Gemäss den aktuellen Corona-Regelungen muss ich mich nach Rückkehr aus einem Land, das auf Israels roter Liste steht (Schweiz), zwei Wochen in Quarantäne begeben. Mit einem negativen PCR-Test kann ich die Quarantäne auf Wunsch nach sieben Tagen verkürzen. Auch nach der Ankunft am Flughafen Tel-Aviv musste ich mir schon für einen Test in der Nase bohren lassen. Ich war überrascht, wie flott die Ankommenden durch die verschiedenen Stationen (Passkontrolle, PCR-Test, Gepäckabgabe) katapultiert wurden. Nach knapp 15 Minuten konnte ich den Flughafen verlassen, nach Durchführen des PCR-Tests, mit dem Koffer in der Hand und der Verpflichtung, für meine Heimisolation zu sorgen.
Von diesem Moment an trafen während einer Woche mehrmals täglich SMS-Nachrichten der Covid-Polizei ein, um meine Quarantäne zu überwachen. Vor dem Flug hatte ich dem elektronischen Ortungsverfahren zugestimmt und meine Quarantäneadresse angegeben. Wer sich nicht elektronisch orten lassen möchte, muss sich einfach ab und zu auf einen Besuch der Polizei
in persona gefasst machen. Ich bevorzugte die elektronische Variante und deshalb durfte nun die Polizei über Satellitenortung jederzeit überprüfen, ob ich auf dem Bürostuhl im Zimmer oder auf dem Sofa in der Stube sass.
Die Isolation empfand ich als höchst willkommene Einrichtung um mich von der seelischen Aufgewühltheit, den Strapazen und Eindrücken der Reise zu erholen. Ich konnte schlafen bis ich ohne Wecker aufwachte, im Heimbüro arbeiten und mir über Mittag im Garten die Wintersonne auf den Pelz brennen lassen. Ausserdem trug ich eine Woche lang dieselben alten Kleider, wusch meine Haare nicht, liess mein Fitnesstraining sausen und mir die Einkäufe vom Supermarkt nach Hause liefern. Die israelische Covid-Polizei konnte stolz auf mich sein, ich war unbestreitbar die Klassenstreberin in diesem Verein der zu Überwachenden. Ich verspürte nicht die geringste Versuchung, aus dem Gefängnis auszubrechen. Mit gutem Gewissen und in sekundenschnelle verschickte ich per Fingerdruck eine Woche lang Standortmeldungen aus der angegebenen Wohnadresse.
Mit einem weinenden Auge beschloss ich aber doch, nach einer Woche den zweiten PCR-Test zu machen, um die Quarantäne zu verkürzen.
Die nächste Drive-in-Teststation ist nur wenige Autominuten von unserem Wohnort entfernt. Mit der geschätzt mehrere hundert Autos langen Warteschlange hatte ich jedoch nicht gerechnet. Die Krankenzahlen schnellen in diesen Tagen wieder in die Höhe und sowohl Reiserückkehrer als auch Personen, die aufgrund von Kontakt mit Corona-Kranken in Quarantäne sind, müssen den Test über sich ergehen lassen.
Es ist Schabbat, ich habe gerade nichts anderes zu tun und wie es aussieht, bewegt sich die Autoschlange ziemlich schnell voran. Also reihe ich mich ein und dann staune ich nur noch über dieses Beispiel musterhafter Organisation. Da können sich andere Länder
– auch solche, die sich für Meister der Ordnung halten
– getrost eine Scheibe von uns abschneiden. Eine grosse Anzahl junger Leute, wahrscheinlich Studenten, frischen temporär mit den Test-Aktivitäten ihr Taschengeld auf. Die Tests sind von der israelischen Heimatfront organisiert und gratis. Das nun folgende Szenario dauert etwa 40 Minuten und verläuft wie folgt: Schon ziemlich am Anfang wird der Verkehr auf der langen Strasse vor der Teststation in zwei Reihen auf beide Seiten der Fahrbahn geschleust. Flugblätter mit einem einzulesenden Code werden verteilt. Mit dem Code öffnet sich ein elektronisches Formular auf dem Handy, mit welchem ich mich für den Test anmelde (ich tippe fahrend am Steuer, wohlgemerkt). Man kann aus etwa fünf verschiedenen Gründen für den PCR-Test wählen. Für mich relevant ist die letzte: Verkürzung der Quarantäne. Das Ausfüllen des Formulars wird mit Erhalt eines Strichcodes bestätigt. Jetzt bin ich registriert. Dann fahre ich im Schritttempo weiter und als ich mich endlich der Teststation, einem grossen Plastikzelt nähere, geht es weiter mit der Registrierung: Ein Angestellter liest meinen Strichcode ein und übergibt mir zwei Klebeetiketten, die er einem kleinen handgehaltenen Drucker entnimmt. Nach den zwei Autos vor mir bin ich an der Reihe: Ich übergebe meine Kleber einer der jungen Frauen im Schutzanzug. Sie entnimmt flink die Proben aus meinem Rachen und Nase, ohne dass ich das Auto verlassen muss. Der Test dauert zwanzig Sekunden, dann bin ich entlassen und darf nach Hause fahren.
Weil aufgrund des grossen Ansturms Verzögerungen beim Erhalt der Resultate entstehen könnten, mache ich mich auf mindestens zwei weitere Tage in Quarantäne gefasst. Aber schon nachts um zwei, während ich schlafe, senden mir die fleissigen Mitarbeiter des Testlabors eine Mitteilung, dass die Testresultate negativ sind. Zwei Stunden später, um 4:06, folgen die Mitteilungen des Gesundheitsministeriums und der israelischen Covid-Polizei, dass ich das Quarantänegefängnis ab 2.1.2022 um 04:04 verlassen darf. Um 8:01 hinkt meine Krankenkasse mit derselben Nachricht hinterher. Somit sind nun sämtliche Systeme synchronisiert, die mich, mein Leben und jeden meiner Schritte in engmaschiger elektronischer Überwachung unter Kontrolle haben.
Für die israelische Covid-Polizeit bedeutet das Ende meiner Quarantäne der Verlust der geflissentlichsten Kontrollandin. Für mich bedeutet es: Zurück in den Alltag.