, dass sie in der Schule vom Kreislauf des Wassers gelernt haben? Vom Wasser auf der Erde, das verdunstet, sich zu Wolken bildet und wieder hinunterregnet? Genau so scheint es sich nun mit dem Plastik zu verhalten. Wir schmeissen ihn irgendwo weg und dann liegt er unverschämterweise an einem anderen Ort wieder da.
Der Gedanke, dass es zwischen den verschiedenen Katastrophen einen Zusammenhang geben könnte, lässt sich nicht mehr verdrängen. Ich betrachte die Männer, die hier in stoischer Ruhe Berge von unvernichtbarem Abfall wegtragen, während sich ein tückischer und destruktiver Massendefekt ausbreitet und alles Leben lahmlegt. Die Pandemie als skandalöse Wiederkehr der Natur. Mein Kopf brummt, dabei sollte er doch beim Laufen zur Ruhe kommen. Liegt vor uns die umfassende ökologische Katastrophe? Der Zusammenbruch der Zivilisation? Oder immerhin eine heimtückische Selektion? Aber sicherlich wenigstens ein Weckruf, dass wir nicht mehr hemmungslos weiterfeiern und weiterkonsumieren können, als gäbe es kein Morgen.
Trügerische Idylle... |
4 Kommentare:
Nun lebe ich nicht am Meer (leider) und kenne diese Plasatikmüllberge nur aus Berichten und Bildern, kann mich aber erinnern, dass ich das mit meinen Eltern im Urlaub schon vor Jahrzehnten zu Gesicht bekam. Das Problem ist also nicht neu, es wird seither nur mehr in die Säuberung der Strände investiert, zumindest hier in Europa in den beliebten Feriengebieten. Jetzt kam doch eine Nachricht, dass in einem weit unten auf dem Meeresboden lebenden mir bislang unbekanntem Tier auch Plastik gefunden wurde. Diese Microteilchen. Plastik ist überall.
Ich bin ein lebensfroher Mensch, mein Glas ist schon immer halb voll gewesen, davon hat mich auch eine schwere Erkrankung (deren Überleben nicht garantiert war) nicht abgehalten, ich bin fröhlich und ich lebe gerne. Aber ich habe aufgegeben.
Es macht mich unendlich traurig, ich werde auch weiterhin Müll trennen, Abfall vermeiden, Ökowaschmittel und dergleichen benutzen, im Bioladen einkaufen und all diese Dinge tun, aber ich habe irgendwo aufgegeben. Vor 35 Jahren lebte ich in einer Wohngemeinschaft in einer großen Uni-Stadt, die Ökobewegung fing gerade so richtig an, die ersten Bioläden kamen und mit ihnen das Bewußtsein, etwas anders machen zu müssen. Wir trennten Müll. Wir sammelten die Aludeckel der Yoghurtbecher. Und wir aßen furchtbar schmeckende Bioschokolade, alles aus Überzeugung.
(Teil 2, weil es sonst nicht geht:) Wir fühlten uns richtig dabei, es war ja auch richtig. Und heute komme ich in die Büros genau dieser Leute, die mit mir damals zusammen Aludeckel sammelten, und was steht da? Einer dieser Kaffeekapselmaschinen und ich frage, was das soll und es kommt ein Schulterzucken und die lapidare Antwort "aber es schmeckt wirklich richtig gut, besser als normaler Kaffee". Ja dann, nur zu. Noch mehr Müll produzieren.
Von den in deutschland ansässigen Fleischproduzenten will ich jetzt gar nicht anfangen, sonst gerät mein Blutdruck außer Kontrolle, dieses Elend, und was das für die Umwelt heißt, auch das ist hinlänglich bekannt. Hinlänglich.
Ich habe aufgegeben. Mahatma Gandhi hat gesagt, die Welt habe genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier. Und das ist der Motor, der hinter allem steht, die Geldgier. Der Tanz ums "Goldene Kalb" ist immer noch und immer wieder in vollem Gange. Ich glaube einfach nicht, dass wir dagegen ankommen. Die Welt zeigt es uns doch gerade, die von Dir beschriebenen Katastrophen und Ereignisse zeigen es uns doch, dieser Tanz führt in den Abrund. Und doch wird weiter getanzt.
Ich habe vor vielen vielen Jahren ein Interview im Politmagazin "Der Spiegel" gelesen, bestimmt 20 Jahre wenn nicht mehr ist es her, es ging um einen Naturwissenschaftler, leider erinnere ich mich nur rudimentär, der die amerikanische Regierung beraten hat, ich glaube ein Engländer, ein hoch angesehener kluger Kopf, Physiker, Chemiker, irgenwas in der Art. Es ging um Technologien, die die Menschheit bedrohen können, Waffen glaube ich, aber ich weiß es wirklich nicht mehr, nur dass es bedrohlich war. Und als er begriffen hatte, dass er nur das Aushängeschild war, mit ihm konnte die Administration zeigen, wir tun was, wir holen uns das Wissen und entscheiden dann "richtig", aber im Hintergrund die alten miesen Geschäfte weiter liefern, da hat er aufgegeben und sich mit seiner Frau in ein Cottage in England zurück gezogen, dort züchtete er Rosen. Er war untergetaucht und zwei Redakteuren des Spiegel war es gelungen, ihn zu finden und sie brauchten lange, bis er sich zu einem Interview überreden ließ. Da redet er von der Schönheit der Welt und den Menschen, die dabei sind, diese Welt zu zerstören und dass er begriffen habe, dass er mit keinem Wissen und keinem Argument der Welt gegen die Geldgier ankommt. Und sich deshalb entschlossen habe, einfach zu leben. Und Rosen zu züchten.
Seither sage ich immer zu meiner Schwester, die im Orient lebt und viel näher mitbekommt, was sich politisch da zusammenbraut, lass uns Rosen züchten gehen. Es ist unser Synonym für lass uns leben, solange wir es noch so können und lass uns das schöne daran genießen. Wir können die Katastrophe nicht aufhalten.
Liebe SaMaTe,
Danke für deinen Kommentar, ich kann deine Gefühle vollkommen nachempfinden. Ich befürchte auch, dass die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten ist. Wir sind schon mittendrin. Ich hoffe nur, dass hier keine jungen Leute mitlesen. Für sie tut es mir leid...
Wenn meine Nichten und Neffe da sind, dann reden wir auch ganz anders, es ist ja ihre Zukunft und vielleicht kriegen sie es ja in den Griff. Ich würde es mir für sie so sehr wünschen.
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