Mittwoch, 23. August 2023

Schlaflose Nächte

An der Hitze kann es nicht liegen, unsere Klimaanlage funktioniert tadellos. Attentate? Die innenpolitische Situation? Stress im Job? Der schnarchende Partner? Nein, das ist es auch nicht, diese üblichen Störfaktoren sind – schrecklich genug – längst zur Gewohnheit geworden.

Es geht um meine Tochter. Nach zwei Monaten in Kanada wird sie sich heute von ihren israelischen Reisefreunden trennen und morgen alleine nach Hause reisen. Dabei muss sie in Downtown Toronto den UP Express zum Flughafen besteigen. Vom Flughafen kann sie mit dem Shuttlebus zum Hotel fahren. Sie wird eine Nacht im Hotel übernachten und am Donnerstag erneut den Shuttlebus zum Flughafen nehmen, einchecken und nach Tel-Aviv fliegen. Das alles in Begleitung – eines Riesenkoffers mit beträchtlichem Übergewicht und einer aus allen Nähten platzenden Reisetasche. Aber sonst alleine.

Der UP Express fährt ab Downtown Toronto alle 15 Minuten direkt ins Terminal 1. Das Ticket kostet $12.35. Die Shuttlebusse fahren alle 40 Minuten vom Terminal ins Hotel. Auf der Webseite des wie es scheint riesengrossen International Pearson Toronto Flughafen gibt es eine interaktive Karte, die bei Eingabe des aktuellen Standortes und einer Zieldestination eine Schritt-für-Schritt-Beschreibung generiert. Das alles weiss ich unterdessen bestens, denn ich verbringe schon Tage mit Internetrecherchen. Bei Tageslicht betrachtet sollte das alles eigentlich machbar sein, auch wenn man erst 21 und reiseunerfahren ist.

Aber nachts! Nachts jagen sich in meinen Wach-/Schlafträumen abwechselnd abscheuliche Schreckensvorstellungen und schweisstreibende Horrorszenarien. Mein Töchterchen, hungrig, frierend, verloren und weinend in einer dunklen Ecke des unübersichtlich weitläufigen Flughafens sitzend, ihre Gepäckstücke aufgeplatzt, ihr Hab und Gut zerstreut, die Pässe verloren, die Handybatterie leer, von Passanten unbeachtet, einige zwielichtige Lüstlinge um sie herumschleichend.

Aber was kann schon passieren? versuche ich mich zu beruhigen, während ich mich schlaflos im Bett von Seite zu Seite drehe. Im schlimmsten Fall verpasst sie den Flug und nimmt den nächsten. Oder bleibt einfach noch ein paar Tage. Nichts, das mit etwas Unkosten nicht zu lösen wäre.

Am Donnerstag, während sie vom Hotel zurück zum Flughafen fahren, einchecken und sich zum Gate begeben soll, werde ich für etwa zwei Stunden nicht erreichbar sein. Ich habe mich zum Stehpaddeln bei Sonnenuntergang angemeldet. Ob das eine gute Idee ist? Ich versuche mich ja abzunabeln, aber vielleicht sollte ich jetzt einfach endlich einmal einen wasserdichten Beutel für mein Handy besorgen. Dann könnte ich vom Paddelboard aus telefonierend die Welt unter Kontrolle halten und Anweisungen geben: Lift zu Level 1, 50 Meter nach rechts, eine Treppe runter, Lift zum Ground Level, 100 Meter geradeaus, Türe R...