Die Katzen sind wohlauf, sie strecken und recken sich zufrieden. Ich finde zunächst nichts Ungewöhnliches daran, lebende Katzen in meinem Koffer mitzutransportieren – bis meine Familie die Fracht entdeckt. In diesem Moment wird mir mit erschreckender Deutlichkeit klar, welch unlösbare Probleme ich uns allen aufgebürdet habe.
Dass Eyal Katzen nicht mag, ist dabei noch das kleinste. Plötzlich begreife ich, dass die Tiere bei einer Weiterreise elendiglich ersticken könnten. Irgendwann müssten sie auch ihre natürlichen Bedürfnisse verrichten – in meinen sauberen Kleidern? Aber selbst das scheint mir nun noch das geringere Problem. Die Grenzkontrolle im Zielland würde die Katzen ohnehin nicht hineinlassen. Und selbst wenn ich sie durchschmuggeln könnte – wie sollte ich sie vor dem Besitzer des Ferienhauses verbergen?
Was hatte ich mir nur gedacht?
Die beiden erwachsenen Katzen sind Bubu und Tschätterli, die Katzen aus meiner Kindheit. Ich kann sie unmöglich hier zurücklassen.
Was soll ich nur tun? Zurückreisen ist keine Option, weiterreisen mit den Katzen auch nicht. Meine Familienmitglieder sagen nichts, doch ihre Blicke sprechen Bände. Ich bin verzweifelt. Eine ausweglose Situation!
Dann wache ich schweissgebadet auf. Es dauert eine Weile, bis der Schrecken von mir abfällt und ich erleichtert erkenne: Es war nur ein Traum.
Ich reise gar nicht in die Ferien. Und vor allem, habe ich keine Katzen im Koffer.
Doch der Traum lässt mich nicht los. Noch Tage später denke ich darüber nach. Es ist offensichtlich, dass mich etwas beschäftigt – etwas, das mir Wichtig ist und zugleich mich und meine Familie belastet.
Im Oktober verbrachte ich zwei Wochen in der Schweiz, in meinem Elternhaus, in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. So lange war ich seit Jahren nicht mehr dort.
Fast fühlte ich mich wieder wie eine Schweizerin. Ich gewann Abstand zu Israel. Was hat der ganze "Balagan" dort überhaupt mit mir zu tun? Während sich meine Verbindung zu Israel lockerte, frischte ich Erinnerungen an meine Kindheit auf. Ich blätterte in den vergilbten Büchern, staunte über den Teddybären, der fast so alt ist wie ich. Durch die Nähe zu meinem Vater besserte sich unser Verhältnis, zwischen uns kehrte Frieden ein.
Dann liess ich einmal mehr alles zurück.
Doch in der Schweiz sehnte ich mich nach der Wärme und dem Licht Israels. Nach meiner Rückkehr geniesse ich die Sonne in vollen Zügen, atme auf, als die Dunkelheit von mir abfällt.
Doch schon nach wenigen Tagen erscheint mir die Landschaft, durch welche ich auf meinem Arbeitsweg fahre, staubig, farblos und ernüchternd eintönig.
Jetzt denke ich mit Sehnsucht an die leuchtenden Herbstfarben der Bäume und Wälder auf den Hügeln meiner Heimat, der Schweiz.
Es gibt schlimmere Albträume, schlimmere Probleme, als zwischen zwei Ländern und Kulturen hin- und hergerissen zu sein. Doch einige Tage nach diesem Traum finde ich es einfach faszinierend, wie uns unsere inneren Konflikte oft mit einer Klarheit einholen, der man sich nicht entziehen kann.
Träume haben auch etwas Tröstliches, sie zeigen, dass unser Inneres unermüdlich darum bemüht ist, Ordnung in das Chaos unserer Gefühle zu bringen. Und das auch noch überwältigend fantasievoll.