Donnerstag, 10. Oktober 2024

Noch lange nicht vorbei

Bis vor etwas mehr als einer Woche hatte ich den Eindruck, mich vom Schock des 7. Oktober-Massakers und der neuen Situation, die das Massaker mit sich gebracht hat, ein wenig erholt zu haben. Ein leises Gefühl, dass ich das Trauma verarbeiten könnte und dass irgendwann doch alles wieder gut wird, schlich sich ein. Ich öffnete diesem Gefühl alle Tore und rollte ihm den roten Teppich aus.

Doch jetzt bricht alles wieder auf.

Alon kommt am Tag vor Itays Abreise zu Besuch. Seine Freunde tragen ihn im Rollstuhl über die nicht rollstuhltaugliche Stufe am Eingang. Er lässt es sich nicht nehmen, sich auf sein eines Bein zu erheben, um uns zu begrüssen. Am Dienstag schaue ich mir die Reportage über ihn (und andere Schwerverletzte) auf Kanal 12 im israelischen Fernsehen an. Alon ist ein bewundernswerter Mensch. Er legt mehr Initiative an den Tag als viele von uns, die noch über alle Extremitäten verfügen. Er ist ein begabter Schauspieler, charismatisch, lustig und intelligent. In der Reportage ist auch Itay zu sehen und ich erkenne Aufnahmen aus ihren gemeinsamen Reisen. Die Konfrontation ist schwer und lässt mich zutiefst verwirrt zurück.

Zum ersten Mal vernehme ich die Geschichte von Roee, einem Bekannten von Sivan aus unserem Nachbardorf. Roee, seine Partnerin und eine beste Freundin suchten am 7. Oktober Schutz vor dem Kugelhagel unter zwei Autos. Seine Partnerin Agam und Hili, die Freundin, wurden neben ihm liegend erschossen, Roee überlebte mit mehreren Schusswunden und verharrte lange Stunden neben den zwei Ermordeten. Roees Mutter konnte die Situation nicht bewältigen, sie beging zwei Wochen nach seiner Rückkehr Selbstmord.
Sivan hat noch einen weiteren Bekannten und ehemaligen Klassenkameraden mit dem Namen Roee. Dieser ist am 19. November in Gaza gefallen.

Mein Arbeitgeber organisiert einen Vortrag von Meirav Tal, der 54-Jährigen, die aus dem Kibbutz Nir Oz nach Gaza verschleppt und Ende November freigelassen wurde. In der Geiselhaft wurde sie weder geschlagen noch sexuell misshandelt, doch nach ihren Berichten verstehe ich, dass jede einzelne Sekunde in dieser Hölle jenseits der Schmerzgrenze gewesen sein musste. Ihre Aussagen sind erschütternd.

Zum Gedenken an das Massaker sind die Medien voll von weiteren unerträglichen Berichten von Überlebenden und ehemaligen Geiseln. Darunter auch viele Kinder. Ich höre mir einige an und kann die Ausmasse der Gräueltaten einfach nicht fassen.

Bei Markus Lanz' Sendung vom 8. Oktober auf ZDF verfolge ich den Bericht des sehr aufgewühlten Alon Gat, der ganz offensichtlich schon ein Jahr lang Furchtbares durchmacht.

Immer wieder sprechen wir über Nitzan und dass ausgerechnet sie, die immer sehr ängstlich war, ihre letzten Stunden in panischer Angst verbringen musste.

Ich finde Lianne fast psychotisch lachend am Handy, wo sie sich alte Tiktok-Filmchen mit ihrer Freundin Shir ansieht. Lianne macht mir Angst. "Sie lebt nicht mehr", lacht Lianne, als wäre sie nicht bei Sinnen.

Ich weiss nicht – ist jemand von uns überhaupt bei Sinnen?

Es gibt jetzt Tausende solcher Schicksale in Israel. Und täglich, wirklich täglich, hören wir von neuen Ermordeten, von Attentaten in Tel-Aviv, Beersheva, Hadera, von Ermordeten durch Raketeneinschläge, und täglich von gefallenen Soldaten.




Dienstag, 8. Oktober 2024

Tage im Oktober

Meine Gefühle fahren Achterbahn. Die iranische Attacke, das Neujahrsfest, meine Geburtstagsfeier mit den Kindern in einem verwöhnenden Hotel, nur wenige Stunden danach Itays Flug in die Schweiz (ohne Rückflug), Krieg an allen Fronten, der Jahrestag des 7. Oktober-Massakers, unser 30. Hochzeitstag. Es ist alles ein bisschen viel.

Es sind schwere Tage um den 7. Oktober. Man konnte die Agonie des israelischen Volkes förmlich im ganzen Land spüren. Gedenkfeiern wurden abgehalten, auf den Friedhöfen, auf öffentlichen Plätzen, in Privathäusern. Die Medien sind übervoll mit unfassbaren Berichten. Mein Herz ist unendlich schwer. Ich gedenke der Opfer privat und im Stillen, wie ich es eigentlich seit dem 7. Oktober rund um die Uhr tue, doch heute etwas bewusster. Ich nutze dabei das Privileg der nicht ganz direkt Betroffenen und versuche, nicht allzu tief in das Elend einzutauchen.

Weiterhin werden von mehreren Fronten Raketen auf uns abgefeuert. Am Montag schlagen tagsüber Raketen im Gebiet Haifa und eine im Zentrum ein. An verschiedenen öffentlichen Gedenkfeiern müssen die Anwesenden vor den Raketenangriffen Schutz suchen.

Das alles sind keine idealen Bedingungen, um einen 30. Hochzeitstag zu feiern, was ja aber auch nicht weiter schlimm ist. Auch diesen Anlass feiere ich in Gedanken - wie ich es eigentlich seit dreissig Jahren tue, nur heute etwas bewusster.

Zu allem Übel deutet sich in unserem Vorgarten ein Rohrbruch ab. Mehrere schwitzende Männer brechen schon seit zwei Tagen mit Presslufthämmern die Bodenplatten auf und buddeln den Vorgarten und den Parkplatz um. Gestern bis spät in den Abend. Auch dies sind nicht gerade ideale Rahmenbedingungen für eine romantische Feier.

Am Abend des Jahrestages sehe ich mir doch noch die Sendung "Hamas-Angriff aufs Festival" auf ARTE an. Ich kann es einfach nicht lassen, mich in den westlichen Medien umzusehen, auch wenn ich dabei immer wieder schallende Ohrfeigen und Schläge in die Magengrube einstecke. Die Sendung ist realitätsbezogen, zeigt aber nur einen verschwindend kleinen Teil der ganzen Katastrophe auf. Immerhin, eine halbe Stunde ohne "aber, die Israelis haben doch auch...", wenigstens an diesem Tag, das ist schon viel, vor allem auf ARTE.
Ich selbst kenne diese Berichte aus erster Hand, von Freunden meiner Kinder, Bekannten und Verwandten.
Ich wünsche mir, dass Menschen in meinem Herkunftsland sich wenigstens eine halbe Stunde Zeit nehmen, sich so etwas anzusehen. Ich wünsche mir, dass Menschen Partei ergreifen und nicht schweigen. Schweigen ist keine Option. Schweigen ist Mittäterschaft. 

Kibbutz Netiv Ha'asara, der 7. Oktober 2023. Ein Hamas-Terrorist in der Stube der Familie Ta'asse. Der bestialischen Kreatur gegenüber sitzen die 8- und 12-jährigen Geschwister Shay und Koren, verletzt und panisch, nachdem der Terrorist ihren Vater vor ihren Augen ermordet hat. Das Scheusal öffnet kaltblütig den Kühlschrank und erlabt sich an einer Flasche Cola, bevor es seinen Mordzug weiterführt.
Meine Finger zittern, es fällt mir schwer, das Bild hier hineinzustellen.



Um 18:45 zurrt die HeimfrontApp auf dem Handy: Alarm in Tel-Aviv. Schon wieder müssen Sivan und Zehntausende in Israels Zentrum in die Schutzräume rennen. In Israels Norden ist das leider seit Monaten bitterer Alltag. Am späteren Montagabend wiederholt sich das Szenario in Tel-Aviv.

Kurz nach 23 Uhr durchschneidet Sirenengeheul aus unseren Nachbardörfern auch bei uns die Nacht. Zum feierlichen Abschluss des Tages erschüttern mehrere starke Knalle und dröhnendes Krachen die Region.

Ich warte noch einige Minuten, um mich zu versichern, dass die Sirenen nicht auch bei uns losgehen, dann gehe ich schlafen.

************


Zum Jahrestag des 7. Oktobers veröffentlicht die IDF die Anzahl der Raketenabschüsse auf Israel im vergangenen Jahr.
Es sind:

13,200 aus dem Gazastreifen
12,400 aus dem Libanon
400 aus dem Iran
180 aus dem Jemen
60 aus Syrien



Montag, 7. Oktober 2024

Eine Liebesgeschichte

Mein Herz ist schwer. 
Ein schwerer Tag. 
Ein schweres Jahr.  
Der 7. Oktober. 
Was schreibt man an diesem Tag, seit am 7. Oktober 2023 eine neue Shoah für Israel und für das jüdische Volk losgebrochen ist?
Seit dem 7. Oktober 2023 haben all meine Blogbeiträge das Massaker, die Folgen, das Trauma, unseren Alltag im Krieg und die Alternativlosigkeit der Situation zum Thema. Und schon morgen, am 8. Oktober, wird es auf meinem Blog wohl oder übel in diesem Sinne weitergehen. Denn nichts anderes beschäftigt mich so sehr wie dieser Krieg und das Leid aller Betroffenen, zu denen auch ich und meine Familie gehören.

Doch heute, ausgerechnet am Jahrestag des 7. Oktobers, einem Datum, das eine Zäsur in unserem Leben, ja in der Weltgeschichte bedeutet, veröffentliche ich hier eine Liebesgeschichte, die nichts mit "dem" 7. Oktober zu tun hat. Es ist eine Geschichte, die aus einem Groschenroman oder einer Seifenoper stammen könnte. Ob sie frei erfunden oder wahr ist, sei dahingestellt.

Die Geschichte beginnt im Januar 1985, in einem warmen exotischen Land am Mittelmeer. Eine junge Frau, nennen wir sie Sandy, geniesst das angenehme Klima fern ihrer Heimat und gönnt sich vor der Qual der Wahl einer weiteren Ausbildung eine Auszeit. Sandy sehnt sich nach den anstrengenden Jahren im Gymnasium im grauen und kalten Europa vor allem nach Sonne, Sorglosigkeit, Lebensfreude und exotischen Kulturen. Die Wintermonate in diesem heissen Land entsprechen genau ihren Erwartungen. Die Menschen sind fröhlich, lustig und interessant, die Religionen und Kulturen vielfältig gemischt, das Wetter ist fantastisch und auch im Januar perfekt zum Reisen, Baden und Sonne geniessen.

An einem lauschigen Abend kommt Sandy in der Fussgängerzone der Touristenstadt ein hübscher junger Mann mit dunklen Augen entgegen, nennen wir ihn Danny. 
Manchmal kreuzen sich die Wege von zwei Menschen rein zufällig und bleiben dann von diesem Moment an verbunden. 
Als sich die Beiden in die Augen sehen, fühlen sie sofort, dass eine kosmische Verbindung besteht. Danny ist ebenfalls zwanzigjährig, zurzeit Soldat und an diesem Wochenende auf Urlaub. 
Den Ablauf ihrer ersten Begegnung mögen sich die Leser selbst erdenken. Zweifellos müssen besondere Kräfte am Walten gewesen sein, denn die Beiden finden in der Menge zusammen, obwohl Sandy in männlicher Begleitung unterwegs ist.
Sandy und Danny ziehen sich vom ersten Augenblick an wie Magnete und sie verbringen zwei magische Tage miteinander. Doch schon bald ruft die Pflicht, Dannys Urlaub von der Armee ist zu Ende. Danach ist vorerst Funkstille. In einem Zeitalter vor Handys und WhatsApp hören die Beiden einige Monate lang nichts voneinander. Sandy hat keinen festen Wohnsitz und Danny übernachtet bestenfalls in olivgrünen Zelten. 
Am Tag ihres Abflugs, einige Monate nach den gemeinsam verbrachten Tagen, wartet Danny zu Sandys grosser Überraschung in staubiger Militäruniform am Flughafen auf sie. Sie hat Danny wohl damals das Datum ihres Fluges bekanntgegeben, obwohl sie sich jetzt gar nicht mehr daran erinnert. Doch Danny hat das Datum nicht vergessen und er erhascht einige Stunden Urlaub, indem er seinen Kommandanten bestürmt und überzeugt, dass dieses Treffen schicksalsträchtig für seine Zukunft sei. Die Reise zum Flughafen mit dem Bus ist lang und unbequem. All das nimmt Danny in Kauf, um sich von Sandy zu verabschieden und sie zu beschwören, unbedingt bald wiederzukommen.

Es vergehen vier lange Jahre, bis Sandy und Danny endlich länger zusammen sein können. Unzählige dicht beschriebene Luftpostbriefe finden in dieser Zeit ihren Weg über das Mittelmeer. Wenn es die kurzen Urlaube und die knappen Finanzen der jungen Leute erlauben, reist Sandy für einige Tage in das exotische Land, zu Danny. Von diesen Reisen beiben Sandy später vor allem die durchgeweinten Retourflüge in Erinnerung. Danny schliesst die Offiziersausbildung ab und dient ein weiteres Jahr in Reserve. Als Sanitäter verdient er sich an den Wochenenden im Rettungsdienst an den Badestränden oder als Begleiter von Reisegruppen und Pfadfinderlagern einen kleinen Lohn. Von diesem Ersparten reist er am ersten Tag nach Abschluss seines Militärdienstes zu Sandy. Doch er bleibt nur einige Tage, dann bricht er auf eine längere Reise auf: Er trampt in 18 Monaten ostwärts einmal um die Erdkugel. Sandy hat weder Verständnis noch Erspartes für ein solches Unterfangen, also verabschieden sich die Beiden ein weiteres Mal, schreiben weiter fleissig Briefe und führen Ferngespräche zu nachtschlafenden Stunden. Die Post von Danny trägt nun Briefmarken aus exotischen Ländern wie Nepal, Vietnam, Korea, Japan, Thailand, Hawaii und vielen mehr. Einem der Briefe liegt ein Foto von einem Stein auf dem Thorong La Pass im Himalaya-Gebirge bei (auf 5,400 Meter Höhe). Der Stein ist von Dannys Handschuhen umrahmt und trägt, mit Kreide gekritzelt, Sandys Namen.

Nach eineinhalb Jahren erschöpft sich Dannys Reiselust und er kehrt in seine Heimat zurück. Sandy wirft die ohne besondere Überzeugung begonnene Ausbildung über den Haufen und reist ein weiteres Mal in das exotische Land, dieses Mal mit einem etwas grösseren Koffer, doch ohne genauere Pläne.

Das Leben in dem Land am Mittelmeer mit den lebensfrohen Menschen gefällt ihr, obwohl vieles auch seltsam und ungewöhnlich ist. Warum sollte sie bei Dannys Eltern nach dem Essen keinen Milchkaffee trinken? Warum scheinen die Menschen immer aufgeregt zu schreien, wenn sie sich doch einfach nur unterhalten? Warum tragen sie Wintermäntel, sobald ein paar vereinzelte graue Wölkchen am Himmel erscheinen? Warum wünschen sie sich mitten im Herbst ein gutes neues Jahr?

Sandy und Danny mieten gemeinsam eine Wohnung und können mit ihrer Liebe die meisten Probleme überbrücken. Ein eventuelles Leben in Europa wird oft diskutiert, doch es bleibt nur ein Fantasiegebilde, das mit den Jahren immer mehr in die Ferne rückt. Sandy büffelt die fremde Sprache mit den seltsamen Schriftzeichen. Zusammen meistern Sandy und Danny auch verschiedene Kurse und Prüfungen, nach deren Abschluss Sandy zu seinem Glauben konvertiert. Fast ein Jahrzehnt nach ihrem ersten Treffen heiraten sie. Zum Hochzeitsfest reist eine ansehnliche, fröhliche und neugierige Delegation von Gästen aus Europa an, die die traditionellen Zeremonien weder kulturell noch sprachlich versteht, deswegen aber nicht minder Spass an dem Anlass hat.

Es gibt viele Probleme zu meistern. Drei Kinder, Krankheiten, Kriege, Sehnsucht nach der Familie in der fernen Heimat, kulturelle Differenzen. Es ist nicht immer einfach und beide gehen viele Kompromisse ein. Doch wenn sie sich streiten, denken sie an den magischen Moment ihres ersten Treffens. So leben sie trotz aller Schwierigkeiten viele Jahre zusammen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben Sandy und Danny noch heute. 
Und feiern gerade am heutigen Tag, dem 7. Oktober 2024, ihren 30. Hochzeitstag.


In Amsterdam, in einem anderen Zeitalter



Mittwoch, 2. Oktober 2024

Grossangriff aus dem Iran

Wie erleben wir den Raketengriff mit fast 200 ballistischen Raketen aus dem Iran? Wie sehr viele Israelis bin auch ich an diesem Dienstagabend vor dem Neujahrsfest ausser Haus, um letzte Besorgungen zu erledigen. Ich hatte den ganzen Tag kein gutes Gefühl, irgendetwas braute sich zusammen. Das Gefühl wird nicht besser, als gegen Mittag eine Rakete aus dem Libanon etwa 20 Kilometer von mir im östlichen Scharongebiet in eine Autostrasse einschlägt und am späteren Nachmittag eine weitere Rakete wohl knappe zehn Kilometer von unserem Büro im Meer landet. Die zweite Rakete nehme ich mit einem sehr lauten Schlag und starken Detonationswellen wahr. 

Gegen Ende des Arbeitstages werden Meldungen über einen bevorstehenden Angriff aus dem Iran laut, die meisten Mitarbeiter verlassen eilig die Büros. Ich bleibe noch etwas, denn ich muss Lianne bald vom Bahnhof abholen. Danach geht es zu einem Arztbesuch. Während wir beim Arzt warten, bis wir an der Reihe sind, treffen Meldungen über ein schreckliches Terrorattentat in Tel Aviv ein. Zwei Palästinenser aus der Terrorhochburg Hebron erschießen mit einem Maschinengewehr kaltblütig sechs Passanten und verletzen mehrere, vier davon lebensbedrohend.

All dieser katastrophalen Meldungen zum Trotz möchte ich doch noch das in unmittelbarer Nähe der Arztpraxis liegende kleine Einkaufszentrum aufsuchen, um ein Geschenk für unsere Gastgeber des Neujahrsfestessens zu kaufen. Wenige Hundert Meter bevor wir das Einkaufszentrum erreichen, gehen die Luftschutzalarme los. Zuerst schrecken uns mehrere Meldungen im Autoradio auf, dann folgt das Zurren der Handys, schließlich die markdurchdringenden Sirenen vor Ort. Schnell wird klar, dass sich das ganze Land, vom Norden bis zum Süden, unter Attacke befindet. Aufgeregte Passanten rennen, um sich in Schutz zu bringen. Ich fahre noch schnell auf den Parkplatz, lasse das Auto stehen, dann eilen auch Lianne und ich, zusammen mit Dutzenden weiteren Menschen, zum nächsten Schutzraum. Der kleine Raum ist schon völlig überfüllt, doch wir drängen uns hinein. Draußen schrillen die Sirenen wieder und wieder und starke Detonationen lassen die Wände erzittern. Einige Menschen, die den Schutzraum ungeduldig zu früh verlassen, kommen schockiert umgehend wieder zurück. Es wird heiß und stickig in dem kleinen Raum. Eine Frau wurde wohl beim Friseurbesuch unterbrochen, sie hat Haarfarbe und ein Frottiertuch auf dem Kopf. Ein asiatisch aussehender Mann und sein Sohn sehen besonders hilflos aus. Wir erklären ihnen auf Englisch, was los ist, obwohl wir es ja selbst nicht wissen. Einige Kinder weinen. Eine Mutter weint, weil ihre Kinder alleine zu Hause sind.

Wie vorgeschrieben, bleiben wir mindestens zehn Minuten in dem Schutzraum, aber jedes Mal, wenn wir ihn verlassen wollen, ertönen erneut Alarme und der Zehn-Minuten Countdown beginnt von neuem. Als es etwas länger ruhig wird, wagen wir uns wieder ins Freie. Ich habe kein gutes Gefühl und wäre gerne noch länger geblieben, doch Lianne muss dringend auf die Toilette. Wir laufen zum Auto und beschließen, so schnell wie möglich nach Hause zu fahren. Doch kaum sind wir unterwegs, ertönen die Sirenen erneut. Es ist unklar, ob sie aus dem Radio, dem Handy oder vor Ort lärmen, im ganzen Land und auf allen Kanälen schrillen Alarme, es ist ein markdurchdringendes Orchester. Der Himmel wird von unzähligen Objekten und Detonationen hell erleuchtet. Die Raketen scheinen nah, die meisten werden verfolgt von den rotierenden Geschossen der Abwehrsysteme. Menschen kauern unterwegs an Hausmauern. 

Nach kurzer Fahrt wird uns klar, dass Autofahren in dieser Situation keine Option ist. Nach der nächsten Kurve halten wir wieder an und laufen unter eines der Gebäude, wo wir zusammen mit anderen Menschen fragwürdigen Schutz suchen.

In dieser ganzen Zeit haben wir keinen Kontakt mit den Familienangehörigen, alle Verbindungen sind abgebrochen. Als es wieder einige Minuten lang ruhig ist, unternehmen wir einen weiteren Versuch, nach Hause zu fahren. Das Autofahren ist nach wie vor gefährlich, alle fahren viel zu schnell und wild durcheinander. Autos stehen unerwarteterweise am Straßenrand, wo sie von ihren schutzsuchenden Fahrern verlassen worden sind. Als wir zwanzig Minuten später endlich zu Hause eintreffen, bin ich so erleichtert wie schon lange nicht mehr.

Irgendwann kommt das Netz zurück, mehrere Dutzend WhatsApp Nachrichten treffen auf einmal ein.

Eyal ist an eine Hochzeit gefahren, die Alarme haben ihn kurz vor Ashdod erreicht. Die Hochzeit sucht er trotzdem noch auf. Doch anstelle der Hunderten erwarteten Gäste treffen nur etwa 30 Hartgesottene ein.

Auch Sivan, unsere Tochter in Tel Aviv, war an eine Hochzeit eingeladen. Sie brezelt sich zu Hause aufwändig auf, stylt die Haare, zieht ein schönes Kleid an und schminkt sich. Perfekt aussehend bricht sie auf, gelangt aber nur bis ans Ende der Straße, als die Luftschutzsirenen sie zwingen, den öffentlichen Schutzraum aufzusuchen und dort den Abend zu verbringen. Nur einen Katzensprung von ihrer Wohnung entfernt, aber immerhin in glamourösem Look. Dass die Hochzeit ihrer Freundin, die natürlich schon im weißen Kleid in der Festhalle auf die Gäste wartete, ins Wasser fällt, oder besser gesagt, in Feuer und Flammen aufgeht, betrübt Sivan zutiefst.

Itay sucht während dem Grossangriff in Tel-Aviv mit Bekannten Schutz unter verschiedenen Gebäuden und auf der Strasse, denn in dem alten Mehrfamilienhaus, in welchem seine Wohnung liegt, gibt es keinen Schutzraum.

Meine 84-jährige Schwiegermutter verbringt den Abend mit den Nachbarn im gemeinsamen Schutzraum ihres Mehrfamilienhauses, für welchen sie sechs Stöcke hinuntersteigen muss.

Die Alarmmeldungen über Israel



Der weitere Abend verläuft für uns ruhig, abgesehen vom Lärm der israelischen Luftwaffe, die immer wieder über uns hinwegsaust. Das iranische Regime hat fast 200 Raketen innerhalb einer kurzen Zeitspanne auf dichtbevölkerte zivile Ziele in ganz Israel abgefeuert. Dass es nicht Hunderte oder gar Tausende Tote und Verletzte gibt, sondern dass wir alle schlussendlich mehr oder weniger heil in unseren Betten liegen, scheint an ein Wunder zu grenzen. Doch tatsächlich ist das den israelischen Technologien, der Luftabwehr und den Abwehrschirmen verschiedener Sorte zuzuschreiben, unter anderem dem Abwehrsystem "Iron Dome", einer lebensrettenden Einrichtung, in welche enormer Aufwand und Unmengen von Geldern investiert werden und die zu den fortschrittlichsten der Welt gehört.


Heute Abend und in den kommenden zwei Tagen feiern wir das neue jüdische Jahr 5785. Ich wünsche dem jüdischen Volk weitere prosperierende 5785 Jahre hoch zehn, doch vorerst wünsche ich uns allen ein paar Tage Ruhe.


Mittwoch, 25. September 2024

Alarm im Scharongebiet

Aussicht vom lieblichen Baselland


Schlussendlich hatte ich doch noch einen Flug in die Schweiz ergattert. Doch mit dem Dilemma, ob wir in Israel bleiben oder flüchten sollten, habe ich bis auf Weiteres abgeschlossen. An die vielen verschiedenen emotionalen Phasen, die ich seit dem 7. Oktober durchgehe, reiht sich in letzter Zeit, ausgerechnet jetzt, unerklärliche Gelassenheit. Ziel der Reise in die Schweiz war ein kurzer Besuch bei der Familie. Ich reiste alleine, mit einem fixen Retourdatum.

Bestimmt war auch das wunderbare Wetter daran schuld, dass mir dieses Mal die Schweiz noch perfekter als sonst erschien. Auf Schritt und Tritt – oder besser, Kilometer auf Kilometer, denn ich hatte ein Auto gemietet – staunte ich wie ein Wesen von einem anderen Stern, wie wunderbar geregelt, gemässigt und logisch einfach im Vergleich zu Israel in der Schweiz alles ist. Die Strassen sind in perfektem Zustand, der Verkehr rollt, die Richtungen sind klar beschildert, die Fahrer sind zuvorkommend oder mindestens gelassen. Auch der öffentliche Verkehr ist wie immer vortrefflich organisiert, das Tram fährt auf die Minute genau überall hin. In Basel gibt es weder kaputte Gehsteige noch Ratten. Das Personal in den Läden ist freundlich und hilfsbereit. Die Sonne brennt nicht schon frühmorgens erbarmungslos nieder. Der Regen bleibt nicht fünf Monate lang aus und prasselt dann wolkenbruchartig vom Himmel. Und vor allem hängen keine Bilder von Entführten an jeder Ecke, die jungen Menschen tragen keine Maschinengewehre oder Uniformen und die meisten haben noch alle Beine und Arme.

Eins passt einfach perfekt zum andern und ich komme aus dem Staunen kaum mehr heraus. Wie vernünftig und geordnet die Dinge sein können!
In Israel ist alles extrem, masslos, laut, kaputt, unausgeglichen, ja verrückt. Natürlich haben die israelische Unvollkommenheit und der alltägliche Wahnsinn im Vergleich zur schweizerischen Gemässigtheit auch ihren Reiz. Doch jetzt, wo der Topf der Tollheit am Überbrodeln ist, erscheinen die schweizerische Vernunft und Perfektion einfach nur frappant und verführerisch.

Obwohl sich die Lage in Israel zuspitzt, fliege ich aber doch am geplanten Tag zurück. Ich konnte am frühen Morgen ja auch noch nicht wissen, dass gerade an diesem Tag in Israel der Ausnahmezustand im ganzen Land ausgerufen wurde. Doch auch hätte ich es gewusst, war mir klar, wo mein Platz ist: bei meiner Familie in Israel.

Die Raketenangriffe aus dem Libanon hatten sich tatsächlich schon tief ins Zentrum ausgeweitet. Die Raketen reichten am Dienstag schon bis in die Umgebung Haifas und nach Nazareth, Afula and Yokne'am. Der Krieg konnte offensichtlich jeden Moment vollkommen ausarten. Rund um die Uhr, auch nachts, werfe ich immer wieder einen Blick auf das Smartphone, um über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden zu sein.

Und heute Morgen ist es dann auch bei uns so weit. Um 6 Uhr dreissig – ich bin schon angezogen und bereit, das Haus zu verlassen – erschüttern starke Detonationswellen unser Haus. Die Fenster und Wände rütteln und zittern. Sofort renne ich die Treppe hoch, um mich auch bei den noch schlafenden Familienmitgliedern zu vergewissern, dass ich nicht spinne. Bevor ich oben ankomme, zurrt das Handy, die Heimatfront-App zeigt Raketenalarm in Tel-Aviv an, wo Sivan und Itay leben. Dann, im Bruchteil einer Sekunde, geht auch bei uns der Alarm los, laut und markdurchdringend. Eyal und Lianne springen aus den Betten, wir stürmen in den Schutzraum und ziehen die Türe zu. Im Familienchat bestätigen die Kinder in Tel-Aviv, dass sie den Alarm gehört haben und sich in ihren Pyjamas im Treppenhaus befinden (in älteren Gebäuden gibt es keine Schutzräume). Solche Situationen sind nur noch mit Humor zu bewältigen, deshalb fragt Eyal den Sohn, der sich sonst wochenlang nicht meldet "Ach, bist du noch im Lande?". "Ja", antwortet dieser, und schiebt nach "ich kann es selbst nicht verstehen".

Nach einigen Minuten scheint die Gefahr gebannt zu sein und wir dürfen wieder hinaus – zurück zum Alltag. Der Nachbar dreht die Morgenrunde mit dem Hund, das Taxi holt den Nachbarsjungen ab, der in eine Sonderschule geht (er ist heute verständlicherweise etwas verspätet dran) und ich fahre zur Arbeit. Die Detonation, die ich gehört habe, ist dem Raketenabwehrsystem zuzuschreiben. Die aus dem Libanon abgefeuerte Rakete ist über dem Großraum Tel Aviv abgefangen worden, bevor sie grösseren Schaden anrichten konnte.

Die Heimfront-App heute Morgen: Alarm im Zentrum Israels


Mir ist aufgefallen, dass ein Grossteil der Schweizer mit den Schultern zuckt, wenn man den Nahostkrieg anspricht. Zu komplex, meinen sie damit, sie verstehen die Situation nicht. Vielleicht ist es ja sogar auch besser, nichts zu wissen, angesichts der breiten Desinformations- und Denunziationskampagne, die im Westen zum Standard geworden ist. Doch eigentlich ist der Nahostkrieg ganz einfach erklärt: die einen betreiben Terror, die anderen Terrorbekämpfung.



Sonntag, 8. September 2024

Ein ganz normales Wochenende




Sivan berichtet, dass sie nach langem Flug in New York angekommen ist, wo sie einige Tage Urlaub verbringen wird. Ihren hebräischen Namen in der Uber-App hat sie vorsorglich auf etwas Unverfänglicheres abgeändert. Dem Taxifahrer, der sie fragt, woher sie kommt, antwortet sie "aus Malta".

Eine Freundin, die Lianne abholt, erzählt, dass sie als Tagesmutter für einen kleinen Jungen arbeitet. Der Junge ist Vollwaise, die Eltern sind am 7. Oktober in Kfar Aza ermordet worden. Der Junge überlebte das Massaker 14 Stunden lang in einem Versteck. Jetzt lebt er bei einer Tante, zusammen mit anderen Überlebenden aus Kfar Aza, in einem der Kibbuzim in der Sharongegend. Nach unserem kurzen Gespräch fahren die Freundin und Lianne an ihrem freien Tag zum Brunch in ein Café.

Itay fragt uns beim Abendessen, ob wir wissen, dass man Schuhe nur in Paaren kaufen kann. In Anbetracht der vielen Amputierten in Israel, witzelt er, müsste man einzelne Schuhe kaufen können. Sein Freund Alon hat Glück, er kann die Schuhpaare mit seinem Zimmerpartner teilen, denn zusammen haben sie ein rechtes und ein linkes Bein, und zufällig auch dieselbe Schuhgrösse.

Unsere Bekannten aus einem Kibbuz im Norden Israels kommen zu Besuch. Seit vielen Monaten leben sie wie Nomaden, ihr Häuschen mit dem liebevoll gepflegten Garten und dem Studio, in welchem Pinchas malt, seit er sich von einer schweren Krankheit erholt, mussten sie verlassen. Allein im August wurde Israels Norden mit über 1,300 Raketen aus dem Libanon und aus Syrien beschossen.

Die ermordeten Geiseln, vor allem die Geschichte von Eden Yerushalmi, gehen mir seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Eden war im Alter meiner Töchter, die manchmal auch an Partys tanzen gehen. Was Eden und die anderen Geiseln durchgemacht haben, bis sie nach 330 Tagen in Geiselhaft kaltblütig ermordet wurden, was ihre Familien erleiden müssen, das hätte man sich für den schlimmsten Horrorfilm nicht erdenken können.

Seit Anfang September kann man den Herbst erahnen. Die Temperaturen sind frühmorgens etwas erträglicher, abends spürt man sogar endlich ein leichtes Lüftchen. Aber sobald die Sonne am Himmel steht ist es immer noch sehr heiss und feucht und deshalb starte ich meinen Morgenlauf wieder einmal schon um sechs Uhr. Es ist eher ein Spaziergang, denn mein linkes Knie macht das Joggen schon einige Monate nicht mehr mit. Doch ich bin eineinhalb Stunden unterwegs und trotz der frühen Stunde kommen mir auf meiner Route, die drei Dörfer und zwei Wäldchen im Sharongebiet umfasst, Dutzende Menschen entgegen. Junge und Alte, die gehen, laufen oder Rad fahren, einige langsamer, einige sehr sportlich.
Manche der Jogger und Spaziergänger tragen Kopfhörer, andere wünschen mir freundlich einen guten Morgen und zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. 
Den hübschen jungen Männern, die wegen der Hitze ohne T-Shirts laufen, schenke ich einen zusätzlichen sehnsüchtigen Blick. Ich hoffe, sie wissen ihre Kraft, Gesundheit und jugendliche Schönheit zu schätzen. 
Eine junge Frau sitzt im Schneidersitz mit Blick auf den Sonnenaufgang auf einem Erdhügel und bringt in ihrem Zeichenblock letzte Striche an.
Die Felder und Wälder sind trocken und staubig, sie warten auf den ersten Regen. 
Auch den blühenden weissen Meerzwiebeln schenke ich einen zusätzlichen staunenden Blick. Wie beeindruckend sie in ihrer ganzen Grösse jedes Jahr irgendwann einfach plötzlich da zu sein scheinen, wo vor einer Woche noch nichts war. Wie immer kündet ihr Blühen den Wechsel der Jahreszeit an.

Die Zwiespältigkeit der Situationen und Ereignisse im Alltag macht mich wahnsinnig. Wie erträgt man diese unheimliche Normalität?





Montag, 2. September 2024

Durchhalten

Im Anschluss an meinen letzten Beitrag kann man die Liste der Horrornachrichten von gestern auf diesem Blog nachlesen.
Heute ist die Berichterstattung in Israel dominiert von Schilderungen und Aufnahmen der zahlreichen Beerdigungen. Viele Menschen streiken und gehen auf die Strasse. Die Histadrut (der israelische Gewerkschafts-Dachverband) hat für einen Tag den Generalstreik ausgerufen. Der (gesetzeswidrige) Streik soll Anteilnahme mit dem Forum der Angehörigen der Geiseln bekunden und den Druck auf die Regierung erhöhen, einem Deal zur Freilassung der verbliebenen Geiseln zuzustimmen. Leider erzielt die Hamas damit genau das, was sie über kurz oder lang explizit im Sinne hat: Hass zu schüren, die Gesellschaft zu spalten und Israel weiterhin innerpolitisch zu schwächen.

Die Sache mit den Geiseln ist höchst verzwickt. Während wir, die weniger oder nicht direkt Betroffenen, mit den am 7. Oktober etwa 1,200 Ermordeten abschliessen und sie einigermassen aus dem Bewusstsein verdrängen können, während der Schock und die Trauer über diese für uns meist Unbekannten verjähren und abklingen, beschäftigt uns das Schicksal der Geiseln rund um die Uhr. Wir kennen nicht nur ihre Namen, sondern ihre Gesichter und Geschichten, ihre Eltern, ihre Geschwister und Angehörigen. Sie sind für uns alle zu Brüdern und Schwestern geworden. Mit ihnen hat die Hamas uns in der Hand und das spielt sie brutal aus. Das wird sie auch weiterhin tun, mit jedem und jeder einzelnen der Festgehaltenen, denn das war die bestialisch geplante Absicht der Geiselnahmen am 7. Oktober-Massaker.

Ein sogenanntes "Abkommen" wird und darf es nicht geben. Wer dies bei Schreibschaukel noch nicht getan hat, sollte dazu unter anderem das Interview mit Gerhard Conrad lesen.

Für uns endete der gestrige schwarze Tag mit einem Besuch auf dem Friedhof unseres Wohnorts, für die Yahrzeit (Jahrestag des Ablebens, nach jüdischem Kalender) von Nitzan. Nitzan wurde am 7. Oktober in dem Todesbunker ermordet, aus welchem der nun aus Gaza tot geborgene Hersh Goldberg-Polin und andere entführt wurden.

Ich wollte mir eine "mir ist alles egal" Haltung aneignen, doch sehr erfolgreich bin ich damit nicht, wie ja auch zu erwarten war. Ich versuche weiterhin, mir einen Panzer zuzulegen und alles möglichst an mir abprallen zu lassen. Anders geht es nicht. Irgendwann wird hoffentlich alles wieder gut – in meiner Wunschvorstellung mit Unterstützung der westlichen Welt. Ich denke, dass sich weltweit langsam aber sicher Menschen zeigen werden, die, wie wir Israelis, ein wertebasiertes, pluralistisches, gemeinschaftsorientiertes Umfeld wollen. Menschen, die eine auf Respekt und Gleichberechtigung beruhende Gemeinschaft wollen, die niemanden zurücklässt. Menschen, die überhaupt an etwas glauben und nicht nur an Vernichtung. Ich denke, dass sich diese Menschen herauskristallisieren und dass sie irgendwann auch überhandnehmen werden.

Bis dahin müssen wir durchhalten.