Montag, 15. Januar 2018

Der Kasuarien-Kreis

 

Meine Heim-Laufrunde führt durch den Ya’ar Ilanot. Dieser botanische Park, den die Israelis grosskotzig „Wald“ nennen, begeistert mich immer wieder, obwohl ich ihn schon unzählige Male durchquert habe.

Wie alle Parkanlagen in Israel wird auch Ya’ar Ilanot vom KKL (Keren Kayemeth LeIsrael - Jewish National Fund) unterhalten. Der KKL Fonds, so belehrt mich Wikipedia, wurde 1901 am fünften zionistischen Kongress gegründet, ursprünglich um Landkäufe im damaligen Palästina zu ermöglichen. Während den darauffolgenden Jahrzehnten war der Fonds an der Pflanzung des ersten Waldes, am Bau des ersten Kibbutz und sogar an der Gründung der Stadt Tel-Aviv beteiligt. Heute ist er vor allem für den Unterhalt der zahlreichen Parkanlagen in Israel zuständig.

Dass der KKL Fonds für die Juden in der Diaspora eine besondere Bedeutung hatte, erfahre ich von meiner Schwiegermutter. Eine KKL-Sparkasse ist einer der wenigen Gegenstände, die ihre Familie nach Israel retten konnte, als sie in den Fünfziger Jahren aus dem Irak flüchten musste. Es handelt sich um eine kleine unscheinbare Blechdose mit dem KKL-Emblem, in welche die Familienmitglieder noch im Irak ab und zu eine Münze steckten, um für Eretz Israel zu spenden. Dabei versinnbildlichte diese Dose ihre Hoffnung, dass sie eines Tages in dem verheissungsvollen Land leben würden, in welchem Milch und Honig fliesst und über welches der Vater fantastische Geschichten erzählte.

Kurz nach der Gründung Israels wurden im Ya’ar Ilanot, damals ein Stück Brachland nur wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt, eine Vielzahl verschiedener Bäume gepflanzt, um zu erforschen, wie sich die verschiedenen Arten im israelischen Klima entwickeln würden. Die Bäume wurden beobachtet und untersucht, einige überlebten, einige nahmen Überhand und andere gingen ein. Nach etwa zwei Jahrzehnten wurde der Wald nicht mehr weiter gepflegt und er verwilderte.

Seit einigen Jahren wird der schattige Park wieder vom KKL betreut. Während den Wochentagen verirrt sich zwar kaum jemand hierher, aber an den Wochenenden bevölkern Familien mit kleinen Kindern auf Trottinetts und Dreirädern die asphaltierten Wege unter den vielfältigen Bäumen. Zu seinem Höhepunkt kommt der Park jeweils im Februar, wenn die schwarze Iris blüht. Dann platzen der kleine Wald und die Parkplätze aus allen Nähten und Hunderte von Besuchern bestaunen die eigenartigen wilden Blumen mit ihrem fast schwarzen Blütenstand.

In der frühen Tageszeit, zu welcher ich unterwegs bin, sind aber kaum Besucher anzutreffen. Für mich ist der Park beim Joggen eine interessante Abwechslung zu den landwirtschaftlichen Anlagen in der Umgebung. Er ist aufwändig ausgestattet, an die 750 verschiedene Baumarten sind hier zu finden, viele davon sorgfältig beschriftet. Es gibt Ruhebänke, Trinkwasservorrichtungen und sogar ein Labyrinth aus hohen Sträuchern. Und eine Einrichtung, die ich besonders liebe – den Kasuarien-Kreis. 


Aus Gründen, die ich nicht in Erfahrung bringen konnte, pflanzten die Pioniere etwa 25 Kasuarien (eine Buchenart) in Kreisform. Die heute hochgewachsenen Bäume und die runde Form des Kreises haben etwas wahrhaft Magisches an sich. Ich drehe mich hier gerne ein paar mal um meine eigene Achse und schaue nach oben in die Baumwipfel, die den Himmel fast ganz verdecken. So sammle ich jeweils wieder Kraft und Puste, um nach Hause zu joggen.


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