Montag, 30. Juni 2025

Ein wunderbarer Montag!





Liebe Leserinnen und Leser,

Hatten Sie heute Morgen das Verlangen, Ihren Wecker an die Wand zu schleudern? Haben Sie sich beim Gedanken an die beginnende Arbeitswoche die Decke über den Kopf gezogen? Schien Ihnen die kommende Woche aus der Perspektive des Montagmorgens wie ein unüberwindbarer Berg? Konnten Sie sich kaum aufraffen, überhaupt zur Arbeit aufzubrechen? Fühlten Sie sich erdrückt von der Last der wartenden Aufgaben und Projekte? Hatten Sie einen waschechten Montagmorgen-Blues?

Dann habe ich einen kleinen Geheimtipp für Sie:

Stellen Sie sich vor, Sie wären zwei Wochen lang – aufgrund von Zivilschutzvorschriften – ans Haus gefesselt gewesen. Sie dürften weder ins Büro noch irgendwo sonst hingehen oder fahren. Stellen Sie sich vor, Sie hätten all Ihre erwachsenen Kinder, deren Partner, vielleicht auch Enkelkinder und weitere Angehörige bei sich beherbergen müssen. Tag und Nacht. Zwei volle Wochen.

Denken Sie sich, dass Sie rund um die Uhr am Aufräumen, Waschen und Putzen wären, während Sie gleichzeitig im Homeoffice arbeiten müssten, stets mit dem Bemühen, den Eindruck völliger Normalität zu wahren. Stellen Sie sich vor, in jeder Ecke ihres Hauses sässe jemand mit Laptop, auf der verzweifelten Suche nach Ruhe und Konzentration.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten jeden Tag eine reichhaltige Mahlzeit für fünf bis zwanzig Personen auf den Tisch zaubern –, ohne dass Ihr Vorgesetzter merkt, wie sehr Sie jonglieren.

Und jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie zu allen möglichen Nachtstunden aus dem Schlaf gerissen würden, um sich dann mit gereizten Menschen in unvorteilhafter Kleidung in einem luftdicht geschlossenen kleinen Schutzraum zusammenzudrängen. Dass Sie auch tagsüber alle paar Stunden ohne Vorwarnung alles stehen und liegen lassen und in den selben Raum rennen müssen. Dass Sie dort eine halbe Stunde ausharren müssen, in den Ohren ein unbestimmbares, fürchterliches Grollen und gewaltige Einschläge, die bis ins Mark erschüttern.

Nach jedem Alarm dürfen Sie sich nur kurz schütteln, um dann, möglichst unbeirrt, mit Ihren täglichen Verrichtungen fortzufahren – obwohl wenige Kilometer entfernt ganze Wohnviertel in Schutt und Asche gelegt worden sind. Sie verdrängen die Gedanken an diejenigen, die dieses Mal nicht überlebt haben. Sie blenden die Angst aus, dass es beim nächsten Mal Sie selbst treffen könnte, um weiter funktionieren zu können.

Ja, ich weiss, es waren "nur" zwei Wochen. Anderswo leben Menschen Monate oder gar Jahre unter solchen Bedingungen. Aber mir hat es gereicht, um meine Prioritäten zurechtzurücken.

Ich empfand es heute Morgen, nach zwei Wochen zu Hause, im Krieg, geradezu wunderbar, ins Büro zu fahren. Willkommen, schöner Montagmorgen! Wie aufregend, eine volle Arbeitswoche im Büro vor mir zu haben, was immer sie bringen würde! Was für ein wohltuend lebendiger Montagmorgenverkehr! Was für ein komfortables, klimatisiertes, ruhiges Büro! Wie aufregend, den Computer hochzufahren und die Software zu begrüssen! Was für eine fantastische Kaffeemaschine! Freundliche, gut gelaunte Kolleginnen und Kollegen! Und dann erst das Mittagessen in der Kantine! Einfach köstlich, ohne dass ich auch nur einen Finger hätte rühren müssen!

Was für ein großartiger Wochenanfang!
Was für ein wunderbarer Montag!




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