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Dienstag, 17. Juni 2025

Hundert Sorgen weniger



Auf Instagram stosse ich auf ein Video von Menschen beim Rheinschwimmen im sommerlichen Basel. Dutzende, die sich treiben lassen. Ihre Köpfe sind nur kleine farbige Punkte, doch ich weiss, dass die Schwimmenden in diesem Moment glücklich sind. Eine weiss eingeblendete Zahl zählt von 100 bis 0 rückwärts und impliziert, wie sich in dem zauberhaften Nass hundert Sorgen im Nichts auflösen, bis die Badenden sorgenfrei bei der nächsten Rheinbrücke aus dem Wasser steigen.

Nachts um halb eins nähert sich Israel eine weitere Raketensalve aus dem Iran. Die Vorwarnungen auf dem Handy wecken mich erneut aus dem Tiefschlaf, doch die Sirenen in unserem Dorf bleiben ruhig. Ich habe das jetzt kapiert: Keine Sirene bedeutet – kein Rennen in den Schutzraum. Man muss die Handywarnungen einfach ignorieren. Doch ich bin, etwa eine Stunde nachdem ich mich schlafen gelegt habe, hellwach. 
Drehe mich schlaflos im Bett.

Denke an die Badenden in Basel. Die Bilder haben mich in meinem verwundbarsten Inneren getroffen. Ich sehne mich so sehr danach, mich in einem kühlen Schweizer Fluss treiben und dabei alle Sorgen und Ängste wegspülen zu lassen. Erfrischt und grenzenlos erleichtert aus dem Wasser zu steigen.

Tut mir leid, einst geliebtes Land Israel: Es ist aus zwischen uns. Ich habe mich entliebt. Ich bezweifle, dass wir uns einst eine Partnerschaft bis zum Tod versprochen haben. Mag sein, dass es feige ist, sich in schlechten Zeiten abzuwenden. Doch ich bin erschöpft, ich kann nicht mehr.

Zum Glück ist der Flugverkehr gesperrt, so bleibt mir wenigstens das Dilemma Gehen oder Dableiben erspart. 
Es gibt keinen Ausweg, ich muss da durch. 

So bleibe ich da, mit einer immensen, schmerzlichen Sehnsucht nach einer anderen, einer sorgenfreien Welt.





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