Montag, 22. April 2019

Auf Heimatbesuch

Alltag. Die Tage rasen dahin. Immer ist etwas los, es findet sich kaum Zeit zum Schreiben. Ein Bombeneinschlag im Nachbardorf, eine Schweizreise, die Wahlen, endlich neue Gartenmöbel. Bevor ich beim Blogschreiben endgültig den Anschluss verpasse, möchte ich versuchen, eiligst noch etwas nachzuholen und vielleicht doch noch den davonrasenden Zug zu erwischen.

In der ersten Aprilwoche durfte ich spontan geschäftlich nach Basel reisen. In der Filiale meines Arbeitgebers im Zentrum Basels standen Meetings mit der aus den USA angereisten Chefin und mit Mitarbeitern auf dem Programm, von denen ich bis anhin nur die Stimme am Telefon kannte. Dabei war aber nicht von allzu ernsthafter Arbeit die Rede, es handelte sich eher um gesellschaftliches Zusammenfinden, um sich bei gemeinsamen Mahlzeiten (Basel hat einige sehr gute Restaurants, vor allem, wenn die Firma bezahlt) und Aktivitäten (ein geführter Stadtrundgang) kennenzulernen.

Der Fasnachtsbrunnen in Basel

Vor einer Ewigkeit, in einem anderen, früheren Leben, hatte ich in Basel das Gymnasium besucht. Nun, nach mehr als dreissig Jahren im Ausland, fühlen sich „Heimatbesuche“ in Basel sehr seltsam an. Ich sehe diese mir einst so bekannte Stadt aus den Augen einer Touristin. Auf dem Weg vom Büro ins Hotel durchquere ich den Schulhof „meines“ Gymnasiums. Ich spähe durch die Fenster in die Klassenräume, in welchen ich als junge Frau den Blick in die umgekehrte Richtung schweifen liess und – damals von unerklärlichem Fernweh geplagt und von exotischen Ländern träumend  – stundenlang den Flug der Schwalben verfolgte. Das Gefasel der Lehrer drang kaum je zu mir durch. Während der Arbeit erspähe ich jetzt vom Bürofenster aus das Dach und die Dachfenster eben dieser Schule, wo ich im Dachstock einst am Bühnenbild unserer Schüleraufführung werkelte. Die Theateraufführung war ein kläglicher Flop, das Bühnenbild katastrophal – aber dafür hatte ich danach einen Freund... 

Im Hotel bekomme ich ein überraschendes Upgrade und logiere in einem Loft, an welchem ich mich gar nicht sattsehen kann – mit Küche, Balkon und einem Badezimmer in der Grösse meiner Stube! Ich lasse sofort heisses Wasser mit viel Schaum in die freistehende Badewanne laufen und geniesse den ruhigen Abend ganz stilvoll mit Cüpli in der Wanne. Was für ein unbeschreibliches Vergnügen, diese paar gezählten Tage Singleleben in einer hübsch gestylten Hotelwohnung im Zentrum Basels! Danke, danke, mein geliebter Arbeitgeber! Was für ein Genuss, das Büro zu Fuss in wenigen Minuten zu erreichen und die Stunden mit lockerer Arbeit und Gesprächen zu verplempern. Die WhatsApp-Anrufe meiner hungrigen Familienmitglieder, die zu Hause in Wäschebergen versinken, ignoriere ich genüsslichst. Lasst mich in Ruhe! Ich habe das grosse Los im Lotto gezogen! Endlich lebe ich mein Traumleben!

Und alles so schön sauber...

Ich geniesse auch die wohl hundertste Rheinüberquerung mit der legendären Fähre und den geführten Stadtrundgang, trotz Regen und Kälte. Die Stadt aus den Augen meiner amerikanischen Mitarbeiter zu betrachten und den Erklärungen der waschechten Basler Reiseführerin zu folgen, die sich mit dem Englischen abquält, ist äusserst amüsant. Und ja, Basels pittoreske Altstadt ist sehr hübsch, dafür hatte ich als Schülerin nun wirklich keine Augen.

Im Zug nach Zürich

Nach einigen Tagen in dem modernen Loft stelle ich fest, dass ich mich in der sterilen und unpersönlichen Umgebung doch nicht so recht zu Hause fühle. Am Morgen der Abreise schneit es und als ich am Flughafengate Hebräisch höre, freue ich mich schon auf mein Zuhause, inklusive Lärm, Schmutz und Unordnung meiner Kinder.


2 Kommentare:

canadaeinfach hat gesagt…

Wie schön beschrieben... gibt es am Flughafen Kloten immer noch diese heimatlichen Klänge in der Bahn?
Mit etwas Glück steht mir dieses Jahr auch ein Heimatbesuch bevor.
LG Anita

Yael Levy hat gesagt…

Liebe Anita,
Ja, die jodelnde Frau in der Bahn gibt es noch immer! Ich wünsche dir viel Vergnügen bei deinem Heimatbesuch und vor allem - geniesse die Vorfreude!